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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Der gegenwärtige Stand der deutschen Rolonialbewegung

das Eingangsthor bildet zu den westlichen und nördlichen Sudanlündern mit
ihrer zahlreichen, gewerbfleißigen und kaufkräftigen Bevölkerung, Nun hat es,
wie glaubhafte Nachrichten aus dem Innern soeben verkünden, ein gnädiges
Geschick so gefügt, daß or. Peters, der Führer der deutschen Emin-Pnscha-
Expedition, zur rechten Stunde in Uganda eingetroffen ist. Bestätigt sich die
erfreuliche Kunde, so würde der bisherigen Tragik der Petersschen Unternehmung,
der ohne Wissen des Helden das eigentliche Ziel fast in demselben Augenblick
entzogen ward, als er sie begann, ein Umschwung und Abschluß zu teil, der
ihn selbst und seine teilnehmenden Freunde versöhnen könnte: es wäre ihm
dann gelungen, wie dem vielgeprüften Lande im Herzen Afrikas und der christ¬
lichen Kultur, so auch seinem Vaterlande einen großen Dienst zu erweisen,
indem er von der bereiten Dankbarkeit des schwarzen Herrschers wichtige Vor¬
zugsrechte für Deutschland erbat und erhielt. Wenn uns übrigens Uganda
nicht ohnehin zugedacht sein sollte, so dürfte es sich dringend empfehlen, die
schwebenden Verhandlungen bis zu Peters baldiger Rückkehr auszusetzen. Aber
unser Wunsch sollte in der That kaum einer neuen Begründung bedürfen.
Man blicke auf die Karte und erinnre sich des bei kolonialen Grenzregn-
lirungen gebräuchlichen Grundsatzes, daß das Hinterland dem vorliegenden
Küstenstriche zugehört. Das Lund eröffnet als Durchgang zu dein innern
Afrika zu wichtige Aussichten, als daß wir unsre bessern Ansprüche den eng¬
lischen opfern dürften. schlimmstenfalls sollte eine Teilung zwischen beiden
Rivalen erfolgen, die kaum geographischen oder ethnographischen Schwierig¬
keiten begegnen, freilich immer nur eine unliebsame Abschlagszahlung sein würde.
Wir hoffen, daß der Bureaukratismns untergeordneter Beamten unsern Erwar¬
tungen nicht wieder so übel, wie bei den erwähnten frühern Anlässen, mitspielen
werde. Es sei gestattet, diesem besondern Wunsche noch eine allgemeinere Fassung
zu geben. Alle Politik wird von Personen gemacht, und unsre Kolonialpolitik
hängt nicht zum geringsten Teile ab von den Mitgliedern des in Entstehung
begriffenen Kolvnialamtes. Wir schließen mit dem Ausdruck der Hoffnung,
daß sich in dieser jungen Behörde zu dein bisher herrschenden vorsichtigen
Geiste ein frischer und mutiger geselle, gehegt von Männern, die im über¬
seeischen Dienste bewährt und vorgeschult siud, um die mannichfaltigen Fragen,
die dieser neue Aufgabenkreis unsrer Reichspolitik in Gegenwart und Zukunft
aufwirft, einer gedeihlichen Lösung entgegenzuführen. Deal da wir als Nation
noch lange zu leben hoffen und, wenn nicht alle Zeichen trügen, auch noch zu
leben haben, so gebührt es sich, allerlei Vorkehrungen für die Zukunft zu
treffen, und zu diesen gehört, nicht an letzter Stelle, auch die Sicherung und
der Ausbau unsrer Kolonien.




