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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Die schwachen teilen von llriegsbnndnissen

Hofe nicht vertrage", und dieses Zerwürfnis durchschnitt den Lebensnerv des
Buudeskrieges.

So im zweiten Koalitionskriege; aber auch im ersten verdankte Frankreich
seine Rettung lediglich der Uneinigkeit der Verbündeten, nicht der eignen Kraft,
am wenigsten dein Zaubertranke der Freiheit, wie man wohl gefabelt hat.
Nein, die Revolution hatte auf die französischen Heere gerade die Wirkung
ausgeübt, die man vernünftigerweise erwarten konnte: jede Ordnung war
gelöst, jede Mannszucht vernichtet; das Recht der Empörung, das die Menschen¬
rechte dem Staatsbürger zugestanden, war auch auf deu Soldaten und sein
Verhältnis zum Offizier übertragen. Dazu waren die Festungen nicht versorgt,
die Heere schlecht bewaffnet, schlecht verpflegt, schlecht geführt; einem ent¬
schlossenen Angriffe war Frankreich im Jahre 1793 wehrlos preisgegeben.
Aber dieser entschlossene Angriff blieb ans, denn der Republik stand nicht ein
einzelner Gegner, sondern eine Koalition gegenüber. Österreich, Preußen, Eng¬
land, Holland beobachteten sich gegenseitig mit Argwohn und Mißgunst; jeder
wollte für sich soviel als möglich davontragen, den Verbündeten nicht zu
mächtig werden lassen. Der Kaiser hatte die Absicht, die Grenze seiner bel¬
gischen Lande nach Südwesten hinauszurücken und die Habsburgische Herrschaft
im Elsaß zu erneuern; England wollte Dünkirchen erobern; Holland wußte
noch nicht genau, was es wählen sollte, jedenfalls wollte es nicht leer ans¬
tehen. Dazu kam der vergiftende Hader zwischen Österreich und Preußen
>vegen der polnischen Frage. So wurden die Kräfte zersplittert, die Zeit ver¬
geudet, bis die Schreckensherrschaft des Wohlfahrtsausschusses Hunderttausende
durch Tvdesdrvhungen an die entblößte Grenze trieb und zuletzt der Mann
des Schicksals, Napoleon Bonaparte, die Führung deS italienischem Heeres
übernahm.

Ich übergehe den spanischen Erbfolgekrieg und die ärgerlichen Streitig¬
keiten der Österreicher und Engländer über das Maß der Aufwendungen, die
jede der beiden Mächte für den Krieg ans der phrenäischen Halbinsel machen
^ille; ich lasse auch den österreichischen Erbfolgekrieg beiseite, obwohl sich zeigen
^ße, wie viel zu deu großen Erfolgen der Franzosen in den Niederlanden der
Umstand beigetragen hat, daß die verbündeten Engländer, Holländer und
Österreicher sich über die Wahl eines Oberfeldherrn nicht einigen konnten.

Aber der siebenjährige Krieg darf nicht unbesprvchen bleiben, denu er zeigt
^nz besonders deutlich die verhängnisvollen Eigentümlichkeiten des Kocilitions-
^eges. Hätte man nicht erwarten sollen, daß dem gemeinsamen Ansturme
^' europäische,, Mächte das kleine Preußen rettungslos erliegen würde, denn
''"de nur Schweden und Sachsen, nicht nur Rußland und das heilige römische
.^us hatte die Kaiserin Maria Theresia gegen ihren Todfeind Friedrich ins
geführt, sondern die beiden Mächte, deren feindlicher Gegensatz die letzten
^hrhuuderte hindurch der europäischen Geschichte ihr Gepräge verliehen hatte,


Die schwachen teilen von llriegsbnndnissen

Hofe nicht vertrage», und dieses Zerwürfnis durchschnitt den Lebensnerv des
Buudeskrieges.

So im zweiten Koalitionskriege; aber auch im ersten verdankte Frankreich
seine Rettung lediglich der Uneinigkeit der Verbündeten, nicht der eignen Kraft,
am wenigsten dein Zaubertranke der Freiheit, wie man wohl gefabelt hat.
Nein, die Revolution hatte auf die französischen Heere gerade die Wirkung
ausgeübt, die man vernünftigerweise erwarten konnte: jede Ordnung war
gelöst, jede Mannszucht vernichtet; das Recht der Empörung, das die Menschen¬
rechte dem Staatsbürger zugestanden, war auch auf deu Soldaten und sein
Verhältnis zum Offizier übertragen. Dazu waren die Festungen nicht versorgt,
die Heere schlecht bewaffnet, schlecht verpflegt, schlecht geführt; einem ent¬
schlossenen Angriffe war Frankreich im Jahre 1793 wehrlos preisgegeben.
Aber dieser entschlossene Angriff blieb ans, denn der Republik stand nicht ein
einzelner Gegner, sondern eine Koalition gegenüber. Österreich, Preußen, Eng¬
land, Holland beobachteten sich gegenseitig mit Argwohn und Mißgunst; jeder
wollte für sich soviel als möglich davontragen, den Verbündeten nicht zu
mächtig werden lassen. Der Kaiser hatte die Absicht, die Grenze seiner bel¬
gischen Lande nach Südwesten hinauszurücken und die Habsburgische Herrschaft
im Elsaß zu erneuern; England wollte Dünkirchen erobern; Holland wußte
noch nicht genau, was es wählen sollte, jedenfalls wollte es nicht leer ans¬
tehen. Dazu kam der vergiftende Hader zwischen Österreich und Preußen
>vegen der polnischen Frage. So wurden die Kräfte zersplittert, die Zeit ver¬
geudet, bis die Schreckensherrschaft des Wohlfahrtsausschusses Hunderttausende
durch Tvdesdrvhungen an die entblößte Grenze trieb und zuletzt der Mann
des Schicksals, Napoleon Bonaparte, die Führung deS italienischem Heeres
übernahm.

