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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Wirkt hatte, daß ihr ans der königlichen Schatulle 12000 Thaler zur Begrün¬
dung einer Assoziativ" verabreicht wurden. Er hatte dabei die Absicht, "durch
einen Versuch zu konstatiren, ob und mit welchem Erfolge es möglich sei, die
Weber ans dem Wege einer von ihnen gebildeten Assoziation zu einer Ver¬
besserung ihrer Lage hinzuführen." Er ging davon aus, daß man gerade auf
volkswirtschaftlichen Gebiete nicht anders vorwärts kommen könne, als durch
solche Versuche. Ju diesem Sinne machte er auch seine siebenundfünfzig eng
beschriebene Seite" füllenden Bemerkungen und Erinnerungen zu einem ihm
z"r Mitunterzcichnnng unterbreitete" Jmmediatbericht des Staatsministeriums
um den König über die Lage der schlesischen Weberbevölkcrnng. In diesem
Bericht hatte sich auch die Redewendung gefunden: gewisse Vorschläge zur
Verbesserung der Lage der Weber widersprächen den ersten Grundsätzen der
Volkswirtschaftslehre. Hierzu bemerkt Vismarck: "Zunächst scheint es mir der
Stellung des Staatsministeriums überhaupt uicht entsprechend, daß dasselbe
seine Entschließungen auf die abstrakten Doktrinen einer volkswirtschaftliche"
Theorie gründet. Die Aufgaben des Staatsministeriums liege" meines Tr¬
achtens nicht ans den: Gebiete der Theorie, so"der" ans dein des praktische"?
Lebens. Es können daher für die Entscheidung desselben meiner Ansicht nach
die Theorien der Volkswirtschaft nur insofern zur Anwendung gelangen, als
sie auf das Maß und die Bedingungen der vorhandenen Zustände zurück¬
geführt siud." Ähnlich sprach sich der Ministerpräsident im Abgeordnetenhause
am 15. Februar 1865 aus, als der Abgeordnete Reichenheim ihn deshalb an¬
griff, daß er die Weberdeputation beim König eingeführt habe. "Ich frage,
mit welchem Rechte hätte ich diese" Leute" de" Weg zum Throne versperren
sollen? Es scheint fast, als ob die Krone einer Rechtfertigung bedürfe, wenn
sie der Stimme des Armen ihr Ohr leiht. Die Könige von Preuße" sind
niemals Könige der Reichen vorzugsweise gewesen. Ich sollte glauben, daß
es Dank verdient, wen" ein mächtiger Monarch mit einigen Opfern, angesichts
einer großen und schweren Zeitfrage, es versucht, sich durch eigne Erfahrung
darüber zu belehren, welches die Bedingungen des Gedeihens einer Prodnktiv-
"ssoziativn sind, und an welchen Klippen dieselbe bei uns miaute am leichtesten
zu scheitern Gefahr läuft. In diesem Sinne hat Se. Majestät der König in
wahrhaft königlicher "ut großherziger Weise seine Wohlthat den Webern in
Waldenburg und in ander" Bezirken zugewendet. Sein Ratgeber war ich, und
ich glaube, keinen schlechten Rat gegeben z" haben."

Also als einen Versuch auf einem Gebiete, wo es, wenn irgendwo, sich
Mühe lohnte, Versuche zu machen, betrachtete Bismarck dieses Einsetzen
des staatlichen Kredits, zur Begründung von Produktivgenosse"Schafte". Immer
wieder kommt er in den Erinnerungen der Denkschrift darauf zurück, daß er
volkswirtschaftlich Handgreifliches, nicht Theorien brauche. Zwar glaubt er
'naht, daß der Staat selbst Unternehmungen gründen könne, aber, "ob er solche


Wirkt hatte, daß ihr ans der königlichen Schatulle 12000 Thaler zur Begrün¬
dung einer Assoziativ« verabreicht wurden. Er hatte dabei die Absicht, „durch
einen Versuch zu konstatiren, ob und mit welchem Erfolge es möglich sei, die
Weber ans dem Wege einer von ihnen gebildeten Assoziation zu einer Ver¬
besserung ihrer Lage hinzuführen." Er ging davon aus, daß man gerade auf
volkswirtschaftlichen Gebiete nicht anders vorwärts kommen könne, als durch
solche Versuche. Ju diesem Sinne machte er auch seine siebenundfünfzig eng
beschriebene Seite« füllenden Bemerkungen und Erinnerungen zu einem ihm
z«r Mitunterzcichnnng unterbreitete« Jmmediatbericht des Staatsministeriums
um den König über die Lage der schlesischen Weberbevölkcrnng. In diesem
Bericht hatte sich auch die Redewendung gefunden: gewisse Vorschläge zur
Verbesserung der Lage der Weber widersprächen den ersten Grundsätzen der
Volkswirtschaftslehre. Hierzu bemerkt Vismarck: „Zunächst scheint es mir der
Stellung des Staatsministeriums überhaupt uicht entsprechend, daß dasselbe
seine Entschließungen auf die abstrakten Doktrinen einer volkswirtschaftliche«
Theorie gründet. Die Aufgaben des Staatsministeriums liege« meines Tr¬
achtens nicht ans den: Gebiete der Theorie, so«der« ans dein des praktische«?
Lebens. Es können daher für die Entscheidung desselben meiner Ansicht nach
die Theorien der Volkswirtschaft nur insofern zur Anwendung gelangen, als
sie auf das Maß und die Bedingungen der vorhandenen Zustände zurück¬
geführt siud." Ähnlich sprach sich der Ministerpräsident im Abgeordnetenhause
am 15. Februar 1865 aus, als der Abgeordnete Reichenheim ihn deshalb an¬
griff, daß er die Weberdeputation beim König eingeführt habe. „Ich frage,
mit welchem Rechte hätte ich diese« Leute« de« Weg zum Throne versperren
sollen? Es scheint fast, als ob die Krone einer Rechtfertigung bedürfe, wenn
sie der Stimme des Armen ihr Ohr leiht. Die Könige von Preuße« sind
niemals Könige der Reichen vorzugsweise gewesen. Ich sollte glauben, daß
es Dank verdient, wen« ein mächtiger Monarch mit einigen Opfern, angesichts
einer großen und schweren Zeitfrage, es versucht, sich durch eigne Erfahrung
darüber zu belehren, welches die Bedingungen des Gedeihens einer Prodnktiv-
"ssoziativn sind, und an welchen Klippen dieselbe bei uns miaute am leichtesten
zu scheitern Gefahr läuft. In diesem Sinne hat Se. Majestät der König in
wahrhaft königlicher «ut großherziger Weise seine Wohlthat den Webern in
Waldenburg und in ander« Bezirken zugewendet. Sein Ratgeber war ich, und
ich glaube, keinen schlechten Rat gegeben z« haben."

