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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Aus den Jugendjahren der Sozialdemokratie

mit denen die Meuterer sich befleckten. Man verkaufte den Truppen Brannt¬
wein, dein man Gift beigemischt hatte. Als die Aufständischen den Maubert-
Platz räumen mußten, wurden fünf gefangene Offiziere der Mobilgarde von
einem als Weib verkleideten Kerl mit einem Hackmesser geköpft. Im Stadt¬
viertel Se. Marceau fand man mehrere Leute der Mvbilgarde, die an deu
Handgelenken nnfgehängt und mit Bajonettstichen durchbohrt waren. Eine
der bei den Barrikaden verhafteten Megären gestand vergnügt, sie habe "drei
Lansebnben von der Mvbilgarde die Köpfe und die Geschlechtsteile abgeschnitten."
Auf einer der Hauptbarrikaden der Vorstadt Se. Antoine gewahrte man den
verstümmelten Leichnam eines Soldaten in Uniform, der auf einen Pfahl ge¬
spießt war, aus dessen aufgeschlitztem Bauche die Gedärme heraushingen. Auf
untern Barrikade" hatte man Köpfe mit Käppis wie Vogelscheuchen aufge¬
pflanzt. Ein scheußliches, dem Kanibalismns überbietendes Schauspiel war es,
"is eine Bande einen abgehacktem Kops, dem man Pech in den Mund gegossen,
einen Docht hineingeschoben und ihn angezündet hatte, unitanzte und dazu den
Gassenhauer Des wripious, Aos l^xions! sang. Im Clos Se. Lazare wurden
einem gefangenen Jnfanteristen beide Hände abgehauen, und der Unglückliche
verblutete laugsam auf dem Erdboden. Einem Dragoner sägte man die Füße
"b und feilte ihn dann wieder ans sein Pferd. Hinter der Barriere Nochechouart
stieß man auf eine Spritze voll Vitrivlöl, mit dem die Meuterer die angreifenden
Soldaten besprikt hatten, und dabei auf große Eiseuflaschcn mit Terpentinöl
'M Anzündung der öffentlichen Gebände. An der Mairie des achten Arron-
dissements, der Kaserne de l'Oursine, blieben noch lange die Spuren des Theer-
Estrichs, mit dem man sie in Brand zu stecken versucht hatte. In den Taschen
vieler Gefaugenen fand man Geschosse, die einen schmerzhaften Tod geben
wußten, auch wenn sie uur verwundeten: kupferne Röhrchen mit Pulver ge¬
stillt, die eine kleine Lunte in der Wunde platzen lassen sollte, Knpferstücke mit
Grünspan und Kugeln, die mit Messingdraht durchbohrt waren. Die alten
^'rger- und Religionskriege, selbst die Zeiten der Merowinger hatten keine
solche Verachtung aller Menschlichkeit ersonnen und ausgeübt. Nicht einmal
^ Krankenhäuser schonte der Geist des entsetzlichen Aufstandes. Das Spital
Se. Louis und das Hotel Dien waren mit Barrikaden verschanzt, und in diesen
schrecklichen Zwingern standen die Kranken während des Kampfes unaufhörlich
^vdesangst aus, indem Kugeln an die Decken der Krankensäle schlugen oder
^>n den'Wänden abprallend ans die Betten fielen. Eine wahrhaft teuflische
Strategie, die große Siechenhäuser in Blockhäuser verwandelte! Nach diesen
Proben von Verlierung des Proletariats der Juuibarrikaden darf man kaum
^gen, sich das Schicksal von Paris zu vergegenwärtigen, wenn die bewaffnete
Sozialdemokrntie auch nur für kurze Zeit die Oberhand behalten hätte!

Warum wir das alles so ausführlich erzählt haben? viseitö moniti!
^Ne und merkt es euch wieder einmal, wenn ihrs vergessen habt!




Aus den Jugendjahren der Sozialdemokratie

mit denen die Meuterer sich befleckten. Man verkaufte den Truppen Brannt¬
wein, dein man Gift beigemischt hatte. Als die Aufständischen den Maubert-
Platz räumen mußten, wurden fünf gefangene Offiziere der Mobilgarde von
einem als Weib verkleideten Kerl mit einem Hackmesser geköpft. Im Stadt¬
viertel Se. Marceau fand man mehrere Leute der Mvbilgarde, die an deu
Handgelenken nnfgehängt und mit Bajonettstichen durchbohrt waren. Eine
der bei den Barrikaden verhafteten Megären gestand vergnügt, sie habe „drei
Lansebnben von der Mvbilgarde die Köpfe und die Geschlechtsteile abgeschnitten."
Auf einer der Hauptbarrikaden der Vorstadt Se. Antoine gewahrte man den
verstümmelten Leichnam eines Soldaten in Uniform, der auf einen Pfahl ge¬
spießt war, aus dessen aufgeschlitztem Bauche die Gedärme heraushingen. Auf
untern Barrikade» hatte man Köpfe mit Käppis wie Vogelscheuchen aufge¬
pflanzt. Ein scheußliches, dem Kanibalismns überbietendes Schauspiel war es,
"is eine Bande einen abgehacktem Kops, dem man Pech in den Mund gegossen,
einen Docht hineingeschoben und ihn angezündet hatte, unitanzte und dazu den
Gassenhauer Des wripious, Aos l^xions! sang. Im Clos Se. Lazare wurden
einem gefangenen Jnfanteristen beide Hände abgehauen, und der Unglückliche
verblutete laugsam auf dem Erdboden. Einem Dragoner sägte man die Füße
"b und feilte ihn dann wieder ans sein Pferd. Hinter der Barriere Nochechouart
stieß man auf eine Spritze voll Vitrivlöl, mit dem die Meuterer die angreifenden
Soldaten besprikt hatten, und dabei auf große Eiseuflaschcn mit Terpentinöl
'M Anzündung der öffentlichen Gebände. An der Mairie des achten Arron-
dissements, der Kaserne de l'Oursine, blieben noch lange die Spuren des Theer-
Estrichs, mit dem man sie in Brand zu stecken versucht hatte. In den Taschen
vieler Gefaugenen fand man Geschosse, die einen schmerzhaften Tod geben
wußten, auch wenn sie uur verwundeten: kupferne Röhrchen mit Pulver ge¬
stillt, die eine kleine Lunte in der Wunde platzen lassen sollte, Knpferstücke mit
Grünspan und Kugeln, die mit Messingdraht durchbohrt waren. Die alten
^'rger- und Religionskriege, selbst die Zeiten der Merowinger hatten keine
solche Verachtung aller Menschlichkeit ersonnen und ausgeübt. Nicht einmal
^ Krankenhäuser schonte der Geist des entsetzlichen Aufstandes. Das Spital
Se. Louis und das Hotel Dien waren mit Barrikaden verschanzt, und in diesen
schrecklichen Zwingern standen die Kranken während des Kampfes unaufhörlich
^vdesangst aus, indem Kugeln an die Decken der Krankensäle schlugen oder
^>n den'Wänden abprallend ans die Betten fielen. Eine wahrhaft teuflische
Strategie, die große Siechenhäuser in Blockhäuser verwandelte! Nach diesen
Proben von Verlierung des Proletariats der Juuibarrikaden darf man kaum
^gen, sich das Schicksal von Paris zu vergegenwärtigen, wenn die bewaffnete
Sozialdemokrntie auch nur für kurze Zeit die Oberhand behalten hätte!

