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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Mißbräuchliche Geschäfte

lehmig des Gesetzes (in lrauilvin legi") geschlossen bezeichnet, und es wird
gelehrt, daß der Richter sie nicht minder für nngiltig zu erachten habe, als
das vom Gesetz verbotene Geschäft selbst. Für den, der sich in diese" Begriff
mneindenkt, kann es keinen Augenblick einem Zweifel unterliegen, daß die
fraglichen Eigeutumsübertragnngen solche zur Umgehung des Gesetzes geschlossene
Geschäfte sind, und daß sie deshalb für ebenso nngiltig gehalten werden müßten,
eine an Mobilien bestellte Hhpothek.

Fragt mau, warn.in die Gerichte diese Lehre nicht ans Geschäfte der frag¬
lichen Art angewendet haben, so kann man nur darauf antworten: die Lehre
^ der praktischen Jurisprudenz verloren gegangen. Es fehlt den Richtern
eben die Anschauung von dein Wesen eines zur Umgehung des Gesetzes bestimmte"
Geschäftes. Auch diejenigen Richter, die wohl'fühlten, daß bei der Sache
etwas sunt sei, vermochten doch nicht weiter zu gelangen, als daß sie sich die
Frage stellten, ob nicht die Geschäfte "simulirt"' seieii. Und da sie dabei zu
dein Ergebnis gelangten und gelangen mußten, daß die Geschäfte durchaus
ernstlich gemeint seien, so kamen sie dahin, sie für giltig zu erklären.

Natürlich ist nun der Zustand, bei dem mit dieser Art von Verträgen
gearbeitet wird, weit schlimmer, als wenn die Bestellung einer Hhpothek an
"lvbilien nach wie vor erlaubt wäre. Denn diese künstlichen Sicherstelln"gs-
^'ertrage sind für den Schuldner weit ungünstiger und führen unzählige Prozesse
herbei. So bilden sie ein wahres Krenz des Verkehrslebens.

Bei dieser beklagenswerten Sachlage hat es die Handelskammer in Kassel
geboten erachtet, bei dem Vorstande des deutschen Handelstages zu beantragen,
,"h>" zu wirke", daß in das bürgerliche Gesetzbuch Bestimmungen idie bis
letzt fehlen) aufgenommen werden, die diesem Unfuge entgegentrete". Zu-
^/'es hat sie aber much bei dem preußischen Handelsminister den Antrag gestellt,
ur den Fall, daß das Zustandekommen des bürgerlichen Gesetzbuches sich
Zögern sollte, a"f dem Wege der Landesgesetzgebnng dagegen vorzuschreiten.

Der Bericht der Handelskammer bringt aber noch einen andern sehr be¬
achtenswerten Punkt zur Sprache. Es ist bei de" dortige" Erörterungen die
^'ag(! gestellt worden, ob es denn auch für den, der einem andern eine Sache
'^kaufe und übergebe, verboten sein solle, sich durch Vorbehalt des Eigentums
"-gen des rückständigen Kaufpreises sicher zu stellen. Es würde sehr hart sein,
.^rc e hervorgehoben, wenn zum Beispiel eine Näherin sich nicht eine Nähmaschine
b^/^ Weise sollte anschaffen können, daß sie den Kaufpreis nach und nach ab¬
zahlen dürfe, während der Verkäufer in einem solchen Falle doch wegen seiner
^5 sicher gestellt sein wolle und deshalb sich bis zur vollen Abzahlung
sol^ ^reden" an der Maschine vorbehalte. Nun ist ja nicht zu leugnen, daß
seel/u jemand eine Sache einem andern überträgt und dabei Sicher-
l . "3 für den Preis begehrt, einigermaßen eine andre Natur als die oben
^prvcheuen Fälle haben,' und daß' bedeutende wirtschaftliche Gründe dafür


Mißbräuchliche Geschäfte

lehmig des Gesetzes (in lrauilvin legi») geschlossen bezeichnet, und es wird
gelehrt, daß der Richter sie nicht minder für nngiltig zu erachten habe, als
das vom Gesetz verbotene Geschäft selbst. Für den, der sich in diese» Begriff
mneindenkt, kann es keinen Augenblick einem Zweifel unterliegen, daß die
fraglichen Eigeutumsübertragnngen solche zur Umgehung des Gesetzes geschlossene
Geschäfte sind, und daß sie deshalb für ebenso nngiltig gehalten werden müßten,
eine an Mobilien bestellte Hhpothek.

Fragt mau, warn.in die Gerichte diese Lehre nicht ans Geschäfte der frag¬
lichen Art angewendet haben, so kann man nur darauf antworten: die Lehre
^ der praktischen Jurisprudenz verloren gegangen. Es fehlt den Richtern
eben die Anschauung von dein Wesen eines zur Umgehung des Gesetzes bestimmte»
Geschäftes. Auch diejenigen Richter, die wohl'fühlten, daß bei der Sache
etwas sunt sei, vermochten doch nicht weiter zu gelangen, als daß sie sich die
Frage stellten, ob nicht die Geschäfte „simulirt"' seieii. Und da sie dabei zu
dein Ergebnis gelangten und gelangen mußten, daß die Geschäfte durchaus
ernstlich gemeint seien, so kamen sie dahin, sie für giltig zu erklären.

Natürlich ist nun der Zustand, bei dem mit dieser Art von Verträgen
gearbeitet wird, weit schlimmer, als wenn die Bestellung einer Hhpothek an
"lvbilien nach wie vor erlaubt wäre. Denn diese künstlichen Sicherstelln»gs-
^'ertrage sind für den Schuldner weit ungünstiger und führen unzählige Prozesse
herbei. So bilden sie ein wahres Krenz des Verkehrslebens.

