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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Ans den Iugendjahien der Sozialdemokratie

und von der Menge mit einem wilden Hoch ans die sozialdemokratische Republik
beantwortet wurde. Hierauf marschirte Pujol mit seiner unablässig wachsenden
Schar nach dein Thore von Se. Denis, wo er Halt machte und eine Barrikade
auszuwerfen befahl. Zu derselben Zeit sammelten sich in den innern Stadtvierteln
an Punkten, die ohne Zweifel im voraus bestimmt waren, zahlreiche andre Haufen
von Bewaffneten, und man sah Barrikade auf Barrikade emporwachsen. Der
Aufruhr wurde in seinem Werke zunächst nicht gestört, dn die Nationalgarde sich
säumig zeigte und Linientruppen und Mobilgarde nach Cavaignaes Plane nicht
verzettelt, sondern nnr in Masse und zu großen Schlägen verwendet werden sollten.

Cnvaigmu, jetzt mit dem Oberbefehl anch über die Nationalgarde betraut,
sammelte seiue Hauptmacht in der Nachbarschaft des Palastes der National¬
versammlung, dem General Bedeau übertrug man die Beschützung des Rathauses,
dem General Damesme die Verteidigung des Palastes Luxemburg und des
linken Seineufers, der General Lamvricivre besetzte das rechte mit seineu vor¬
nehmen Quartieren. Cavaignne hatte seine militärischen Vorbereitungen noch
nicht vollständig getroffen, als der Aufstand der Bollziehnngskommissiou im
Palast Luxemburg so nahe rückte, daß deren Präsident, Arago, sich im
Vertrauen auf seiue alte Beliebtheit beim Volke entschloß, zu versuche"'
was er mit Abmahnnng der Rebellen vermöge. Er begab sich auf den Pantheons¬
platz, mußte aber, mit wüstem Geschrei und Drohungen empfangen, unverrichteter
Sache wieder umkehre", und nun verlegte die Vvllziehnngskonnnission ihren
Sitz in den Palast der Nationalversammlung, wo sie einstweilen noch sicher
war, und von wo sie sich schlimmstenfalls vor der siegreichen Revolution mit
der Volksvertretung nach einer Provinzialstadt zurückziehen konnte. Der eigentliche
Kampf begann an der Barrikade am Thore von Se. Denis, indem deren Be¬
satzung auf eine Abteilung Nationalgarde Feuer gab und zwölf Mann tötete-
Das brachte die Nationalgarde der nächsten Quartiere auf die Beine, und die
Barrikade wurde von ihr genommen. Von jetzt an kam es in einem große"
Teile der Stadt zum Schießen und Stürmen, wobei die Mobilgarde sich durch
verwegenes Vorgehen auszeichnete. Dn der Tag sich jedoch seinem Ende
näherte, ohne daß ein entscheidender Erfolg gewonnen war, rückte Cavaignac
um der Spitze von 8000 Mann gegen die Barrikaden am Bastillenplatze vor
und erstürmte einige davon, wobei er viele Leute verlor, die Aufständische"
aber nicht erkundigte und den schließlichen Sieg der Regierung nicht wahr'
scheinlicher machte. In der folgenden Nacht ruhten beide Teile.

Am Morgen des 24. neuer Kampf mit verdoppelter Kraftanstrengungau
beiden Seiten. Die Rebellen suchten von drei Seiten zugleich nach dem Rat'
Hause vorzudringen, das jetzt, nachdem Bedeau verwundet worden war, vo">
General Duvivier verteidigt wurde. Auf die Nachricht von diesem Angriffe'
der den General schwer bedrängte, erhob sich in der Nativnalversammlu"g
Pascal Duprat, ein Republikaner alten Schlages, und stellte den Antrag, Pa"s


Ans den Iugendjahien der Sozialdemokratie

und von der Menge mit einem wilden Hoch ans die sozialdemokratische Republik
beantwortet wurde. Hierauf marschirte Pujol mit seiner unablässig wachsenden
Schar nach dein Thore von Se. Denis, wo er Halt machte und eine Barrikade
auszuwerfen befahl. Zu derselben Zeit sammelten sich in den innern Stadtvierteln
an Punkten, die ohne Zweifel im voraus bestimmt waren, zahlreiche andre Haufen
von Bewaffneten, und man sah Barrikade auf Barrikade emporwachsen. Der
Aufruhr wurde in seinem Werke zunächst nicht gestört, dn die Nationalgarde sich
säumig zeigte und Linientruppen und Mobilgarde nach Cavaignaes Plane nicht
verzettelt, sondern nnr in Masse und zu großen Schlägen verwendet werden sollten.

Cnvaigmu, jetzt mit dem Oberbefehl anch über die Nationalgarde betraut,
sammelte seiue Hauptmacht in der Nachbarschaft des Palastes der National¬
versammlung, dem General Bedeau übertrug man die Beschützung des Rathauses,
dem General Damesme die Verteidigung des Palastes Luxemburg und des
linken Seineufers, der General Lamvricivre besetzte das rechte mit seineu vor¬
nehmen Quartieren. Cavaignne hatte seine militärischen Vorbereitungen noch
nicht vollständig getroffen, als der Aufstand der Bollziehnngskommissiou im
Palast Luxemburg so nahe rückte, daß deren Präsident, Arago, sich im
Vertrauen auf seiue alte Beliebtheit beim Volke entschloß, zu versuche»'
was er mit Abmahnnng der Rebellen vermöge. Er begab sich auf den Pantheons¬
platz, mußte aber, mit wüstem Geschrei und Drohungen empfangen, unverrichteter
Sache wieder umkehre», und nun verlegte die Vvllziehnngskonnnission ihren
Sitz in den Palast der Nationalversammlung, wo sie einstweilen noch sicher
war, und von wo sie sich schlimmstenfalls vor der siegreichen Revolution mit
der Volksvertretung nach einer Provinzialstadt zurückziehen konnte. Der eigentliche
Kampf begann an der Barrikade am Thore von Se. Denis, indem deren Be¬
satzung auf eine Abteilung Nationalgarde Feuer gab und zwölf Mann tötete-
Das brachte die Nationalgarde der nächsten Quartiere auf die Beine, und die
Barrikade wurde von ihr genommen. Von jetzt an kam es in einem große»
Teile der Stadt zum Schießen und Stürmen, wobei die Mobilgarde sich durch
verwegenes Vorgehen auszeichnete. Dn der Tag sich jedoch seinem Ende
näherte, ohne daß ein entscheidender Erfolg gewonnen war, rückte Cavaignac
um der Spitze von 8000 Mann gegen die Barrikaden am Bastillenplatze vor
und erstürmte einige davon, wobei er viele Leute verlor, die Aufständische»
aber nicht erkundigte und den schließlichen Sieg der Regierung nicht wahr'
scheinlicher machte. In der folgenden Nacht ruhten beide Teile.

Am Morgen des 24. neuer Kampf mit verdoppelter Kraftanstrengungau
beiden Seiten. Die Rebellen suchten von drei Seiten zugleich nach dem Rat'
Hause vorzudringen, das jetzt, nachdem Bedeau verwundet worden war, vo»>
General Duvivier verteidigt wurde. Auf die Nachricht von diesem Angriffe'
der den General schwer bedrängte, erhob sich in der Nativnalversammlu»g
Pascal Duprat, ein Republikaner alten Schlages, und stellte den Antrag, Pa"s


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/312>, abgerufen am 28.12.2024.