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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Die deutsche Sprache in Österreich

die Italiener um eine italienische Universität oder mindestens um eine juristische
Fakultät mit dem Sitz in Trieft oder in dem reizenden Görz. Weshalb
man diesem berechtigten Wunsche eines hochgebildeten Volksstammes von etwa
800 000 Köpfen bisher nicht entsprochen hat, ist nicht einzusehen. Besorgnisse
vor irredentistischen Bestrebungen können dabei doch im Ernste kaum maßgebend
sein, und so stark wie die Czernowitzer Universität (25,t> Studenten im letzten
Schuljahre) würde eine italienische Universität gewiß auch besucht werden. Ob
sich die Errichtung einer slowenischen Hochschule jetzt schon in Betracht ziehen
läßt, mag dahingestellt bleiben. Bei dein geringen Unterschiede zwischen dein
Slowenischen und dem Serbo-Kroatischen können slowenische Studenten sich
übrigens nach der nahegelegenen Agramer Universität wenden.

Daß eine so tiefgreifende Umgestaltung des österreichischen Unterrichts¬
wesens (von dem ungarischen habe ich absichtlich nicht gesprochen, obwohl die
Verhältnisse jenseits der Leitha noch schlimmer sind als diesseits, aber mit den
Herren Magyaren ist ja nicht zu reden!) jetzt, wo der Karren bereits arg
verfahren ist, eine sehr schwierige Sache sein wird, bedarf keiner Erwähnung.
Aber die Reform ist unerläßlich. Schon wirken an den nichtdeutschen Anstalten
Lehrkräfte genug, die des Deutschen nur noch teilweise mächtig sind. Dies
sollte, meine ich, zu denken geben. Entschließt man sich zur Umkehr -- und
früher oder später wird mau sich uolous volens dazu entschließen müssen --,
dann empfiehlt sichs, schrittweise vorzugehen. Mögen die des Deutschen nicht
völlig mächtigen Lehrer in Gottes Namen ihre Fächer weiter in ihrer Ncitivnal-
sprache treiben, bis sie nach und nach durch Abgang oder Pensionirung aus¬
scheiden. Die andern, die gut Deutsch können -- und das ist zur Zeit noch
die, große Mehrzahl --, müssen wieder zu der verpöntem Sprache greifen, und
jede neu eintretende Lehrkraft muß die vollkommene Kenntnis des Deutschen
nachweisen. Bei der fünften Klasse der Volksschule und der untersten der
Mittelschule und der ihr gleichgestellten Fachschulen u. s. w. fängt man mit der
deutschen Unterrichtssprache an und fährt dann von Klasse zu Klasse aufsteigend
fort. Ohne gewisse Härten wird es dabei nicht abgehen. Aber rslxubli"a.o
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Ich weiß sehr wohl, daß ich mit den hier ausgesprochenen Ansichten und
Vorschlägen heute noch den Prediger in der Wüste mache. Aber ich bin fest
überzeugt, daß mir ein Weg gleich dem von mir in flüchtigen Zügen gezeichneten,
bei dem ich uur das unabweisbare praktische Bedürfnis im Auge behalten habe,
zwar langsam aber sicher zum Ziele führen und zugleich dein heillosen nationalen
Hin- und Hergezerre, bei dem nie auch nur etwas halbwegs vernünftiges
herauskommt, mit der Zeit ein Ende macheu wird. Aber die Zeit drüugt
bereits stark zur Umkehr. Geht es so fort wie bisher, dann fürchte ich sehr,
daß wir uns zu Anfang des zwanzigsten Jahrhlluderts im Schatten des
babylonischen Turmes zur Ruhe setzen können.




Die deutsche Sprache in Österreich

die Italiener um eine italienische Universität oder mindestens um eine juristische
Fakultät mit dem Sitz in Trieft oder in dem reizenden Görz. Weshalb
man diesem berechtigten Wunsche eines hochgebildeten Volksstammes von etwa
800 000 Köpfen bisher nicht entsprochen hat, ist nicht einzusehen. Besorgnisse
vor irredentistischen Bestrebungen können dabei doch im Ernste kaum maßgebend
sein, und so stark wie die Czernowitzer Universität (25,t> Studenten im letzten
Schuljahre) würde eine italienische Universität gewiß auch besucht werden. Ob
sich die Errichtung einer slowenischen Hochschule jetzt schon in Betracht ziehen
läßt, mag dahingestellt bleiben. Bei dein geringen Unterschiede zwischen dein
Slowenischen und dem Serbo-Kroatischen können slowenische Studenten sich
übrigens nach der nahegelegenen Agramer Universität wenden.

Daß eine so tiefgreifende Umgestaltung des österreichischen Unterrichts¬
wesens (von dem ungarischen habe ich absichtlich nicht gesprochen, obwohl die
Verhältnisse jenseits der Leitha noch schlimmer sind als diesseits, aber mit den
Herren Magyaren ist ja nicht zu reden!) jetzt, wo der Karren bereits arg
verfahren ist, eine sehr schwierige Sache sein wird, bedarf keiner Erwähnung.
Aber die Reform ist unerläßlich. Schon wirken an den nichtdeutschen Anstalten
Lehrkräfte genug, die des Deutschen nur noch teilweise mächtig sind. Dies
sollte, meine ich, zu denken geben. Entschließt man sich zur Umkehr — und
früher oder später wird mau sich uolous volens dazu entschließen müssen —,
dann empfiehlt sichs, schrittweise vorzugehen. Mögen die des Deutschen nicht
völlig mächtigen Lehrer in Gottes Namen ihre Fächer weiter in ihrer Ncitivnal-
sprache treiben, bis sie nach und nach durch Abgang oder Pensionirung aus¬
scheiden. Die andern, die gut Deutsch können — und das ist zur Zeit noch
die, große Mehrzahl —, müssen wieder zu der verpöntem Sprache greifen, und
jede neu eintretende Lehrkraft muß die vollkommene Kenntnis des Deutschen
nachweisen. Bei der fünften Klasse der Volksschule und der untersten der
Mittelschule und der ihr gleichgestellten Fachschulen u. s. w. fängt man mit der
deutschen Unterrichtssprache an und fährt dann von Klasse zu Klasse aufsteigend
fort. Ohne gewisse Härten wird es dabei nicht abgehen. Aber rslxubli«a.o
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Ich weiß sehr wohl, daß ich mit den hier ausgesprochenen Ansichten und
Vorschlägen heute noch den Prediger in der Wüste mache. Aber ich bin fest
überzeugt, daß mir ein Weg gleich dem von mir in flüchtigen Zügen gezeichneten,
bei dem ich uur das unabweisbare praktische Bedürfnis im Auge behalten habe,
zwar langsam aber sicher zum Ziele führen und zugleich dein heillosen nationalen
Hin- und Hergezerre, bei dem nie auch nur etwas halbwegs vernünftiges
herauskommt, mit der Zeit ein Ende macheu wird. Aber die Zeit drüugt
bereits stark zur Umkehr. Geht es so fort wie bisher, dann fürchte ich sehr,
daß wir uns zu Anfang des zwanzigsten Jahrhlluderts im Schatten des
babylonischen Turmes zur Ruhe setzen können.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/544>, abgerufen am 29.06.2024.