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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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neue Ziele auf neuen Wegen zu erreichen suchte. Es ist gewissermaßen die
Logik seines Systems, die Lehre von der unendlichen Bestimmung des Meuscheu,
die er in der Anschauung des Weltalls zu erkennen sucht und findet. Er ent¬
deckt dabei den Grundsatz: "Die Harmonie der Genüsse und Triebe muß die
Grundlage der Arbeit sein." Die Nichtbeachtung des Buches schreckte ihn nicht
von weitern Studien und Betrachtungen ub; er ging jetzt daran, seine abstrakten
Gedanken auf das Leben anzuwenden, indem er sich eine allgemeine Verschmelzung
der Besitzenden und der Arbeitenden dachte, von der er mathematisch nach¬
zuweisen bemüht war, sie werde Gewinne erzielen, die die in der bisherigen
Vereinzelung erreichten bei weitem hinter sich lassen würden. Der Ausführung
dieser Gedanken war sein Hauptwerk: 'Irn-ne, <lo I'g.88o"me,ion doinostiquö c;t
iiFi'levis gewidmet, das 1822 herauskam, aber keine Leser und noch weniger
den großmütigem Wohlthäter fand, der die von dem Verfasser zur Ausführung
seiner Pläne gehoffte Million vorgestreckt hätte. Auch ein drittes Werk, 1^<Z
nouvvau irwncle inöustriol, ein Seitenstück zu dein zweiten in andrer Form,
blieb unberücksichtigt, bis die Se. Simoniste" von der Bühne verschwunden
waren. Nun wendeten sich einige bedeutende Talente der Lehre Fouriers zu,
darunter Victor Considerant, und dieser gründete für die Schule, die nun
entstand, die Zeitschrift I.-r I'lmlanM, die später in ^oirwer-ititZ Mviliciuo
umgetauft wurde.

Diese Schule hat eifrig, aber ohne viel Erfolg für die Verbreitung der
Ideen ihres Meisters gearbeitet, diese aber als unfehlbar und unverbesserlich
nicht weiter zu bilden unternommen und mir versucht, sie auf dem Gebiete
der Thatsachen einzubürgern. Das System Fouriers aber läuft in seinen
Hauptumrissen etwa auf folgende Sätze hinaus. Die innere Natur des Menschen
wird von dem Wunsche beherrscht, glücklich zu sein, er treibt zu aller Thätigkeit
an und ist bei jedem Einzelnen letzter Grund des Genusses und Besitzes und
Maßstab für das Gute und Schlimme. Das Glück ist die Bestimmung des
Menschen. Der Begriff Glück aber enthält zweierlei: den Trieb nach einem
bestimmten Gut und die Erfüllung dieses Triebes, die Harmonie des Begehrens
und des Besitzes. Die Güter der Welt, die Gegenstände der Triebe und ihnen
entsprechend die letztern ordnen sich nach Gruppen oder Reihen (soriv"), und
so ergiebt sich der Grundsatz, daß die Reihenfolge die harmonische Befriedigung
oder das Glück selbst ist und verteilt (1a svrio äistrlbuv los Karmoniss). Ist
das wahr für den.Kreis, den unser Verstand erkennt, so gilt es auch für das
All, das mit dem lebendigen Ich nicht im Widerspruche stehen kann. Alles
Seiende teilt sich aber in vier Hauptgebiete: das soziale, das animale, das
organische und das materielle Gebiet. Es ist notwendig, daß alles, was inne^
halb dieser Gebiete besteht und sich bewegt, mit einander im wesentlichen übe^
einstimmt; denn alle Dinge sind mir Erscheinungen derselben ewigen notwendig/
keit. Diese innere Übereinstimmung ist in der Analogie ausgedrückt, durch d>e


neue Ziele auf neuen Wegen zu erreichen suchte. Es ist gewissermaßen die
Logik seines Systems, die Lehre von der unendlichen Bestimmung des Meuscheu,
die er in der Anschauung des Weltalls zu erkennen sucht und findet. Er ent¬
deckt dabei den Grundsatz: „Die Harmonie der Genüsse und Triebe muß die
Grundlage der Arbeit sein." Die Nichtbeachtung des Buches schreckte ihn nicht
von weitern Studien und Betrachtungen ub; er ging jetzt daran, seine abstrakten
Gedanken auf das Leben anzuwenden, indem er sich eine allgemeine Verschmelzung
der Besitzenden und der Arbeitenden dachte, von der er mathematisch nach¬
zuweisen bemüht war, sie werde Gewinne erzielen, die die in der bisherigen
Vereinzelung erreichten bei weitem hinter sich lassen würden. Der Ausführung
dieser Gedanken war sein Hauptwerk: 'Irn-ne, <lo I'g.88o«me,ion doinostiquö c;t
iiFi'levis gewidmet, das 1822 herauskam, aber keine Leser und noch weniger
den großmütigem Wohlthäter fand, der die von dem Verfasser zur Ausführung
seiner Pläne gehoffte Million vorgestreckt hätte. Auch ein drittes Werk, 1^<Z
nouvvau irwncle inöustriol, ein Seitenstück zu dein zweiten in andrer Form,
blieb unberücksichtigt, bis die Se. Simoniste» von der Bühne verschwunden
waren. Nun wendeten sich einige bedeutende Talente der Lehre Fouriers zu,
darunter Victor Considerant, und dieser gründete für die Schule, die nun
entstand, die Zeitschrift I.-r I'lmlanM, die später in ^oirwer-ititZ Mviliciuo
umgetauft wurde.

