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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Die leitenden Grnndziige in der Politik des ^nntitex IV^ximu"

hohlen sprechen die amtlichen päpstliche" Zeitungen, wie die (Ziviltn, vatwUoa,
ihre Überzeugung dahin aus, "daß es zwischen Rom und Preußen niemals
Frieden geben könne, weil dieser Staat zu seiner Natur den Protestan¬
tismus habe."

Wie man nun solchen Grundsätzen gemäß die Parität, bisher die Grnnd-
säule der preußischen kirchenpolitischen Staatskunst, auffaßt, das wissen Nur
aus Windthorsts Bekenntnis, daß die katholische Kirche die Parität da ver¬
langt, wo sie in der Minderheit ist; wo sie aber die Mehrheit hat, da könne
sie, so bekannte dieser ihr Führer, weil sie die Wahrheit sei, teilte andre Kon¬
fession als gleichberechtigt neben sich dulden. Und das ist echt katholische
Staatsweisheit, wie sie der Syllabus von 1864 im Canon 6 aufstellt: "So
Einer sagt, jene Unduldsamkeit, mit der die katholische Kirche alle von ihrer
Gemeinschaft geschiednen religiösen Sekten ächtet und verdammt, sei durch das
göttliche Recht nicht vorgeschrieben, oder, über die Wahrheit der Religion
können nur Meinungen, nicht aber Gewißheit herrschen und deswegen seien
alle religiösen Sekten von der Kirche zu dulden, der sei verflucht!" Wie weit
man gegeuüber solche" Grundsätzen, die mit echt römischer Unverfrorenheit
aufgestellt werden, mit der ängstlichen paritätischen Gerechtigkeit kommt, und
ob man überhaupt noch mit dem rein formalen und dazu sehr unbestimmten
Begriff der Parität regieren kann, wenn man die staatlichen Hoheitsrechte nicht
preisgeben will, das ist sehr fraglich. Wenn die Parität nach dein Ausdruck
Pius VII'. die "größte Beleidigung der Kirche" ist und diese Kirche in
Preußen nur jetzt noch alle Kraft ans das Eine richtet, die Parität geltend zu
machen, während sie in Wahrheit dieses Geltendmachen nur als eine gegen¬
wärtig zu ersteigende Stufe betrachtet, ohne für jetzt von dem zu reden, was
nachher kommen wird, so wird es je länger je mehr unabweisliche Pflicht für
den preußischen Staat, die notwendigen staatlichen Schranken mich gegenüber
solchen klerikalen Ansprüche,! zu betonen, die sich auf die Parität zu stützen
vorgeben. Besonders wird dies gegenüber solchen Fragen zur Notwendigkeit,
in denen die unglückliche Menge der deutschen Doktrinäre, "denen es mehr
um die Konsequenz, als um einen richtigen Ansgnngspnnkt zu thun ist," dein
päpstlichen Interesse bereitwillige Dienste zu leisten, immer natürlich "ans
Konsequenz," fähig ist, wie in der Frage der Expatriirung staatsfeindlicher,
den Gehorsam von rechtmäßig zu stände gekommenen Gesetzen versagender
Bischöfe, oder in der Frage der Zurückberufung und bedingungslosen An-
erkennung der Jesuiten, oder in der über die Verwendung der Sperrgelder,
wie diese vom Zentrum demnächst verlangt werden wird. Auch gegenüber
allen vermeintlichen Paritätsansprüchen muß der Staat darauf bestehen, daß
er nur so viel gewähren kann, als mit seinem ungebrochenen Dasein verträglich
ist, und gegenüber dem Gewissen einer Kirche, der Gewissensfreiheit ein fluch¬
würdiger Frevel ist, muß er sei" Gewissen salviren, das ihm gebietet, die


Die leitenden Grnndziige in der Politik des ^nntitex IV^ximu»

hohlen sprechen die amtlichen päpstliche» Zeitungen, wie die (Ziviltn, vatwUoa,
ihre Überzeugung dahin aus, „daß es zwischen Rom und Preußen niemals
Frieden geben könne, weil dieser Staat zu seiner Natur den Protestan¬
tismus habe."

Wie man nun solchen Grundsätzen gemäß die Parität, bisher die Grnnd-
säule der preußischen kirchenpolitischen Staatskunst, auffaßt, das wissen Nur
aus Windthorsts Bekenntnis, daß die katholische Kirche die Parität da ver¬
langt, wo sie in der Minderheit ist; wo sie aber die Mehrheit hat, da könne
sie, so bekannte dieser ihr Führer, weil sie die Wahrheit sei, teilte andre Kon¬
fession als gleichberechtigt neben sich dulden. Und das ist echt katholische
Staatsweisheit, wie sie der Syllabus von 1864 im Canon 6 aufstellt: „So
Einer sagt, jene Unduldsamkeit, mit der die katholische Kirche alle von ihrer
Gemeinschaft geschiednen religiösen Sekten ächtet und verdammt, sei durch das
göttliche Recht nicht vorgeschrieben, oder, über die Wahrheit der Religion
können nur Meinungen, nicht aber Gewißheit herrschen und deswegen seien
alle religiösen Sekten von der Kirche zu dulden, der sei verflucht!" Wie weit
man gegeuüber solche» Grundsätzen, die mit echt römischer Unverfrorenheit
aufgestellt werden, mit der ängstlichen paritätischen Gerechtigkeit kommt, und
ob man überhaupt noch mit dem rein formalen und dazu sehr unbestimmten
Begriff der Parität regieren kann, wenn man die staatlichen Hoheitsrechte nicht
preisgeben will, das ist sehr fraglich. Wenn die Parität nach dein Ausdruck
Pius VII'. die „größte Beleidigung der Kirche" ist und diese Kirche in
Preußen nur jetzt noch alle Kraft ans das Eine richtet, die Parität geltend zu
machen, während sie in Wahrheit dieses Geltendmachen nur als eine gegen¬
wärtig zu ersteigende Stufe betrachtet, ohne für jetzt von dem zu reden, was
nachher kommen wird, so wird es je länger je mehr unabweisliche Pflicht für
den preußischen Staat, die notwendigen staatlichen Schranken mich gegenüber
solchen klerikalen Ansprüche,! zu betonen, die sich auf die Parität zu stützen
vorgeben. Besonders wird dies gegenüber solchen Fragen zur Notwendigkeit,
in denen die unglückliche Menge der deutschen Doktrinäre, „denen es mehr
um die Konsequenz, als um einen richtigen Ansgnngspnnkt zu thun ist," dein
päpstlichen Interesse bereitwillige Dienste zu leisten, immer natürlich „ans
Konsequenz," fähig ist, wie in der Frage der Expatriirung staatsfeindlicher,
den Gehorsam von rechtmäßig zu stände gekommenen Gesetzen versagender
Bischöfe, oder in der Frage der Zurückberufung und bedingungslosen An-
erkennung der Jesuiten, oder in der über die Verwendung der Sperrgelder,
wie diese vom Zentrum demnächst verlangt werden wird. Auch gegenüber
allen vermeintlichen Paritätsansprüchen muß der Staat darauf bestehen, daß
er nur so viel gewähren kann, als mit seinem ungebrochenen Dasein verträglich
ist, und gegenüber dem Gewissen einer Kirche, der Gewissensfreiheit ein fluch¬
würdiger Frevel ist, muß er sei» Gewissen salviren, das ihm gebietet, die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/64>, abgerufen am 25.08.2024.