Warum wir das alles so ausführlich erzählt haben? viseitö moniti!
^Ne und merkt es euch wieder einmal, wenn ihrs vergessen habt!




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[0315] Aus den Jugendjahren der Sozialdemokratie mit denen die Meuterer sich befleckten. Man verkaufte den Truppen Brannt¬ wein, dein man Gift beigemischt hatte. Als die Aufständischen den Maubert- Platz räumen mußten, wurden fünf gefangene Offiziere der Mobilgarde von einem als Weib verkleideten Kerl mit einem Hackmesser geköpft. Im Stadt¬ viertel Se. Marceau fand man mehrere Leute der Mvbilgarde, die an deu Handgelenken nnfgehängt und mit Bajonettstichen durchbohrt waren. Eine der bei den Barrikaden verhafteten Megären gestand vergnügt, sie habe „drei Lansebnben von der Mvbilgarde die Köpfe und die Geschlechtsteile abgeschnitten." Auf einer der Hauptbarrikaden der Vorstadt Se. Antoine gewahrte man den verstümmelten Leichnam eines Soldaten in Uniform, der auf einen Pfahl ge¬ spießt war, aus dessen aufgeschlitztem Bauche die Gedärme heraushingen. Auf untern Barrikade» hatte man Köpfe mit Käppis wie Vogelscheuchen aufge¬ pflanzt. Ein scheußliches, dem Kanibalismns überbietendes Schauspiel war es, "is eine Bande einen abgehacktem Kops, dem man Pech in den Mund gegossen, einen Docht hineingeschoben und ihn angezündet hatte, unitanzte und dazu den Gassenhauer Des wripious, Aos l^xions! sang. Im Clos Se. Lazare wurden einem gefangenen Jnfanteristen beide Hände abgehauen, und der Unglückliche verblutete laugsam auf dem Erdboden. Einem Dragoner sägte man die Füße "b und feilte ihn dann wieder ans sein Pferd. Hinter der Barriere Nochechouart stieß man auf eine Spritze voll Vitrivlöl, mit dem die Meuterer die angreifenden Soldaten besprikt hatten, und dabei auf große Eiseuflaschcn mit Terpentinöl 'M Anzündung der öffentlichen Gebände. An der Mairie des achten Arron- dissements, der Kaserne de l'Oursine, blieben noch lange die Spuren des Theer- Estrichs, mit dem man sie in Brand zu stecken versucht hatte. In den Taschen vieler Gefaugenen fand man Geschosse, die einen schmerzhaften Tod geben wußten, auch wenn sie uur verwundeten: kupferne Röhrchen mit Pulver ge¬ stillt, die eine kleine Lunte in der Wunde platzen lassen sollte, Knpferstücke mit Grünspan und Kugeln, die mit Messingdraht durchbohrt waren. Die alten ^'rger- und Religionskriege, selbst die Zeiten der Merowinger hatten keine solche Verachtung aller Menschlichkeit ersonnen und ausgeübt. Nicht einmal ^ Krankenhäuser schonte der Geist des entsetzlichen Aufstandes. Das Spital Se. Louis und das Hotel Dien waren mit Barrikaden verschanzt, und in diesen schrecklichen Zwingern standen die Kranken während des Kampfes unaufhörlich ^vdesangst aus, indem Kugeln an die Decken der Krankensäle schlugen oder ^>n den'Wänden abprallend ans die Betten fielen. Eine wahrhaft teuflische Strategie, die große Siechenhäuser in Blockhäuser verwandelte! Nach diesen Proben von Verlierung des Proletariats der Juuibarrikaden darf man kaum ^gen, sich das Schicksal von Paris zu vergegenwärtigen, wenn die bewaffnete Sozialdemokrntie auch nur für kurze Zeit die Oberhand behalten hätte! Warum wir das alles so ausführlich erzählt haben? viseitö moniti! ^Ne und merkt es euch wieder einmal, wenn ihrs vergessen habt!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/315>, abgerufen am 26.06.2024.