Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.der Jagd, in den ernstern Beschäftigungen des öffentlichen Lebens, beim Opfer, Vielfach freilich würde mau zu weit gehen, wenn man für die Allswahl der Jagd, in den ernstern Beschäftigungen des öffentlichen Lebens, beim Opfer, Vielfach freilich würde mau zu weit gehen, wenn man für die Allswahl <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0570" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207865"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1577" prev="#ID_1576"> der Jagd, in den ernstern Beschäftigungen des öffentlichen Lebens, beim Opfer,<lb/> bei der Verlobung und im Dienste des Kaisers in der Feldherrntracht; die<lb/> Schaustellungen des Zirkus fehlen auf den Sarkophagen ebenso wenig, wie Dar¬<lb/> stellungen der Kämpfe, in denen die Römer den nordischen Barbaren begeg¬<lb/> neten, und endlich sehen wir den Verstorbenen auf dein Lager ausgestreckt und<lb/> von seinen Angehörigen beklagt. Bei allen diesen Sarkvphagreliefs ist die<lb/> Wahl des Gegenstandes leicht verständlich. Schwerer ist die Frage zu beant¬<lb/> worten, wie weit bei der Auswahl der noch viel zahlreicheren mythologischen<lb/> Darstellungen die religiösen Vorstellungen und der Glaube an die Unsterblich¬<lb/> keit der Seele einen Einfluß ausübten. Bei den meisten spätern Schrift¬<lb/> stellern begegnen wir dem Zweifel, dem Spott, der Gleichgiltigkeit. Mäuner<lb/> wie Cicero und Seneca mit ihrem unerschütterlichen Unsterblichkeitsglauben<lb/> bilden fast eine Ausnahme unter den Vornehmen und Gebildeten ihrer Zeit,<lb/> Und doch muß auch noch in der Kaiserzeit der Glaube an eine Fortdauer der<lb/> Seele nach dem Tode weit verbreitet gewesen sein. Ohne diesen Glauben<lb/> wäre der tief eingewurzelte Aberglaube der Römer und der ganze Totenkult<lb/> der alten Welt unverständlich. Schwer erklärlich wäre es auch, warum sich<lb/> die reichen Römer zu den Mysterien von Eleusis und Samothrake drängten.<lb/> Was an diesen Orten die Priester den Eingeweihten verhießen, das verkünden<lb/> vielfach auch die Sarkophagreliefs: die tröstende Überzeugung, daß der Tod<lb/> nicht das schlimmste aller Übel sei, den festen Glanben, daß wir durch den<lb/> Tod hindurch in ein neues, seliges Leben eingehen. Auf christlichen Sarko¬<lb/> phagen bildet die Gestalt des Heilandes das Unterpfand dieser Verheißungen;<lb/> in den heidnischen Reliefs begegnen wir den Göttern und Heroen, deren Dulden<lb/> und Siegen dein armen Menschen gleichsam ein Vorbild seines eignen Schick¬<lb/> sals ist. Auch die Heroen mußten kämpfen und leiden, ehe sie zur Unsterblich¬<lb/> keit emporgehoben wurden, wie Herakles. Auch sie wurden durch einen frühen<lb/> Tod hinweggerafft, wie Adonis, die Nivbiden, Achilleus und Meleagrvs. Aus<lb/> den Dnrstelluugeu ihres Geschicks spricht die Wehmut über die Vergänglichkeit<lb/> alles schönen zu uns, die Hoffnung, wenn aus den Sarkophagen die kurze<lb/> Trennung des Admetvs und der Alkestis dargestellt ist, oder der Tod des<lb/> Protesilaos, dem die Götter die Rückkehr aus der Unterwelt zu seiner jungen<lb/> Gattin gestatten, oder der Schlummer des Adonis, zu dem Selene beglückend<lb/> herabsteigt, der Ariadne, die von Dionysos zu einem seligen Leben erweckt<lb/> wird. Vor allem ist in diesem Sinne die mehr als fünfzigmal wiederholte<lb/> Darstellung des Raubes der Persephone zu deuten, deren Entführung und<lb/> Wiederkehr ja auch den Hauptinhalt der eleusinischen Verheißungen bildete.</p><lb/> <p xml:id="ID_1578" next="#ID_1579"> Vielfach freilich würde mau zu weit gehen, wenn man für die Allswahl<lb/> der Darstellungen eine besondre Veranlassung annehmen und in den Dar¬<lb/> stellungen selbst einen tiefern Sinn suchen wollte. Zweifelhaft ist es, ob die<lb/> auf Kiildersarkophagen beliebten Eroten, die bald mutwillig spielen, bald schall-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0570]
