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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Die Lhre

störend in den Frieden eines Hauses einzudringen, soll auch den Kampf nicht
scheuen mit denen, die dieses Hauses berufene Hüter find. In diesem Zu¬
sammenhange Hütte das Anerbieten einer Abfindungssumme eine viel tiefer
^gründete Entrüstung erzeugt, und die Handlung hätte ein ganz andres Ende
gefunden, als es der Luftspieleffekt ist, mit dem das Stück in Wirklichkeit
abschließt.

Kurz, der Sieg des durch den Grafen Trask vertretenen Gedanken beruht
"ur auf dem dramatischen Erfolg des Stückes; es ist ein Scheinerfolg, und
dieser Schein ist gefährlich. Wohin sollte es führen, wenn er die Meinung
unsers Volkes nachhaltig beeinflußte? Solange wir eine sittliche Gemeinschaft
bilden, werden auch die Lebenslagen nicht ausbleiben, wo der Mann vom
Manne ein unerschütterliches Vertrairen fordern, wo er mit seinem Worte seine
volle Persönlichkeit einsetzen muß. Darin besteht seine Ehre, daß er sich der
Würdigkeit dieses Vertrauens bewußt ist, darin die Ehre, die er andern gegen¬
über vertritt und zu vertreten die Pflicht hat, daß sie diese Würdigkeit aner¬
kennen. Wer sie ihm abspricht, greift in die heiligsten Rechte seiner Persönlich¬
keit ein; wer aber selber jenes Vertrauen gebrochen hat, der hat sich anch dieser
Rechte begeben. Der Leichtsinn, der mit diesem höchsten Gut ein frevelhaftes
Spiel treibt, wird durch das Beispiel des Grasen Trask nur noch gestärkt:
kann man sich doch später immer noch wieder "rehabilitiren"! Und welche
Verwirrung mag in den Köpfen der Besucher der obersten Zuschauerraume
angerichtet werden, wenn sie aus dein Munde desselben Trask, der durch seine
bestechende Kritik der höhern Stunde ihre Gunst erworben hat, hören müssen,
aß die Käuflichkeit der eignen Person, der gänzliche Mangel an Verständnis
sur Menschenwürde lind Selbstachtung dem Stande der Familie aus dem Hinter-
^ause völlig angemessen, ihre Denkweise ihnen so natürlich sei, wie ihre eigne
Haut? Mancher da oben auf den Galerien mag denn doch anders von sich
eilten, und hoffen wir, daß er eher an dem Grafen Trask, als an sich selber
^e werde. Dieser Kasfeeköuig erinnert sehr bedenklich an jene Volksfreunde,
'e die Menge, der sie schmeicheln, im Grunde selber verachten. Und heißt
as die verschiednen Gesellschaftsklassen einander näher bringen, das Bewußt-
der Zusammengehörigkeit stärken, wenn man die Möglichkeit eines alle zu
^er sittlichen Gemeinschaft und zu gegenseitiger Achtung verbindenden sitt-
"hen Empfindens leugnet? Gerade die Ehre muß als solch ein sittliches Band
Alt Entschiedenheit in Anspruch genommen werden. Durch Pflicht ist
^ gar nicht zu ersetzen; denn sie ist ein Gefühl, Pflicht aber ist eine Ver-
^"^edlen. Pflichtgefühl ist das Bewußtsein dieser Verbindlichkeit, aber es
^ ^ nnnmer hinreichen, alle die Triebe eines bald rohern, bald verfeinerten
^"^""us zu besiegen, wenn es sich nicht stützt auf das erhebende Gefühl
u>w Würde. Diese ist unabhängig von Rang und Stand, von Reichtum
^ Macht; sie ist dem Menschen eigen, insofern er Mitglied eines sittlichen


Die Lhre

störend in den Frieden eines Hauses einzudringen, soll auch den Kampf nicht
scheuen mit denen, die dieses Hauses berufene Hüter find. In diesem Zu¬
sammenhange Hütte das Anerbieten einer Abfindungssumme eine viel tiefer
^gründete Entrüstung erzeugt, und die Handlung hätte ein ganz andres Ende
gefunden, als es der Luftspieleffekt ist, mit dem das Stück in Wirklichkeit
abschließt.

