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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Litteratur

Standes in der Pestalozzischen, Zeit; Dicsterivegs Lehrerideal; Diesterivegs Arbeit
und Kampf für die Lehrerbildung; Die Lehrerbildung in den letzten Jahrzehnten.

Es ist gerade kein erhebendes Bild, das uns der Verfasser von dein unaus¬
gesetzten Kampfe der Volksschule und ihrer Lehrer mit allen ihren Gegnern ent¬
wirft. Schon Melauchthous Freund Eobauus Hcffus schrieb im Jahre 1500:
"Welcher Lohn wird uns für unsre Mühen? Fasten, Auszehrung, Verdruß, Krank¬
heiten, immerwährender Kummer; jede andre Arbeit nährt ihren Mann: den
Schullehrer drückt schreckliche Armut und der übermütige Stolz andrer schlägt ihn
vollends nieder. Jeder Schreiber, Rabulist, Bettelmönch hat oder fordert den
Vorzug. So übereilt uus mitten im Lenz unsrer Jahre das bleiche Alter! O
lieber den Tod als diesen Zustand!" Dieselbe Klage geht seitdem durch alle Jahr¬
hunderte; und noch im Jahre 18l>9 kounte der Landrat von Waldow-Steiuhösel
im preußischen Herrenhnuse ungerügt ausrufen: "Ich erwarte, daß mir erst eine
verhungerte Lehrerwitwe gezeigt wird; eher werde ich bei diesem Gesetze nicht so
ängstlich sein." Es handelte sich nämlich darum, daß den Lehrcrwitwen eine jähr¬
liche Pension von fünfzig, sage fünfzig Thalern gewährt werden sollte!

Die Zeiten find nun allerdings seitdem etwas anders geworden, und doch be¬
merkt Wilke mit Bitterkeit, daß dem Lehrerstaude auch heutzutage uoch uicht die
Achtung und Anerkennung zu Teil werde, die er in Wirklichkeit verdiene. Mail sehe
auch jetzt noch mit halbem Mitleid und halber Verachtung auf deu Lehrer und sein
Amt. Der Verfasser sucht uach den Gründen dieser Erscheinung und glaubt sie in
dem geschichtliche" Erbteil zu finden, das den Lehrern in demselben Maße wie den
Juden zugefallen sei, ferner in der herkömmlichen Schulaufsicht, in der rechtlichen
und militärischen Ausnahmestellung des Lehrerstandes, in seiner mangelhaften Be¬
soldung, in seiner Bildung und in dem Verhalten einzelner seiner Mitglieder.
Er hätte noch hinzufüge" können: in dem Verhalten der Vorgesetzten, der Schul¬
räte n. s. w. zu deu Lehrern; denn es giebt in der That kaum eine Klasse von
Verwaltmigsbeamten, die mit mehr Überlegenheit, Selbstbewußtsein und Gering¬
schätzung auf die Untergebenen hiuabschaut, als die der Schulräte. Darüber haben
nicht nur die Volksschullehrer zu klage", sondern auch die akademisch gebildeten
Lehrer. I" Preußen wenigstens sind die Schulräte uicht selten, die den Gymnasial¬
lehrer auch in gesellschaftlicher Beziehung sehr tief unter sich stellen und es als eine
beispiellose Ungehörigkeit betrachten würden, wenn sich der Gymnasiallehrer z. B.
an den Tisch des Schulrath setzen wollte. Viele meiden ängstlich deu Verkehr mit
dein Lehrerstaude, da sie im stillen befürchten, ihre juristisch gebildeten Kollegen
von der Regierung könnten in ihnen noch immer deu alten Schulmeister und uicht
den neuen Regierungsrat wittern. Viele umgeben sich bei Visitationen, Versamm¬
lungen nud Konferenzen mit einer Würde und Unnahbarkeit, die oft ans Lächerliche
streift. Diese thatsächliche Geringschätzung der Lehrer durch die Schulräte überträgt
sich selbstverständlich auf die übrigen gebildeten Stände; denn wie tief muß uach
ihrer Ansicht selbst der akademisch gebildete Lehrer stehen, wenn ein einfacher Re¬
gierungsrat solche Gewalt über ihn hat! Der Jurist und der Offizier sind in ge¬
sellschaftlicher Beziehung alles durch ihren Beruf. Ihre amtliche oder dienstliche
Stellung hebt sie empor, ihre Persönlichkeit, ihre Leistungen, selbst ihre sittliche
Führung mögen sein, wie sie wollen. Der Lehrer ist in unsrer Gesellschaft nichts
durch seinen Beruf. Seine amtliche Stellung hebt ihn nicht in den Augen der Ge¬
bildeten, sondern zieht ihn herunter. Wenn hie und da ein Lehrer trotzdem in der
Gesellschaft etwas gilt, so verdankt er das immer nur seiner Persönlichkeit, seiner
außernmtlicheu Thätigkeit, seinen Bestrebungen, die gewöhnlich mit seinem Amte


Litteratur

Standes in der Pestalozzischen, Zeit; Dicsterivegs Lehrerideal; Diesterivegs Arbeit
und Kampf für die Lehrerbildung; Die Lehrerbildung in den letzten Jahrzehnten.

