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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Bismarck und Schleswig-Holstein

wurden überstimmt. Die öffentliche Meinung in ganz Deutschland sprach sich
stürmisch im Sinne der Mehrheit und hvchentrüstet über Preußen und Oster¬
reich aus. Bismarck hatte dagegen wenig einzuwenden; denn es diente ihm,
Österreich an seiner Seite festzuhalten, die eigne Mäßigung vor den fremden
Großmächten ins günstigste Licht zu stellen und zugleich Europa aufmerksam
zu macheu, daß mit der Aufregung der deutschen Nation zu rechnen sei. Die
Hindeutung auf diese Notwendigkeit that nicht bloß bei Napoleon, sondern
anch in England ihre Wirkung, dessen Gesandte in Berlin und Kopenhagen
mit drohenden Nedensarten erklärten, es werde leine deutsche Einmischung in
die innern Angelegenheiten Dänemarks und keine Abweichung vom Londoner
Protokoll dulden. Natürlich steigerte dies den Starrsinn und die Kampflust
der Dänen, wogegen Bismarck wieder nichts einzuwenden hatte. Am 1. De¬
zember setzte er dem preußischen Abgeordnetenhause seine Politik hinsichtlich
Schleswig-Holsteins aus einander und rief dadurch eine zweitägige Verhandlung
hervor, in der alle Töne der nationalen Bewegung aufs stärkste erklangen:
das legitime Erbrecht der Augnstenburger, der Umstand, daß der deutsche
Bund das Londoner Protokoll nie anerkannt hatte, die vertragswidrigen Ma߬
regeln Dänemarks, wozu noch die Erbitterung der Mehrheit des Hauses über
das "verfassungswidrige" Ministerium und ein tiefes Mißtrauen gegen den
guten Willen Nismnrcks in der Schleswig-holsteinischen Sache kamen, die er
früher so heftig verurteilt hatte. Leider konnte er dem hohen Hause jetzt nicht
mitteilen, welcher Art seine letzten Ziele seien, und so beschloß dieses mit 231
gegen t>5> Stimmen: die Ehre und das Interesse Deutschlands fordern es, daß
sämtliche deutsche Staaten den Erbprinzen Friedrich als Herzog von Schleswig-
Holstein anerkennen und ihm in der Geltendmachung seiner Rechte wirksamen
Beistand leisten.

Selbstverständlich war das sür das weitere Verfahren der Regierung nicht
entfernt maßgebend, es konnte nur die Hinneigung des Königs zu dein Augnsten¬
burger schwächen. Zunächst kam alles auf die Erlangung des Bundesbeschlusses
für die sofortige Exekution um, und diese wurde durch identische Noten
Preußens und Österreichs erreicht. Sie richtete sich gegen König Christian
als Herzog von Holstein und sollte ihn zur Ausführung der Bundesbeschliisse
von I3et0 und 1863, d. h. zu einer guten Einordnung der Elbherzogtümer
in den dänischen Gesamtstaat nötigen, was freilich viel weniger als das
"Los von Dänemark!" bedeutete. So war denn ein erster wesentlicher Erfolg
der Bismarckschen Politik im Mittelpunkte der Gegenpartei errungen. Auch
die gleichzeitigen Ereignisse im Auslande bestätigten die Richtigkeit der bisher
von Preußen eingenommenen Stellung und begünstigten die ans ihr zu ent¬
wickelnde Thätigkeit. Das englische Kabinet hatte endlich den großen Kongreß
Napoleons abgelehnt (25. November). Der Kaiser fühlte sich dadurch schwer
verletzt, wütete gegen Russell, prophezeite dem gleichdenlenden Österreich aller-


Bismarck und Schleswig-Holstein

wurden überstimmt. Die öffentliche Meinung in ganz Deutschland sprach sich
stürmisch im Sinne der Mehrheit und hvchentrüstet über Preußen und Oster¬
reich aus. Bismarck hatte dagegen wenig einzuwenden; denn es diente ihm,
Österreich an seiner Seite festzuhalten, die eigne Mäßigung vor den fremden
Großmächten ins günstigste Licht zu stellen und zugleich Europa aufmerksam
zu macheu, daß mit der Aufregung der deutschen Nation zu rechnen sei. Die
Hindeutung auf diese Notwendigkeit that nicht bloß bei Napoleon, sondern
anch in England ihre Wirkung, dessen Gesandte in Berlin und Kopenhagen
mit drohenden Nedensarten erklärten, es werde leine deutsche Einmischung in
die innern Angelegenheiten Dänemarks und keine Abweichung vom Londoner
Protokoll dulden. Natürlich steigerte dies den Starrsinn und die Kampflust
der Dänen, wogegen Bismarck wieder nichts einzuwenden hatte. Am 1. De¬
zember setzte er dem preußischen Abgeordnetenhause seine Politik hinsichtlich
Schleswig-Holsteins aus einander und rief dadurch eine zweitägige Verhandlung
hervor, in der alle Töne der nationalen Bewegung aufs stärkste erklangen:
das legitime Erbrecht der Augnstenburger, der Umstand, daß der deutsche
Bund das Londoner Protokoll nie anerkannt hatte, die vertragswidrigen Ma߬
regeln Dänemarks, wozu noch die Erbitterung der Mehrheit des Hauses über
das „verfassungswidrige" Ministerium und ein tiefes Mißtrauen gegen den
guten Willen Nismnrcks in der Schleswig-holsteinischen Sache kamen, die er
früher so heftig verurteilt hatte. Leider konnte er dem hohen Hause jetzt nicht
mitteilen, welcher Art seine letzten Ziele seien, und so beschloß dieses mit 231
gegen t>5> Stimmen: die Ehre und das Interesse Deutschlands fordern es, daß
sämtliche deutsche Staaten den Erbprinzen Friedrich als Herzog von Schleswig-
Holstein anerkennen und ihm in der Geltendmachung seiner Rechte wirksamen
Beistand leisten.