Kurz, der Sieg des durch den Grafen Trask vertretenen Gedanken beruht
"ur auf dem dramatischen Erfolg des Stückes; es ist ein Scheinerfolg, und
dieser Schein ist gefährlich. Wohin sollte es führen, wenn er die Meinung
unsers Volkes nachhaltig beeinflußte? Solange wir eine sittliche Gemeinschaft
bilden, werden auch die Lebenslagen nicht ausbleiben, wo der Mann vom
Manne ein unerschütterliches Vertrairen fordern, wo er mit seinem Worte seine
volle Persönlichkeit einsetzen muß. Darin besteht seine Ehre, daß er sich der
Würdigkeit dieses Vertrauens bewußt ist, darin die Ehre, die er andern gegen¬
über vertritt und zu vertreten die Pflicht hat, daß sie diese Würdigkeit aner¬
kennen. Wer sie ihm abspricht, greift in die heiligsten Rechte seiner Persönlich¬
keit ein; wer aber selber jenes Vertrauen gebrochen hat, der hat sich anch dieser
Rechte begeben. Der Leichtsinn, der mit diesem höchsten Gut ein frevelhaftes
Spiel treibt, wird durch das Beispiel des Grasen Trask nur noch gestärkt:
kann man sich doch später immer noch wieder „rehabilitiren"! Und welche
Verwirrung mag in den Köpfen der Besucher der obersten Zuschauerraume
angerichtet werden, wenn sie aus dein Munde desselben Trask, der durch seine
bestechende Kritik der höhern Stunde ihre Gunst erworben hat, hören müssen,
aß die Käuflichkeit der eignen Person, der gänzliche Mangel an Verständnis
sur Menschenwürde lind Selbstachtung dem Stande der Familie aus dem Hinter-
^ause völlig angemessen, ihre Denkweise ihnen so natürlich sei, wie ihre eigne
Haut? Mancher da oben auf den Galerien mag denn doch anders von sich
eilten, und hoffen wir, daß er eher an dem Grafen Trask, als an sich selber
^e werde. Dieser Kasfeeköuig erinnert sehr bedenklich an jene Volksfreunde,
'e die Menge, der sie schmeicheln, im Grunde selber verachten. Und heißt
as die verschiednen Gesellschaftsklassen einander näher bringen, das Bewußt-
der Zusammengehörigkeit stärken, wenn man die Möglichkeit eines alle zu
^er sittlichen Gemeinschaft und zu gegenseitiger Achtung verbindenden sitt-
"hen Empfindens leugnet? Gerade die Ehre muß als solch ein sittliches Band
Alt Entschiedenheit in Anspruch genommen werden. Durch Pflicht ist
^ gar nicht zu ersetzen; denn sie ist ein Gefühl, Pflicht aber ist eine Ver-
^"^edlen. Pflichtgefühl ist das Bewußtsein dieser Verbindlichkeit, aber es
^ ^ nnnmer hinreichen, alle die Triebe eines bald rohern, bald verfeinerten
^"^""us zu besiegen, wenn es sich nicht stützt auf das erhebende Gefühl
u>w Würde. Diese ist unabhängig von Rang und Stand, von Reichtum
^ Macht; sie ist dem Menschen eigen, insofern er Mitglied eines sittlichen


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[0323] Die Lhre störend in den Frieden eines Hauses einzudringen, soll auch den Kampf nicht scheuen mit denen, die dieses Hauses berufene Hüter find. In diesem Zu¬ sammenhange Hütte das Anerbieten einer Abfindungssumme eine viel tiefer ^gründete Entrüstung erzeugt, und die Handlung hätte ein ganz andres Ende gefunden, als es der Luftspieleffekt ist, mit dem das Stück in Wirklichkeit abschließt. Kurz, der Sieg des durch den Grafen Trask vertretenen Gedanken beruht "ur auf dem dramatischen Erfolg des Stückes; es ist ein Scheinerfolg, und dieser Schein ist gefährlich. Wohin sollte es führen, wenn er die Meinung unsers Volkes nachhaltig beeinflußte? Solange wir eine sittliche Gemeinschaft bilden, werden auch die Lebenslagen nicht ausbleiben, wo der Mann vom Manne ein unerschütterliches Vertrairen fordern, wo er mit seinem Worte seine volle Persönlichkeit einsetzen muß. Darin besteht seine Ehre, daß er sich der Würdigkeit dieses Vertrauens bewußt ist, darin die Ehre, die er andern gegen¬ über vertritt und zu vertreten die Pflicht hat, daß sie diese Würdigkeit aner¬ kennen. Wer sie ihm abspricht, greift in die heiligsten Rechte seiner Persönlich¬ keit ein; wer aber selber jenes Vertrauen gebrochen hat, der hat sich anch dieser Rechte begeben. Der Leichtsinn, der mit diesem höchsten Gut ein frevelhaftes Spiel treibt, wird durch das Beispiel des Grasen Trask nur noch gestärkt: kann man sich doch später immer noch wieder „rehabilitiren"! Und welche Verwirrung mag in den Köpfen der Besucher der obersten Zuschauerraume angerichtet werden, wenn sie aus dein Munde desselben Trask, der durch seine bestechende Kritik der höhern Stunde ihre Gunst erworben hat, hören müssen, aß die Käuflichkeit der eignen Person, der gänzliche Mangel an Verständnis sur Menschenwürde lind Selbstachtung dem Stande der Familie aus dem Hinter- ^ause völlig angemessen, ihre Denkweise ihnen so natürlich sei, wie ihre eigne Haut? Mancher da oben auf den Galerien mag denn doch anders von sich eilten, und hoffen wir, daß er eher an dem Grafen Trask, als an sich selber ^e werde. Dieser Kasfeeköuig erinnert sehr bedenklich an jene Volksfreunde, 'e die Menge, der sie schmeicheln, im Grunde selber verachten. Und heißt as die verschiednen Gesellschaftsklassen einander näher bringen, das Bewußt- der Zusammengehörigkeit stärken, wenn man die Möglichkeit eines alle zu ^er sittlichen Gemeinschaft und zu gegenseitiger Achtung verbindenden sitt- "hen Empfindens leugnet? Gerade die Ehre muß als solch ein sittliches Band Alt Entschiedenheit in Anspruch genommen werden. Durch Pflicht ist ^ gar nicht zu ersetzen; denn sie ist ein Gefühl, Pflicht aber ist eine Ver- ^"^edlen. Pflichtgefühl ist das Bewußtsein dieser Verbindlichkeit, aber es ^ ^ nnnmer hinreichen, alle die Triebe eines bald rohern, bald verfeinerten ^"^""us zu besiegen, wenn es sich nicht stützt auf das erhebende Gefühl u>w Würde. Diese ist unabhängig von Rang und Stand, von Reichtum ^ Macht; sie ist dem Menschen eigen, insofern er Mitglied eines sittlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/323>, abgerufen am 21.06.2024.