Es ist gerade kein erhebendes Bild, das uns der Verfasser von dein unaus¬
gesetzten Kampfe der Volksschule und ihrer Lehrer mit allen ihren Gegnern ent¬
wirft. Schon Melauchthous Freund Eobauus Hcffus schrieb im Jahre 1500:
„Welcher Lohn wird uns für unsre Mühen? Fasten, Auszehrung, Verdruß, Krank¬
heiten, immerwährender Kummer; jede andre Arbeit nährt ihren Mann: den
Schullehrer drückt schreckliche Armut und der übermütige Stolz andrer schlägt ihn
vollends nieder. Jeder Schreiber, Rabulist, Bettelmönch hat oder fordert den
Vorzug. So übereilt uus mitten im Lenz unsrer Jahre das bleiche Alter! O
lieber den Tod als diesen Zustand!" Dieselbe Klage geht seitdem durch alle Jahr¬
hunderte; und noch im Jahre 18l>9 kounte der Landrat von Waldow-Steiuhösel
im preußischen Herrenhnuse ungerügt ausrufen: „Ich erwarte, daß mir erst eine
verhungerte Lehrerwitwe gezeigt wird; eher werde ich bei diesem Gesetze nicht so
ängstlich sein." Es handelte sich nämlich darum, daß den Lehrcrwitwen eine jähr¬
liche Pension von fünfzig, sage fünfzig Thalern gewährt werden sollte!

Die Zeiten find nun allerdings seitdem etwas anders geworden, und doch be¬
merkt Wilke mit Bitterkeit, daß dem Lehrerstaude auch heutzutage uoch uicht die
Achtung und Anerkennung zu Teil werde, die er in Wirklichkeit verdiene. Mail sehe
auch jetzt noch mit halbem Mitleid und halber Verachtung auf deu Lehrer und sein
Amt. Der Verfasser sucht uach den Gründen dieser Erscheinung und glaubt sie in
dem geschichtliche» Erbteil zu finden, das den Lehrern in demselben Maße wie den
Juden zugefallen sei, ferner in der herkömmlichen Schulaufsicht, in der rechtlichen
und militärischen Ausnahmestellung des Lehrerstandes, in seiner mangelhaften Be¬
soldung, in seiner Bildung und in dem Verhalten einzelner seiner Mitglieder.
Er hätte noch hinzufüge« können: in dem Verhalten der Vorgesetzten, der Schul¬
räte n. s. w. zu deu Lehrern; denn es giebt in der That kaum eine Klasse von
Verwaltmigsbeamten, die mit mehr Überlegenheit, Selbstbewußtsein und Gering¬
schätzung auf die Untergebenen hiuabschaut, als die der Schulräte. Darüber haben
nicht nur die Volksschullehrer zu klage«, sondern auch die akademisch gebildeten
Lehrer. I« Preußen wenigstens sind die Schulräte uicht selten, die den Gymnasial¬
lehrer auch in gesellschaftlicher Beziehung sehr tief unter sich stellen und es als eine
beispiellose Ungehörigkeit betrachten würden, wenn sich der Gymnasiallehrer z. B.
an den Tisch des Schulrath setzen wollte. Viele meiden ängstlich deu Verkehr mit
dein Lehrerstaude, da sie im stillen befürchten, ihre juristisch gebildeten Kollegen
von der Regierung könnten in ihnen noch immer deu alten Schulmeister und uicht
den neuen Regierungsrat wittern. Viele umgeben sich bei Visitationen, Versamm¬
lungen nud Konferenzen mit einer Würde und Unnahbarkeit, die oft ans Lächerliche
streift. Diese thatsächliche Geringschätzung der Lehrer durch die Schulräte überträgt
sich selbstverständlich auf die übrigen gebildeten Stände; denn wie tief muß uach
ihrer Ansicht selbst der akademisch gebildete Lehrer stehen, wenn ein einfacher Re¬
gierungsrat solche Gewalt über ihn hat! Der Jurist und der Offizier sind in ge¬
sellschaftlicher Beziehung alles durch ihren Beruf. Ihre amtliche oder dienstliche
Stellung hebt sie empor, ihre Persönlichkeit, ihre Leistungen, selbst ihre sittliche
Führung mögen sein, wie sie wollen. Der Lehrer ist in unsrer Gesellschaft nichts
durch seinen Beruf. Seine amtliche Stellung hebt ihn nicht in den Augen der Ge¬
bildeten, sondern zieht ihn herunter. Wenn hie und da ein Lehrer trotzdem in der
Gesellschaft etwas gilt, so verdankt er das immer nur seiner Persönlichkeit, seiner
außernmtlicheu Thätigkeit, seinen Bestrebungen, die gewöhnlich mit seinem Amte