Selbstverständlich war das sür das weitere Verfahren der Regierung nicht
entfernt maßgebend, es konnte nur die Hinneigung des Königs zu dein Augnsten¬
burger schwächen. Zunächst kam alles auf die Erlangung des Bundesbeschlusses
für die sofortige Exekution um, und diese wurde durch identische Noten
Preußens und Österreichs erreicht. Sie richtete sich gegen König Christian
als Herzog von Holstein und sollte ihn zur Ausführung der Bundesbeschliisse
von I3et0 und 1863, d. h. zu einer guten Einordnung der Elbherzogtümer
in den dänischen Gesamtstaat nötigen, was freilich viel weniger als das
„Los von Dänemark!" bedeutete. So war denn ein erster wesentlicher Erfolg
der Bismarckschen Politik im Mittelpunkte der Gegenpartei errungen. Auch
die gleichzeitigen Ereignisse im Auslande bestätigten die Richtigkeit der bisher
von Preußen eingenommenen Stellung und begünstigten die ans ihr zu ent¬
wickelnde Thätigkeit. Das englische Kabinet hatte endlich den großen Kongreß
Napoleons abgelehnt (25. November). Der Kaiser fühlte sich dadurch schwer
verletzt, wütete gegen Russell, prophezeite dem gleichdenlenden Österreich aller-


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[0208] Bismarck und Schleswig-Holstein wurden überstimmt. Die öffentliche Meinung in ganz Deutschland sprach sich stürmisch im Sinne der Mehrheit und hvchentrüstet über Preußen und Oster¬ reich aus. Bismarck hatte dagegen wenig einzuwenden; denn es diente ihm, Österreich an seiner Seite festzuhalten, die eigne Mäßigung vor den fremden Großmächten ins günstigste Licht zu stellen und zugleich Europa aufmerksam zu macheu, daß mit der Aufregung der deutschen Nation zu rechnen sei. Die Hindeutung auf diese Notwendigkeit that nicht bloß bei Napoleon, sondern anch in England ihre Wirkung, dessen Gesandte in Berlin und Kopenhagen mit drohenden Nedensarten erklärten, es werde leine deutsche Einmischung in die innern Angelegenheiten Dänemarks und keine Abweichung vom Londoner Protokoll dulden. Natürlich steigerte dies den Starrsinn und die Kampflust der Dänen, wogegen Bismarck wieder nichts einzuwenden hatte. Am 1. De¬ zember setzte er dem preußischen Abgeordnetenhause seine Politik hinsichtlich Schleswig-Holsteins aus einander und rief dadurch eine zweitägige Verhandlung hervor, in der alle Töne der nationalen Bewegung aufs stärkste erklangen: das legitime Erbrecht der Augnstenburger, der Umstand, daß der deutsche Bund das Londoner Protokoll nie anerkannt hatte, die vertragswidrigen Ma߬ regeln Dänemarks, wozu noch die Erbitterung der Mehrheit des Hauses über das „verfassungswidrige" Ministerium und ein tiefes Mißtrauen gegen den guten Willen Nismnrcks in der Schleswig-holsteinischen Sache kamen, die er früher so heftig verurteilt hatte. Leider konnte er dem hohen Hause jetzt nicht mitteilen, welcher Art seine letzten Ziele seien, und so beschloß dieses mit 231 gegen t>5> Stimmen: die Ehre und das Interesse Deutschlands fordern es, daß sämtliche deutsche Staaten den Erbprinzen Friedrich als Herzog von Schleswig- Holstein anerkennen und ihm in der Geltendmachung seiner Rechte wirksamen Beistand leisten. Selbstverständlich war das sür das weitere Verfahren der Regierung nicht entfernt maßgebend, es konnte nur die Hinneigung des Königs zu dein Augnsten¬ burger schwächen. Zunächst kam alles auf die Erlangung des Bundesbeschlusses für die sofortige Exekution um, und diese wurde durch identische Noten Preußens und Österreichs erreicht. Sie richtete sich gegen König Christian als Herzog von Holstein und sollte ihn zur Ausführung der Bundesbeschliisse von I3et0 und 1863, d. h. zu einer guten Einordnung der Elbherzogtümer in den dänischen Gesamtstaat nötigen, was freilich viel weniger als das „Los von Dänemark!" bedeutete. So war denn ein erster wesentlicher Erfolg der Bismarckschen Politik im Mittelpunkte der Gegenpartei errungen. Auch die gleichzeitigen Ereignisse im Auslande bestätigten die Richtigkeit der bisher von Preußen eingenommenen Stellung und begünstigten die ans ihr zu ent¬ wickelnde Thätigkeit. Das englische Kabinet hatte endlich den großen Kongreß Napoleons abgelehnt (25. November). Der Kaiser fühlte sich dadurch schwer verletzt, wütete gegen Russell, prophezeite dem gleichdenlenden Österreich aller-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/208>, abgerufen am 28.12.2024.