Grenzboten 11 1890
Der gegenwärtige Stand der deutschen Rolonialbewegung

das Eingangsthor bildet zu den westlichen und nördlichen Sudanlündern mit
ihrer zahlreichen, gewerbfleißigen und kaufkräftigen Bevölkerung, Nun hat es,
wie glaubhafte Nachrichten aus dem Innern soeben verkünden, ein gnädiges
Geschick so gefügt, daß or. Peters, der Führer der deutschen Emin-Pnscha-
Expedition, zur rechten Stunde in Uganda eingetroffen ist. Bestätigt sich die
erfreuliche Kunde, so würde der bisherigen Tragik der Petersschen Unternehmung,
der ohne Wissen des Helden das eigentliche Ziel fast in demselben Augenblick
entzogen ward, als er sie begann, ein Umschwung und Abschluß zu teil, der
ihn selbst und seine teilnehmenden Freunde versöhnen könnte: es wäre ihm
dann gelungen, wie dem vielgeprüften Lande im Herzen Afrikas und der christ¬
lichen Kultur, so auch seinem Vaterlande einen großen Dienst zu erweisen,
indem er von der bereiten Dankbarkeit des schwarzen Herrschers wichtige Vor¬
zugsrechte für Deutschland erbat und erhielt. Wenn uns übrigens Uganda
nicht ohnehin zugedacht sein sollte, so dürfte es sich dringend empfehlen, die
schwebenden Verhandlungen bis zu Peters baldiger Rückkehr auszusetzen. Aber
unser Wunsch sollte in der That kaum einer neuen Begründung bedürfen.
Man blicke auf die Karte und erinnre sich des bei kolonialen Grenzregn-
lirungen gebräuchlichen Grundsatzes, daß das Hinterland dem vorliegenden
Küstenstriche zugehört. Das Lund eröffnet als Durchgang zu dein innern
Afrika zu wichtige Aussichten, als daß wir unsre bessern Ansprüche den eng¬
lischen opfern dürften. schlimmstenfalls sollte eine Teilung zwischen beiden
Rivalen erfolgen, die kaum geographischen oder ethnographischen Schwierig¬
keiten begegnen, freilich immer nur eine unliebsame Abschlagszahlung sein würde.
Wir hoffen, daß der Bureaukratismns untergeordneter Beamten unsern Erwar¬
tungen nicht wieder so übel, wie bei den erwähnten frühern Anlässen, mitspielen
werde. Es sei gestattet, diesem besondern Wunsche noch eine allgemeinere Fassung
zu geben. Alle Politik wird von Personen gemacht, und unsre Kolonialpolitik
hängt nicht zum geringsten Teile ab von den Mitgliedern des in Entstehung
begriffenen Kolvnialamtes. Wir schließen mit dem Ausdruck der Hoffnung,
daß sich in dieser jungen Behörde zu dein bisher herrschenden vorsichtigen
Geiste ein frischer und mutiger geselle, gehegt von Männern, die im über¬
seeischen Dienste bewährt und vorgeschult siud, um die mannichfaltigen Fragen,
die dieser neue Aufgabenkreis unsrer Reichspolitik in Gegenwart und Zukunft
aufwirft, einer gedeihlichen Lösung entgegenzuführen. Deal da wir als Nation
noch lange zu leben hoffen und, wenn nicht alle Zeichen trügen, auch noch zu
leben haben, so gebührt es sich, allerlei Vorkehrungen für die Zukunft zu
treffen, und zu diesen gehört, nicht an letzter Stelle, auch die Sicherung und
der Ausbau unsrer Kolonien.




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[0529] Der gegenwärtige Stand der deutschen Rolonialbewegung das Eingangsthor bildet zu den westlichen und nördlichen Sudanlündern mit ihrer zahlreichen, gewerbfleißigen und kaufkräftigen Bevölkerung, Nun hat es, wie glaubhafte Nachrichten aus dem Innern soeben verkünden, ein gnädiges Geschick so gefügt, daß or. Peters, der Führer der deutschen Emin-Pnscha- Expedition, zur rechten Stunde in Uganda eingetroffen ist. Bestätigt sich die erfreuliche Kunde, so würde der bisherigen Tragik der Petersschen Unternehmung, der ohne Wissen des Helden das eigentliche Ziel fast in demselben Augenblick entzogen ward, als er sie begann, ein Umschwung und Abschluß zu teil, der ihn selbst und seine teilnehmenden Freunde versöhnen könnte: es wäre ihm dann gelungen, wie dem vielgeprüften Lande im Herzen Afrikas und der christ¬ lichen Kultur, so auch seinem Vaterlande einen großen Dienst zu erweisen, indem er von der bereiten Dankbarkeit des schwarzen Herrschers wichtige Vor¬ zugsrechte für Deutschland erbat und erhielt. Wenn uns übrigens Uganda nicht ohnehin zugedacht sein sollte, so dürfte es sich dringend empfehlen, die schwebenden Verhandlungen bis zu Peters baldiger Rückkehr auszusetzen. Aber unser Wunsch sollte in der That kaum einer neuen Begründung bedürfen. Man blicke auf die Karte und erinnre sich des bei kolonialen Grenzregn- lirungen gebräuchlichen Grundsatzes, daß das Hinterland dem vorliegenden Küstenstriche zugehört. Das Lund eröffnet als Durchgang zu dein innern Afrika zu wichtige Aussichten, als daß wir unsre bessern Ansprüche den eng¬ lischen opfern dürften. schlimmstenfalls sollte eine Teilung zwischen beiden Rivalen erfolgen, die kaum geographischen oder ethnographischen Schwierig¬ keiten begegnen, freilich immer nur eine unliebsame Abschlagszahlung sein würde. Wir hoffen, daß der Bureaukratismns untergeordneter Beamten unsern Erwar¬ tungen nicht wieder so übel, wie bei den erwähnten frühern Anlässen, mitspielen werde. Es sei gestattet, diesem besondern Wunsche noch eine allgemeinere Fassung zu geben. Alle Politik wird von Personen gemacht, und unsre Kolonialpolitik hängt nicht zum geringsten Teile ab von den Mitgliedern des in Entstehung begriffenen Kolvnialamtes. Wir schließen mit dem Ausdruck der Hoffnung, daß sich in dieser jungen Behörde zu dein bisher herrschenden vorsichtigen Geiste ein frischer und mutiger geselle, gehegt von Männern, die im über¬ seeischen Dienste bewährt und vorgeschult siud, um die mannichfaltigen Fragen, die dieser neue Aufgabenkreis unsrer Reichspolitik in Gegenwart und Zukunft aufwirft, einer gedeihlichen Lösung entgegenzuführen. Deal da wir als Nation noch lange zu leben hoffen und, wenn nicht alle Zeichen trügen, auch noch zu leben haben, so gebührt es sich, allerlei Vorkehrungen für die Zukunft zu treffen, und zu diesen gehört, nicht an letzter Stelle, auch die Sicherung und der Ausbau unsrer Kolonien. Grenzboten 11 1890

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/529>, abgerufen am 29.06.2024.