Ich übergehe den spanischen Erbfolgekrieg und die ärgerlichen Streitig¬
keiten der Österreicher und Engländer über das Maß der Aufwendungen, die
jede der beiden Mächte für den Krieg ans der phrenäischen Halbinsel machen
^ille; ich lasse auch den österreichischen Erbfolgekrieg beiseite, obwohl sich zeigen
^ße, wie viel zu deu großen Erfolgen der Franzosen in den Niederlanden der
Umstand beigetragen hat, daß die verbündeten Engländer, Holländer und
Österreicher sich über die Wahl eines Oberfeldherrn nicht einigen konnten.

Aber der siebenjährige Krieg darf nicht unbesprvchen bleiben, denu er zeigt
^nz besonders deutlich die verhängnisvollen Eigentümlichkeiten des Kocilitions-
^eges. Hätte man nicht erwarten sollen, daß dem gemeinsamen Ansturme
^' europäische,, Mächte das kleine Preußen rettungslos erliegen würde, denn
''"de nur Schweden und Sachsen, nicht nur Rußland und das heilige römische
.^us hatte die Kaiserin Maria Theresia gegen ihren Todfeind Friedrich ins
geführt, sondern die beiden Mächte, deren feindlicher Gegensatz die letzten
^hrhuuderte hindurch der europäischen Geschichte ihr Gepräge verliehen hatte,


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[0039] Die schwachen teilen von llriegsbnndnissen Hofe nicht vertrage», und dieses Zerwürfnis durchschnitt den Lebensnerv des Buudeskrieges. So im zweiten Koalitionskriege; aber auch im ersten verdankte Frankreich seine Rettung lediglich der Uneinigkeit der Verbündeten, nicht der eignen Kraft, am wenigsten dein Zaubertranke der Freiheit, wie man wohl gefabelt hat. Nein, die Revolution hatte auf die französischen Heere gerade die Wirkung ausgeübt, die man vernünftigerweise erwarten konnte: jede Ordnung war gelöst, jede Mannszucht vernichtet; das Recht der Empörung, das die Menschen¬ rechte dem Staatsbürger zugestanden, war auch auf deu Soldaten und sein Verhältnis zum Offizier übertragen. Dazu waren die Festungen nicht versorgt, die Heere schlecht bewaffnet, schlecht verpflegt, schlecht geführt; einem ent¬ schlossenen Angriffe war Frankreich im Jahre 1793 wehrlos preisgegeben. Aber dieser entschlossene Angriff blieb ans, denn der Republik stand nicht ein einzelner Gegner, sondern eine Koalition gegenüber. Österreich, Preußen, Eng¬ land, Holland beobachteten sich gegenseitig mit Argwohn und Mißgunst; jeder wollte für sich soviel als möglich davontragen, den Verbündeten nicht zu mächtig werden lassen. Der Kaiser hatte die Absicht, die Grenze seiner bel¬ gischen Lande nach Südwesten hinauszurücken und die Habsburgische Herrschaft im Elsaß zu erneuern; England wollte Dünkirchen erobern; Holland wußte noch nicht genau, was es wählen sollte, jedenfalls wollte es nicht leer ans¬ tehen. Dazu kam der vergiftende Hader zwischen Österreich und Preußen >vegen der polnischen Frage. So wurden die Kräfte zersplittert, die Zeit ver¬ geudet, bis die Schreckensherrschaft des Wohlfahrtsausschusses Hunderttausende durch Tvdesdrvhungen an die entblößte Grenze trieb und zuletzt der Mann des Schicksals, Napoleon Bonaparte, die Führung deS italienischem Heeres übernahm. Ich übergehe den spanischen Erbfolgekrieg und die ärgerlichen Streitig¬ keiten der Österreicher und Engländer über das Maß der Aufwendungen, die jede der beiden Mächte für den Krieg ans der phrenäischen Halbinsel machen ^ille; ich lasse auch den österreichischen Erbfolgekrieg beiseite, obwohl sich zeigen ^ße, wie viel zu deu großen Erfolgen der Franzosen in den Niederlanden der Umstand beigetragen hat, daß die verbündeten Engländer, Holländer und Österreicher sich über die Wahl eines Oberfeldherrn nicht einigen konnten. Aber der siebenjährige Krieg darf nicht unbesprvchen bleiben, denu er zeigt ^nz besonders deutlich die verhängnisvollen Eigentümlichkeiten des Kocilitions- ^eges. Hätte man nicht erwarten sollen, daß dem gemeinsamen Ansturme ^' europäische,, Mächte das kleine Preußen rettungslos erliegen würde, denn ''"de nur Schweden und Sachsen, nicht nur Rußland und das heilige römische .^us hatte die Kaiserin Maria Theresia gegen ihren Todfeind Friedrich ins geführt, sondern die beiden Mächte, deren feindlicher Gegensatz die letzten ^hrhuuderte hindurch der europäischen Geschichte ihr Gepräge verliehen hatte,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/39>, abgerufen am 24.08.2024.