Also als einen Versuch auf einem Gebiete, wo es, wenn irgendwo, sich
Mühe lohnte, Versuche zu machen, betrachtete Bismarck dieses Einsetzen
des staatlichen Kredits, zur Begründung von Produktivgenosse«Schafte«. Immer
wieder kommt er in den Erinnerungen der Denkschrift darauf zurück, daß er
volkswirtschaftlich Handgreifliches, nicht Theorien brauche. Zwar glaubt er
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[0349] Wirkt hatte, daß ihr ans der königlichen Schatulle 12000 Thaler zur Begrün¬ dung einer Assoziativ« verabreicht wurden. Er hatte dabei die Absicht, „durch einen Versuch zu konstatiren, ob und mit welchem Erfolge es möglich sei, die Weber ans dem Wege einer von ihnen gebildeten Assoziation zu einer Ver¬ besserung ihrer Lage hinzuführen." Er ging davon aus, daß man gerade auf volkswirtschaftlichen Gebiete nicht anders vorwärts kommen könne, als durch solche Versuche. Ju diesem Sinne machte er auch seine siebenundfünfzig eng beschriebene Seite« füllenden Bemerkungen und Erinnerungen zu einem ihm z«r Mitunterzcichnnng unterbreitete« Jmmediatbericht des Staatsministeriums um den König über die Lage der schlesischen Weberbevölkcrnng. In diesem Bericht hatte sich auch die Redewendung gefunden: gewisse Vorschläge zur Verbesserung der Lage der Weber widersprächen den ersten Grundsätzen der Volkswirtschaftslehre. Hierzu bemerkt Vismarck: „Zunächst scheint es mir der Stellung des Staatsministeriums überhaupt uicht entsprechend, daß dasselbe seine Entschließungen auf die abstrakten Doktrinen einer volkswirtschaftliche« Theorie gründet. Die Aufgaben des Staatsministeriums liege« meines Tr¬ achtens nicht ans den: Gebiete der Theorie, so«der« ans dein des praktische«? Lebens. Es können daher für die Entscheidung desselben meiner Ansicht nach die Theorien der Volkswirtschaft nur insofern zur Anwendung gelangen, als sie auf das Maß und die Bedingungen der vorhandenen Zustände zurück¬ geführt siud." Ähnlich sprach sich der Ministerpräsident im Abgeordnetenhause am 15. Februar 1865 aus, als der Abgeordnete Reichenheim ihn deshalb an¬ griff, daß er die Weberdeputation beim König eingeführt habe. „Ich frage, mit welchem Rechte hätte ich diese« Leute« de« Weg zum Throne versperren sollen? Es scheint fast, als ob die Krone einer Rechtfertigung bedürfe, wenn sie der Stimme des Armen ihr Ohr leiht. Die Könige von Preuße« sind niemals Könige der Reichen vorzugsweise gewesen. Ich sollte glauben, daß es Dank verdient, wen« ein mächtiger Monarch mit einigen Opfern, angesichts einer großen und schweren Zeitfrage, es versucht, sich durch eigne Erfahrung darüber zu belehren, welches die Bedingungen des Gedeihens einer Prodnktiv- "ssoziativn sind, und an welchen Klippen dieselbe bei uns miaute am leichtesten zu scheitern Gefahr läuft. In diesem Sinne hat Se. Majestät der König in wahrhaft königlicher «ut großherziger Weise seine Wohlthat den Webern in Waldenburg und in ander« Bezirken zugewendet. Sein Ratgeber war ich, und ich glaube, keinen schlechten Rat gegeben z« haben." Also als einen Versuch auf einem Gebiete, wo es, wenn irgendwo, sich Mühe lohnte, Versuche zu machen, betrachtete Bismarck dieses Einsetzen des staatlichen Kredits, zur Begründung von Produktivgenosse«Schafte«. Immer wieder kommt er in den Erinnerungen der Denkschrift darauf zurück, daß er volkswirtschaftlich Handgreifliches, nicht Theorien brauche. Zwar glaubt er 'naht, daß der Staat selbst Unternehmungen gründen könne, aber, „ob er solche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/349>, abgerufen am 22.07.2024.