Bei dieser beklagenswerten Sachlage hat es die Handelskammer in Kassel
geboten erachtet, bei dem Vorstande des deutschen Handelstages zu beantragen,
,"h>» zu wirke», daß in das bürgerliche Gesetzbuch Bestimmungen idie bis
letzt fehlen) aufgenommen werden, die diesem Unfuge entgegentrete». Zu-
^/'es hat sie aber much bei dem preußischen Handelsminister den Antrag gestellt,
ur den Fall, daß das Zustandekommen des bürgerlichen Gesetzbuches sich
Zögern sollte, a»f dem Wege der Landesgesetzgebnng dagegen vorzuschreiten.

Der Bericht der Handelskammer bringt aber noch einen andern sehr be¬
achtenswerten Punkt zur Sprache. Es ist bei de» dortige» Erörterungen die
^'ag(! gestellt worden, ob es denn auch für den, der einem andern eine Sache
'^kaufe und übergebe, verboten sein solle, sich durch Vorbehalt des Eigentums
"-gen des rückständigen Kaufpreises sicher zu stellen. Es würde sehr hart sein,
.^rc e hervorgehoben, wenn zum Beispiel eine Näherin sich nicht eine Nähmaschine
b^/^ Weise sollte anschaffen können, daß sie den Kaufpreis nach und nach ab¬
zahlen dürfe, während der Verkäufer in einem solchen Falle doch wegen seiner
^5 sicher gestellt sein wolle und deshalb sich bis zur vollen Abzahlung
sol^ ^reden" an der Maschine vorbehalte. Nun ist ja nicht zu leugnen, daß
seel/u jemand eine Sache einem andern überträgt und dabei Sicher-
l . "3 für den Preis begehrt, einigermaßen eine andre Natur als die oben
^prvcheuen Fälle haben,' und daß' bedeutende wirtschaftliche Gründe dafür


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[0069] Mißbräuchliche Geschäfte lehmig des Gesetzes (in lrauilvin legi») geschlossen bezeichnet, und es wird gelehrt, daß der Richter sie nicht minder für nngiltig zu erachten habe, als das vom Gesetz verbotene Geschäft selbst. Für den, der sich in diese» Begriff mneindenkt, kann es keinen Augenblick einem Zweifel unterliegen, daß die fraglichen Eigeutumsübertragnngen solche zur Umgehung des Gesetzes geschlossene Geschäfte sind, und daß sie deshalb für ebenso nngiltig gehalten werden müßten, eine an Mobilien bestellte Hhpothek. Fragt mau, warn.in die Gerichte diese Lehre nicht ans Geschäfte der frag¬ lichen Art angewendet haben, so kann man nur darauf antworten: die Lehre ^ der praktischen Jurisprudenz verloren gegangen. Es fehlt den Richtern eben die Anschauung von dein Wesen eines zur Umgehung des Gesetzes bestimmte» Geschäftes. Auch diejenigen Richter, die wohl'fühlten, daß bei der Sache etwas sunt sei, vermochten doch nicht weiter zu gelangen, als daß sie sich die Frage stellten, ob nicht die Geschäfte „simulirt"' seieii. Und da sie dabei zu dein Ergebnis gelangten und gelangen mußten, daß die Geschäfte durchaus ernstlich gemeint seien, so kamen sie dahin, sie für giltig zu erklären. Natürlich ist nun der Zustand, bei dem mit dieser Art von Verträgen gearbeitet wird, weit schlimmer, als wenn die Bestellung einer Hhpothek an "lvbilien nach wie vor erlaubt wäre. Denn diese künstlichen Sicherstelln»gs- ^'ertrage sind für den Schuldner weit ungünstiger und führen unzählige Prozesse herbei. So bilden sie ein wahres Krenz des Verkehrslebens. Bei dieser beklagenswerten Sachlage hat es die Handelskammer in Kassel geboten erachtet, bei dem Vorstande des deutschen Handelstages zu beantragen, ,"h>» zu wirke», daß in das bürgerliche Gesetzbuch Bestimmungen idie bis letzt fehlen) aufgenommen werden, die diesem Unfuge entgegentrete». Zu- ^/'es hat sie aber much bei dem preußischen Handelsminister den Antrag gestellt, ur den Fall, daß das Zustandekommen des bürgerlichen Gesetzbuches sich Zögern sollte, a»f dem Wege der Landesgesetzgebnng dagegen vorzuschreiten. Der Bericht der Handelskammer bringt aber noch einen andern sehr be¬ achtenswerten Punkt zur Sprache. Es ist bei de» dortige» Erörterungen die ^'ag(! gestellt worden, ob es denn auch für den, der einem andern eine Sache '^kaufe und übergebe, verboten sein solle, sich durch Vorbehalt des Eigentums "-gen des rückständigen Kaufpreises sicher zu stellen. Es würde sehr hart sein, .^rc e hervorgehoben, wenn zum Beispiel eine Näherin sich nicht eine Nähmaschine b^/^ Weise sollte anschaffen können, daß sie den Kaufpreis nach und nach ab¬ zahlen dürfe, während der Verkäufer in einem solchen Falle doch wegen seiner ^5 sicher gestellt sein wolle und deshalb sich bis zur vollen Abzahlung sol^ ^reden" an der Maschine vorbehalte. Nun ist ja nicht zu leugnen, daß seel/u jemand eine Sache einem andern überträgt und dabei Sicher- l . "3 für den Preis begehrt, einigermaßen eine andre Natur als die oben ^prvcheuen Fälle haben,' und daß' bedeutende wirtschaftliche Gründe dafür

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/69>, abgerufen am 03.07.2024.