Diese Schule hat eifrig, aber ohne viel Erfolg für die Verbreitung der
Ideen ihres Meisters gearbeitet, diese aber als unfehlbar und unverbesserlich
nicht weiter zu bilden unternommen und mir versucht, sie auf dem Gebiete
der Thatsachen einzubürgern. Das System Fouriers aber läuft in seinen
Hauptumrissen etwa auf folgende Sätze hinaus. Die innere Natur des Menschen
wird von dem Wunsche beherrscht, glücklich zu sein, er treibt zu aller Thätigkeit
an und ist bei jedem Einzelnen letzter Grund des Genusses und Besitzes und
Maßstab für das Gute und Schlimme. Das Glück ist die Bestimmung des
Menschen. Der Begriff Glück aber enthält zweierlei: den Trieb nach einem
bestimmten Gut und die Erfüllung dieses Triebes, die Harmonie des Begehrens
und des Besitzes. Die Güter der Welt, die Gegenstände der Triebe und ihnen
entsprechend die letztern ordnen sich nach Gruppen oder Reihen (soriv»), und
so ergiebt sich der Grundsatz, daß die Reihenfolge die harmonische Befriedigung
oder das Glück selbst ist und verteilt (1a svrio äistrlbuv los Karmoniss). Ist
das wahr für den.Kreis, den unser Verstand erkennt, so gilt es auch für das
All, das mit dem lebendigen Ich nicht im Widerspruche stehen kann. Alles
Seiende teilt sich aber in vier Hauptgebiete: das soziale, das animale, das
organische und das materielle Gebiet. Es ist notwendig, daß alles, was inne^
halb dieser Gebiete besteht und sich bewegt, mit einander im wesentlichen übe^
einstimmt; denn alle Dinge sind mir Erscheinungen derselben ewigen notwendig/
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[0072] neue Ziele auf neuen Wegen zu erreichen suchte. Es ist gewissermaßen die Logik seines Systems, die Lehre von der unendlichen Bestimmung des Meuscheu, die er in der Anschauung des Weltalls zu erkennen sucht und findet. Er ent¬ deckt dabei den Grundsatz: „Die Harmonie der Genüsse und Triebe muß die Grundlage der Arbeit sein." Die Nichtbeachtung des Buches schreckte ihn nicht von weitern Studien und Betrachtungen ub; er ging jetzt daran, seine abstrakten Gedanken auf das Leben anzuwenden, indem er sich eine allgemeine Verschmelzung der Besitzenden und der Arbeitenden dachte, von der er mathematisch nach¬ zuweisen bemüht war, sie werde Gewinne erzielen, die die in der bisherigen Vereinzelung erreichten bei weitem hinter sich lassen würden. Der Ausführung dieser Gedanken war sein Hauptwerk: 'Irn-ne, <lo I'g.88o«me,ion doinostiquö c;t iiFi'levis gewidmet, das 1822 herauskam, aber keine Leser und noch weniger den großmütigem Wohlthäter fand, der die von dem Verfasser zur Ausführung seiner Pläne gehoffte Million vorgestreckt hätte. Auch ein drittes Werk, 1^<Z nouvvau irwncle inöustriol, ein Seitenstück zu dein zweiten in andrer Form, blieb unberücksichtigt, bis die Se. Simoniste» von der Bühne verschwunden waren. Nun wendeten sich einige bedeutende Talente der Lehre Fouriers zu, darunter Victor Considerant, und dieser gründete für die Schule, die nun entstand, die Zeitschrift I.-r I'lmlanM, die später in ^oirwer-ititZ Mviliciuo umgetauft wurde. Diese Schule hat eifrig, aber ohne viel Erfolg für die Verbreitung der Ideen ihres Meisters gearbeitet, diese aber als unfehlbar und unverbesserlich nicht weiter zu bilden unternommen und mir versucht, sie auf dem Gebiete der Thatsachen einzubürgern. Das System Fouriers aber läuft in seinen Hauptumrissen etwa auf folgende Sätze hinaus. Die innere Natur des Menschen wird von dem Wunsche beherrscht, glücklich zu sein, er treibt zu aller Thätigkeit an und ist bei jedem Einzelnen letzter Grund des Genusses und Besitzes und Maßstab für das Gute und Schlimme. Das Glück ist die Bestimmung des Menschen. Der Begriff Glück aber enthält zweierlei: den Trieb nach einem bestimmten Gut und die Erfüllung dieses Triebes, die Harmonie des Begehrens und des Besitzes. Die Güter der Welt, die Gegenstände der Triebe und ihnen entsprechend die letztern ordnen sich nach Gruppen oder Reihen (soriv»), und so ergiebt sich der Grundsatz, daß die Reihenfolge die harmonische Befriedigung oder das Glück selbst ist und verteilt (1a svrio äistrlbuv los Karmoniss). Ist das wahr für den.Kreis, den unser Verstand erkennt, so gilt es auch für das All, das mit dem lebendigen Ich nicht im Widerspruche stehen kann. Alles Seiende teilt sich aber in vier Hauptgebiete: das soziale, das animale, das organische und das materielle Gebiet. Es ist notwendig, daß alles, was inne^ halb dieser Gebiete besteht und sich bewegt, mit einander im wesentlichen übe^ einstimmt; denn alle Dinge sind mir Erscheinungen derselben ewigen notwendig/ keit. Diese innere Übereinstimmung ist in der Analogie ausgedrückt, durch d>e

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/72>, abgerufen am 29.06.2024.