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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Das deutsch-englische Abkommen

betreffende Paragraphen 2) enthält übrigens eine geographische Unklarheit,
Er zieht nämlich über den 21, Längengrad hinaus i" dein Laufe des Tschvbi-
flnsses bis zu seiner Vereinigniig mit dein Sambesi eine östlich gerichtete Grenz¬
linie, von der man nicht recht weiß, welche Fläche sie begrenzen soll, da alles
Land südlich davon, -nie eben bemerkt, uns abgesprochen ist, Uber wir erinnern uns,
daß frühere Abmachungen mit Portugal eine nördliche Grenzlinie, die in gerader
Richtung von Antara bis zu deu Kntimafälleu länft, gewährt haben. Daraus
ergiebt sich, daß auch die Neichsregierung damals die mögliche Hinausschiebuug
der Grenze bis zum 25). Längengrade ins Auge gefaßt hat. Nun könnte es
ja deu Anschein gewinnen, als ob uns jener spitz auslaufende, schmale und
winklige Landstreifen zwischen dein genannten Flusse und der deutsch-portugie¬
sischen Grenze zuerkannt worden sei, um eben diese Grenze nicht völlig gegenstands¬
los zu machen. Aber dieser Streifen nimmt sich ans wie der hiuflntterude
Fetzen eines zerrissenen Gewandes, und darum ziehen wir vor, statt an dieses
sonderbare Kvlvuialgebilde lieber an eine Unklarheit des urkundlichen Ausdruckes
zu glauben. Warum in aller Welt aber ist uns nicht die Walfischbai endlich
abgetreten worden, die doch für England nur einen eingebildeten Wert hat?
Zwar ist die Möglichkeit dazu infolge der im ^ 7 beliebten Beringung der end-
giltigen Entscheidung noch immer vorhanden, allein England giebt nicht gern,
was es nicht durchans geben muß, und warum sollte es hier geben müssen?

Nun zu deu bedeutungsvollsten Bestimmungen 1, 4, 5), die über die
Verteilung Ostafrikas entscheiden. In dein Abkommen vom Dezember 1886
war die westliche Grenze unsers Interessengebietes offen gelassen, die nördliche
dagegen bis zum Schnittpunkt des ersten südlichen Breitengrades mit der öst¬
lichen Uferlinie des Viktoria Nhanza gezogen, währeud mit dem Portugiesischen
Nachbar im Süden eine Grenze bis zum Rikuru am Westufer des Nyassasecs
vereinbart war. Es war ein verhängnisvoller und, wie angenommen werden
darf, durchaus vermeidlicher Fehler der deutscheu Diplomatie, jene feste ver¬
tragsmäßige Begrenzung im Westen als Zuknuftsfrage zu vertagen, nicht als
ob dadurch die Gelegenheit für das Dazwischentreten einer fremden Macht offen
gehalten worden wäre, sondern darum, weil nun das durchaus selbstverständliche
Hinaufrücken unsrer Grenze bis zum Tanganika als ein neuer, großer Gewinn
und seine Anerkennung als ein Zugeständnis Englands mit einem gewissen
Schein des Rechts hingestellt werden kaiin, wie es denn mich gegenwärtig ge¬
schieht. In eigentlichen Wettbewerb traten die beiden Vertragsmächte erst an
der Südwest- und Nordwestecke unsrer Kolonie. In Bezug auf die erstere
haben wir völlig mit dein vorlieb genommen, was wir in Wahrheit schon hatten.
Von unserm Grenzpunkt am Nhassa ist eine gerade, mithin die kürzeste Ver¬
bindungslinie bis zum Südvstpuukt des Tanganika gezogen worden, wohl-
gemerkt zum Südostpunkt, da das ganze Südufer des Sees den Engländern
anheimfällt. Viele Kartographen sind voreilig genug gewesen, die Lnudschafteu


Das deutsch-englische Abkommen

betreffende Paragraphen 2) enthält übrigens eine geographische Unklarheit,
Er zieht nämlich über den 21, Längengrad hinaus i» dein Laufe des Tschvbi-
flnsses bis zu seiner Vereinigniig mit dein Sambesi eine östlich gerichtete Grenz¬
linie, von der man nicht recht weiß, welche Fläche sie begrenzen soll, da alles
Land südlich davon, -nie eben bemerkt, uns abgesprochen ist, Uber wir erinnern uns,
daß frühere Abmachungen mit Portugal eine nördliche Grenzlinie, die in gerader
Richtung von Antara bis zu deu Kntimafälleu länft, gewährt haben. Daraus
ergiebt sich, daß auch die Neichsregierung damals die mögliche Hinausschiebuug
der Grenze bis zum 25). Längengrade ins Auge gefaßt hat. Nun könnte es
ja deu Anschein gewinnen, als ob uns jener spitz auslaufende, schmale und
winklige Landstreifen zwischen dein genannten Flusse und der deutsch-portugie¬
sischen Grenze zuerkannt worden sei, um eben diese Grenze nicht völlig gegenstands¬
los zu machen. Aber dieser Streifen nimmt sich ans wie der hiuflntterude
Fetzen eines zerrissenen Gewandes, und darum ziehen wir vor, statt an dieses
sonderbare Kvlvuialgebilde lieber an eine Unklarheit des urkundlichen Ausdruckes
zu glauben. Warum in aller Welt aber ist uns nicht die Walfischbai endlich
abgetreten worden, die doch für England nur einen eingebildeten Wert hat?
Zwar ist die Möglichkeit dazu infolge der im ^ 7 beliebten Beringung der end-
giltigen Entscheidung noch immer vorhanden, allein England giebt nicht gern,
was es nicht durchans geben muß, und warum sollte es hier geben müssen?

