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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Die schwachen Zeiten von Kriegsbündnissen

allem Drängen und Mahnen nicht zu bewegen; er ließ dem Feinde Zeit, neue
Kräfte zu sammeln, und eine zweite Schlacht, bei Dennewitz, war nötig, um
nachzuholen, was durch des Feldherrn Schuld versäumt worden war. Auch
hier wieder thaten die Preußen alles, die Schweden so gut wie nichts.
Bernadotte selbst griff überhaupt nicht in den Kampf ein, sondern blieb in
nächster Nähe unthätig stehen; und wenn der preußische General Borstell eben
noch rechtzeitig auf dem Schlachtfeld erschien, um die drohende Niederlage in
einen glänzenden Sieg verwandeln zu helfen, so geschah dies in offenem Un¬
gehorsam gegen Bernadvttes ausdrückliche Weisung.

Auch jetzt, nach diesen widerwillig erfochtenen Siegen, blieb der Führer
der Nordarmee seiner bisherigen Haltung getreu. Zwingen mußte ihn Blücher
zum Übergang über die Elbe, zwingen mußte ihn der englische Gesandte zur
Teilnahme an der Schlacht bei Leipzig. Und als er nicht mehr ausweichen
konnte, da zögerte er wenigstens solange, daß er ein paar Stunden später, als
verabredet war, auf dem Kampfplatz eintraf. Dafür hatte er die Genug¬
thuung, daß neben 16000 Preußen nnr 100 Schweden unter den Toten ge¬
zählt wurden.

In diesen Fällen war es der böse Wille eines Verbündeten, der den
andern hemmte und betrog. Aber auch ohne das hat oft genug schon die
Schlaffheit, der Kleinmut, der Eigenwille des einen genügt, zu vereiteln, was
dem Feuereifer des andern erreichbar schien.

Welchen Kampf hatte Blücher als Führer des schlesischen Heeres mit den
Leitern der Hauptarmee auszufechten, bis es endlich zum gemeinsamen Angriff
bei Leipzig kam! Wie unverantwortlich wurden die Erfolge der Leipziger Schlacht
verkümmert, weil Blüchers und Kaiser Alexanders Vorschlag, sofort mit allein
Nachdruck die Verfolgung aufzunehmen, von den Österreichern verworfen wurde!
Und wie ging es nach der Schlacht bei La Nothiere im Februar 1814? Die
Verbündeten hatten zwei Heere gebildet, das eine sollte Blücher, das andre
weiter südlich Schwarzenberg auf Paris losfuhren. Im Vertrauen darauf,
daß seiue linke Flanke von Schwarzenberg gedeckt sei, drang Blücher unauf¬
haltsam vorwärts. Aber Schwarzenberg hielt zurück; in sechs Tagen machte
er sechs Meilen und gönnte dann seinein Heere zum Lohne für diese Kraft¬
leistung eine dreitägige Rast. So wurde Blüchers linke Flanke entblößt,
Napoleon fiel unversehens über ihn her und brachte seineu vereinzelten Heeres¬
teilen in fünf Tagen fünf empfindliche Niederlagen bei.

Versetzen wir uns aus den Winterstürmen der Champagne in die glühenden
Ebenen der Lombardei; erinnern wir uns, wie im Jahre 1799 der greise Held
Suwaroff in beispiellosem Siegeslaufe die Franzosen zu Paaren trieb. Schon
war die zisalpinische Republik, Bvncipartes Gründung, zusammengestürzt;
zitternd erwartete Frankreich selbst den anstürmenden Feind. Da hält dieser
plötzlich inne. Warum? Der Russe Suwaroff konnte sich mit dem Wiener


Die schwachen Zeiten von Kriegsbündnissen

allem Drängen und Mahnen nicht zu bewegen; er ließ dem Feinde Zeit, neue
Kräfte zu sammeln, und eine zweite Schlacht, bei Dennewitz, war nötig, um
nachzuholen, was durch des Feldherrn Schuld versäumt worden war. Auch
hier wieder thaten die Preußen alles, die Schweden so gut wie nichts.
Bernadotte selbst griff überhaupt nicht in den Kampf ein, sondern blieb in
nächster Nähe unthätig stehen; und wenn der preußische General Borstell eben
noch rechtzeitig auf dem Schlachtfeld erschien, um die drohende Niederlage in
einen glänzenden Sieg verwandeln zu helfen, so geschah dies in offenem Un¬
gehorsam gegen Bernadvttes ausdrückliche Weisung.

Auch jetzt, nach diesen widerwillig erfochtenen Siegen, blieb der Führer
der Nordarmee seiner bisherigen Haltung getreu. Zwingen mußte ihn Blücher
zum Übergang über die Elbe, zwingen mußte ihn der englische Gesandte zur
Teilnahme an der Schlacht bei Leipzig. Und als er nicht mehr ausweichen
konnte, da zögerte er wenigstens solange, daß er ein paar Stunden später, als
verabredet war, auf dem Kampfplatz eintraf. Dafür hatte er die Genug¬
thuung, daß neben 16000 Preußen nnr 100 Schweden unter den Toten ge¬
zählt wurden.

In diesen Fällen war es der böse Wille eines Verbündeten, der den
andern hemmte und betrog. Aber auch ohne das hat oft genug schon die
Schlaffheit, der Kleinmut, der Eigenwille des einen genügt, zu vereiteln, was
dem Feuereifer des andern erreichbar schien.

Welchen Kampf hatte Blücher als Führer des schlesischen Heeres mit den
Leitern der Hauptarmee auszufechten, bis es endlich zum gemeinsamen Angriff
bei Leipzig kam! Wie unverantwortlich wurden die Erfolge der Leipziger Schlacht
verkümmert, weil Blüchers und Kaiser Alexanders Vorschlag, sofort mit allein
Nachdruck die Verfolgung aufzunehmen, von den Österreichern verworfen wurde!
Und wie ging es nach der Schlacht bei La Nothiere im Februar 1814? Die
Verbündeten hatten zwei Heere gebildet, das eine sollte Blücher, das andre
weiter südlich Schwarzenberg auf Paris losfuhren. Im Vertrauen darauf,
daß seiue linke Flanke von Schwarzenberg gedeckt sei, drang Blücher unauf¬
haltsam vorwärts. Aber Schwarzenberg hielt zurück; in sechs Tagen machte
er sechs Meilen und gönnte dann seinein Heere zum Lohne für diese Kraft¬
leistung eine dreitägige Rast. So wurde Blüchers linke Flanke entblößt,
Napoleon fiel unversehens über ihn her und brachte seineu vereinzelten Heeres¬
teilen in fünf Tagen fünf empfindliche Niederlagen bei.

Versetzen wir uns aus den Winterstürmen der Champagne in die glühenden
Ebenen der Lombardei; erinnern wir uns, wie im Jahre 1799 der greise Held
Suwaroff in beispiellosem Siegeslaufe die Franzosen zu Paaren trieb. Schon
war die zisalpinische Republik, Bvncipartes Gründung, zusammengestürzt;
zitternd erwartete Frankreich selbst den anstürmenden Feind. Da hält dieser
plötzlich inne. Warum? Der Russe Suwaroff konnte sich mit dem Wiener


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/38>, abgerufen am 27.12.2024.