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[0583] Litteratur Standes in der Pestalozzischen, Zeit; Dicsterivegs Lehrerideal; Diesterivegs Arbeit und Kampf für die Lehrerbildung; Die Lehrerbildung in den letzten Jahrzehnten. Es ist gerade kein erhebendes Bild, das uns der Verfasser von dein unaus¬ gesetzten Kampfe der Volksschule und ihrer Lehrer mit allen ihren Gegnern ent¬ wirft. Schon Melauchthous Freund Eobauus Hcffus schrieb im Jahre 1500: „Welcher Lohn wird uns für unsre Mühen? Fasten, Auszehrung, Verdruß, Krank¬ heiten, immerwährender Kummer; jede andre Arbeit nährt ihren Mann: den Schullehrer drückt schreckliche Armut und der übermütige Stolz andrer schlägt ihn vollends nieder. Jeder Schreiber, Rabulist, Bettelmönch hat oder fordert den Vorzug. So übereilt uus mitten im Lenz unsrer Jahre das bleiche Alter! O lieber den Tod als diesen Zustand!" Dieselbe Klage geht seitdem durch alle Jahr¬ hunderte; und noch im Jahre 18l>9 kounte der Landrat von Waldow-Steiuhösel im preußischen Herrenhnuse ungerügt ausrufen: „Ich erwarte, daß mir erst eine verhungerte Lehrerwitwe gezeigt wird; eher werde ich bei diesem Gesetze nicht so ängstlich sein." Es handelte sich nämlich darum, daß den Lehrcrwitwen eine jähr¬ liche Pension von fünfzig, sage fünfzig Thalern gewährt werden sollte! Die Zeiten find nun allerdings seitdem etwas anders geworden, und doch be¬ merkt Wilke mit Bitterkeit, daß dem Lehrerstaude auch heutzutage uoch uicht die Achtung und Anerkennung zu Teil werde, die er in Wirklichkeit verdiene. Mail sehe auch jetzt noch mit halbem Mitleid und halber Verachtung auf deu Lehrer und sein Amt. Der Verfasser sucht uach den Gründen dieser Erscheinung und glaubt sie in dem geschichtliche» Erbteil zu finden, das den Lehrern in demselben Maße wie den Juden zugefallen sei, ferner in der herkömmlichen Schulaufsicht, in der rechtlichen und militärischen Ausnahmestellung des Lehrerstandes, in seiner mangelhaften Be¬ soldung, in seiner Bildung und in dem Verhalten einzelner seiner Mitglieder. Er hätte noch hinzufüge« können: in dem Verhalten der Vorgesetzten, der Schul¬ räte n. s. w. zu deu Lehrern; denn es giebt in der That kaum eine Klasse von Verwaltmigsbeamten, die mit mehr Überlegenheit, Selbstbewußtsein und Gering¬ schätzung auf die Untergebenen hiuabschaut, als die der Schulräte. Darüber haben nicht nur die Volksschullehrer zu klage«, sondern auch die akademisch gebildeten Lehrer. I« Preußen wenigstens sind die Schulräte uicht selten, die den Gymnasial¬ lehrer auch in gesellschaftlicher Beziehung sehr tief unter sich stellen und es als eine beispiellose Ungehörigkeit betrachten würden, wenn sich der Gymnasiallehrer z. B. an den Tisch des Schulrath setzen wollte. Viele meiden ängstlich deu Verkehr mit dein Lehrerstaude, da sie im stillen befürchten, ihre juristisch gebildeten Kollegen von der Regierung könnten in ihnen noch immer deu alten Schulmeister und uicht den neuen Regierungsrat wittern. Viele umgeben sich bei Visitationen, Versamm¬ lungen nud Konferenzen mit einer Würde und Unnahbarkeit, die oft ans Lächerliche streift. Diese thatsächliche Geringschätzung der Lehrer durch die Schulräte überträgt sich selbstverständlich auf die übrigen gebildeten Stände; denn wie tief muß uach ihrer Ansicht selbst der akademisch gebildete Lehrer stehen, wenn ein einfacher Re¬ gierungsrat solche Gewalt über ihn hat! Der Jurist und der Offizier sind in ge¬ sellschaftlicher Beziehung alles durch ihren Beruf. Ihre amtliche oder dienstliche Stellung hebt sie empor, ihre Persönlichkeit, ihre Leistungen, selbst ihre sittliche Führung mögen sein, wie sie wollen. Der Lehrer ist in unsrer Gesellschaft nichts durch seinen Beruf. Seine amtliche Stellung hebt ihn nicht in den Augen der Ge¬ bildeten, sondern zieht ihn herunter. Wenn hie und da ein Lehrer trotzdem in der Gesellschaft etwas gilt, so verdankt er das immer nur seiner Persönlichkeit, seiner außernmtlicheu Thätigkeit, seinen Bestrebungen, die gewöhnlich mit seinem Amte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/583>, abgerufen am 22.07.2024.