Nun zu deu bedeutungsvollsten Bestimmungen 1, 4, 5), die über die
Verteilung Ostafrikas entscheiden. In dein Abkommen vom Dezember 1886
war die westliche Grenze unsers Interessengebietes offen gelassen, die nördliche
dagegen bis zum Schnittpunkt des ersten südlichen Breitengrades mit der öst¬
lichen Uferlinie des Viktoria Nhanza gezogen, währeud mit dem Portugiesischen
Nachbar im Süden eine Grenze bis zum Rikuru am Westufer des Nyassasecs
vereinbart war. Es war ein verhängnisvoller und, wie angenommen werden
darf, durchaus vermeidlicher Fehler der deutscheu Diplomatie, jene feste ver¬
tragsmäßige Begrenzung im Westen als Zuknuftsfrage zu vertagen, nicht als
ob dadurch die Gelegenheit für das Dazwischentreten einer fremden Macht offen
gehalten worden wäre, sondern darum, weil nun das durchaus selbstverständliche
Hinaufrücken unsrer Grenze bis zum Tanganika als ein neuer, großer Gewinn
und seine Anerkennung als ein Zugeständnis Englands mit einem gewissen
Schein des Rechts hingestellt werden kaiin, wie es denn mich gegenwärtig ge¬
schieht. In eigentlichen Wettbewerb traten die beiden Vertragsmächte erst an
der Südwest- und Nordwestecke unsrer Kolonie. In Bezug auf die erstere
haben wir völlig mit dein vorlieb genommen, was wir in Wahrheit schon hatten.
Von unserm Grenzpunkt am Nhassa ist eine gerade, mithin die kürzeste Ver¬
bindungslinie bis zum Südvstpuukt des Tanganika gezogen worden, wohl-
gemerkt zum Südostpunkt, da das ganze Südufer des Sees den Engländern
anheimfällt. Viele Kartographen sind voreilig genug gewesen, die Lnudschafteu


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[0614] Das deutsch-englische Abkommen betreffende Paragraphen 2) enthält übrigens eine geographische Unklarheit, Er zieht nämlich über den 21, Längengrad hinaus i» dein Laufe des Tschvbi- flnsses bis zu seiner Vereinigniig mit dein Sambesi eine östlich gerichtete Grenz¬ linie, von der man nicht recht weiß, welche Fläche sie begrenzen soll, da alles Land südlich davon, -nie eben bemerkt, uns abgesprochen ist, Uber wir erinnern uns, daß frühere Abmachungen mit Portugal eine nördliche Grenzlinie, die in gerader Richtung von Antara bis zu deu Kntimafälleu länft, gewährt haben. Daraus ergiebt sich, daß auch die Neichsregierung damals die mögliche Hinausschiebuug der Grenze bis zum 25). Längengrade ins Auge gefaßt hat. Nun könnte es ja deu Anschein gewinnen, als ob uns jener spitz auslaufende, schmale und winklige Landstreifen zwischen dein genannten Flusse und der deutsch-portugie¬ sischen Grenze zuerkannt worden sei, um eben diese Grenze nicht völlig gegenstands¬ los zu machen. Aber dieser Streifen nimmt sich ans wie der hiuflntterude Fetzen eines zerrissenen Gewandes, und darum ziehen wir vor, statt an dieses sonderbare Kvlvuialgebilde lieber an eine Unklarheit des urkundlichen Ausdruckes zu glauben. Warum in aller Welt aber ist uns nicht die Walfischbai endlich abgetreten worden, die doch für England nur einen eingebildeten Wert hat? Zwar ist die Möglichkeit dazu infolge der im ^ 7 beliebten Beringung der end- giltigen Entscheidung noch immer vorhanden, allein England giebt nicht gern, was es nicht durchans geben muß, und warum sollte es hier geben müssen? Nun zu deu bedeutungsvollsten Bestimmungen 1, 4, 5), die über die Verteilung Ostafrikas entscheiden. In dein Abkommen vom Dezember 1886 war die westliche Grenze unsers Interessengebietes offen gelassen, die nördliche dagegen bis zum Schnittpunkt des ersten südlichen Breitengrades mit der öst¬ lichen Uferlinie des Viktoria Nhanza gezogen, währeud mit dem Portugiesischen Nachbar im Süden eine Grenze bis zum Rikuru am Westufer des Nyassasecs vereinbart war. Es war ein verhängnisvoller und, wie angenommen werden darf, durchaus vermeidlicher Fehler der deutscheu Diplomatie, jene feste ver¬ tragsmäßige Begrenzung im Westen als Zuknuftsfrage zu vertagen, nicht als ob dadurch die Gelegenheit für das Dazwischentreten einer fremden Macht offen gehalten worden wäre, sondern darum, weil nun das durchaus selbstverständliche Hinaufrücken unsrer Grenze bis zum Tanganika als ein neuer, großer Gewinn und seine Anerkennung als ein Zugeständnis Englands mit einem gewissen Schein des Rechts hingestellt werden kaiin, wie es denn mich gegenwärtig ge¬ schieht. In eigentlichen Wettbewerb traten die beiden Vertragsmächte erst an der Südwest- und Nordwestecke unsrer Kolonie. In Bezug auf die erstere haben wir völlig mit dein vorlieb genommen, was wir in Wahrheit schon hatten. Von unserm Grenzpunkt am Nhassa ist eine gerade, mithin die kürzeste Ver¬ bindungslinie bis zum Südvstpuukt des Tanganika gezogen worden, wohl- gemerkt zum Südostpunkt, da das ganze Südufer des Sees den Engländern anheimfällt. Viele Kartographen sind voreilig genug gewesen, die Lnudschafteu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/614>, abgerufen am 02.07.2024.