der Jagd, in den ernstern Beschäftigungen des öffentlichen Lebens, beim Opfer,
bei der Verlobung und im Dienste des Kaisers in der Feldherrntracht; die
Schaustellungen des Zirkus fehlen auf den Sarkophagen ebenso wenig, wie Dar¬
stellungen der Kämpfe, in denen die Römer den nordischen Barbaren begeg¬
neten, und endlich sehen wir den Verstorbenen auf dein Lager ausgestreckt und
von seinen Angehörigen beklagt. Bei allen diesen Sarkvphagreliefs ist die
Wahl des Gegenstandes leicht verständlich. Schwerer ist die Frage zu beant¬
worten, wie weit bei der Auswahl der noch viel zahlreicheren mythologischen
Darstellungen die religiösen Vorstellungen und der Glaube an die Unsterblich¬
keit der Seele einen Einfluß ausübten. Bei den meisten spätern Schrift¬
stellern begegnen wir dem Zweifel, dem Spott, der Gleichgiltigkeit. Mäuner
wie Cicero und Seneca mit ihrem unerschütterlichen Unsterblichkeitsglauben
bilden fast eine Ausnahme unter den Vornehmen und Gebildeten ihrer Zeit,
Und doch muß auch noch in der Kaiserzeit der Glaube an eine Fortdauer der
Seele nach dem Tode weit verbreitet gewesen sein. Ohne diesen Glauben
wäre der tief eingewurzelte Aberglaube der Römer und der ganze Totenkult
der alten Welt unverständlich. Schwer erklärlich wäre es auch, warum sich
die reichen Römer zu den Mysterien von Eleusis und Samothrake drängten.
Was an diesen Orten die Priester den Eingeweihten verhießen, das verkünden
vielfach auch die Sarkophagreliefs: die tröstende Überzeugung, daß der Tod
nicht das schlimmste aller Übel sei, den festen Glanben, daß wir durch den
Tod hindurch in ein neues, seliges Leben eingehen. Auf christlichen Sarko¬
phagen bildet die Gestalt des Heilandes das Unterpfand dieser Verheißungen;
in den heidnischen Reliefs begegnen wir den Göttern und Heroen, deren Dulden
und Siegen dein armen Menschen gleichsam ein Vorbild seines eignen Schick¬
sals ist. Auch die Heroen mußten kämpfen und leiden, ehe sie zur Unsterblich¬
keit emporgehoben wurden, wie Herakles. Auch sie wurden durch einen frühen
Tod hinweggerafft, wie Adonis, die Nivbiden, Achilleus und Meleagrvs. Aus
den Dnrstelluugeu ihres Geschicks spricht die Wehmut über die Vergänglichkeit
alles schönen zu uns, die Hoffnung, wenn aus den Sarkophagen die kurze
Trennung des Admetvs und der Alkestis dargestellt ist, oder der Tod des
Protesilaos, dem die Götter die Rückkehr aus der Unterwelt zu seiner jungen
Gattin gestatten, oder der Schlummer des Adonis, zu dem Selene beglückend
herabsteigt, der Ariadne, die von Dionysos zu einem seligen Leben erweckt
wird. Vor allem ist in diesem Sinne die mehr als fünfzigmal wiederholte
Darstellung des Raubes der Persephone zu deuten, deren Entführung und
Wiederkehr ja auch den Hauptinhalt der eleusinischen Verheißungen bildete.
Vielfach freilich würde mau zu weit gehen, wenn man für die Allswahl
der Darstellungen eine besondre Veranlassung annehmen und in den Dar¬
stellungen selbst einen tiefern Sinn suchen wollte. Zweifelhaft ist es, ob die
auf Kiildersarkophagen beliebten Eroten, die bald mutwillig spielen, bald schall-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |