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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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sichtiger bewahrte Bismarck seine gedeckte Stellung^ als Russel durch deu
britischen Botschafter anfragen ließ, ob eine englische Vermittelung wohl Aus¬
sicht auf Annahme habe. Mau wolle, sagte er, beim Bunde dafür stimmen,
zweifle aber seit der neuesten Wortbrüchigkeit Dänemarks am Erfolge. Ju
Paris sagte der Kaiser am 23. November zum preußischen Gesaudtein "Ich
habe von euch nichts zu verlangen, aber ihr werdet euch nicht verbergen, daß
ihr in eurer jetzigen Lage nicht bleiben könnt. Preußen ist von Kleiustanten
umgeben, die seine Kraft nicht vermehren und seine Wirksamkeit hindern. Auf
dem von mir vvrgeschlagueu Kongreß könnten wir das gemeinsam erwägen."
Dem Minister Drouyn de Lhuis empfahl Graf Goltz die Sache Schleswig-
Holsteius, wo sich für Frankreich Gelegenheit biete, seine Hinneigung zniu
Nationalitätsprinzip zugleich mit seiner Achtung vor alten Rechten zu bethätigen.
Der Minister bestätigte dies, bemerkte aber, Frankreich sei zur Zeit durch das
Londoner Protokoll gebunden; auf dem .Kongresse würde sich weiter darüber
reden lassen. Als Goltz den Gedanken einer Teilung Schleswigs nach der
Nationalität seiner Einwohner hinwarf, sodaß der Süden an Holstein fiele,
erwiderte Drouyu de Lhuis, wenn diese möglich wäre, würde es besser sein,
das neue Land zu einer preußischen Provinz als zu einem selbständigen Staate
zu machen, er rate also die Ansprüche des Augustenburgers nicht als unbe¬
streitbar hinzustellen. Als er bei diesen Äußerungen auf Kompensation hin¬
deutete, und Goltz entgegnete, Preußen habe kein Land zu vergeben, erwiderte
der französische Minister, er habe nicht an territoriale Entschädigungen gedacht,
die Kompensationen köunten auch in einer Geldzahlung an Dänemark, Verleihung
einer hohen preußischen Stellung an den Augusteuburger und in gute" Dienste"
in andern Dingen bestehen. Damit war auf Österreich hingedeutet -- eine
Wendung, die Goltz im stillen gefiel, wogegen er hinsichtlich Schleswig-Hol¬
steins nur wünschte, es möge gelingen, dessen Selbständigkeit nnter dem Augusteu¬
burger gegen Österreichs Willen und nach dem Begehren der Kleinfürsten und
der öffentlichen Stimmung in Deutschland durchzusetzen. In diesem Sinne
sprach er -- natürlich ohne Auftrag Bismarcks -- nochmals mit Napoleon,
der ihm dann zunächst erklärte, keine Partei nehmen zu wollen; die Frage eigne
sich für den Kongreß, da dieser aber nicht viel mehr hoffen lasse, so denke er
mir an Bündnisse und wünsche ein solches mit Preußen einzugehen, worauf
Goltz entzückt erwiderte, die Übereinstimmung Preußens und Frankreichs fast
in allen Fragen werde zuletzt von selbst dahin führen.

Ohne Zweifel war es für Bismarck angenehmer, mit Frankreich ans
freundlichem statt auf gespanntem Fuße zu stehen. Aber dem Könige war der
Gedanke einer Allianz mit Frankreich, die sich offenbar gegen Österreich richten
sollte, an sich und jetzt, wo mau sich bestrebte, den Wiener Hof für einen ge¬
meinsamen Kriegszug gegen die Dänen zu gewinnen, ganz besonders zuwider.
Der Vorschlag einer Einverleibung Schleswig-Holsteins in Preußen aber war


Lisnunck mit> sei/leswig-Holstein

sichtiger bewahrte Bismarck seine gedeckte Stellung^ als Russel durch deu
britischen Botschafter anfragen ließ, ob eine englische Vermittelung wohl Aus¬
sicht auf Annahme habe. Mau wolle, sagte er, beim Bunde dafür stimmen,
zweifle aber seit der neuesten Wortbrüchigkeit Dänemarks am Erfolge. Ju
Paris sagte der Kaiser am 23. November zum preußischen Gesaudtein „Ich
habe von euch nichts zu verlangen, aber ihr werdet euch nicht verbergen, daß
ihr in eurer jetzigen Lage nicht bleiben könnt. Preußen ist von Kleiustanten
umgeben, die seine Kraft nicht vermehren und seine Wirksamkeit hindern. Auf
dem von mir vvrgeschlagueu Kongreß könnten wir das gemeinsam erwägen."
Dem Minister Drouyn de Lhuis empfahl Graf Goltz die Sache Schleswig-
Holsteius, wo sich für Frankreich Gelegenheit biete, seine Hinneigung zniu
Nationalitätsprinzip zugleich mit seiner Achtung vor alten Rechten zu bethätigen.
Der Minister bestätigte dies, bemerkte aber, Frankreich sei zur Zeit durch das
Londoner Protokoll gebunden; auf dem .Kongresse würde sich weiter darüber
reden lassen. Als Goltz den Gedanken einer Teilung Schleswigs nach der
Nationalität seiner Einwohner hinwarf, sodaß der Süden an Holstein fiele,
erwiderte Drouyu de Lhuis, wenn diese möglich wäre, würde es besser sein,
das neue Land zu einer preußischen Provinz als zu einem selbständigen Staate
zu machen, er rate also die Ansprüche des Augustenburgers nicht als unbe¬
streitbar hinzustellen. Als er bei diesen Äußerungen auf Kompensation hin¬
deutete, und Goltz entgegnete, Preußen habe kein Land zu vergeben, erwiderte
der französische Minister, er habe nicht an territoriale Entschädigungen gedacht,
die Kompensationen köunten auch in einer Geldzahlung an Dänemark, Verleihung
einer hohen preußischen Stellung an den Augusteuburger und in gute» Dienste»
in andern Dingen bestehen. Damit war auf Österreich hingedeutet — eine
Wendung, die Goltz im stillen gefiel, wogegen er hinsichtlich Schleswig-Hol¬
steins nur wünschte, es möge gelingen, dessen Selbständigkeit nnter dem Augusteu¬
burger gegen Österreichs Willen und nach dem Begehren der Kleinfürsten und
der öffentlichen Stimmung in Deutschland durchzusetzen. In diesem Sinne
sprach er — natürlich ohne Auftrag Bismarcks — nochmals mit Napoleon,
der ihm dann zunächst erklärte, keine Partei nehmen zu wollen; die Frage eigne
sich für den Kongreß, da dieser aber nicht viel mehr hoffen lasse, so denke er
mir an Bündnisse und wünsche ein solches mit Preußen einzugehen, worauf
Goltz entzückt erwiderte, die Übereinstimmung Preußens und Frankreichs fast
in allen Fragen werde zuletzt von selbst dahin führen.

Ohne Zweifel war es für Bismarck angenehmer, mit Frankreich ans
freundlichem statt auf gespanntem Fuße zu stehen. Aber dem Könige war der
Gedanke einer Allianz mit Frankreich, die sich offenbar gegen Österreich richten
sollte, an sich und jetzt, wo mau sich bestrebte, den Wiener Hof für einen ge¬
meinsamen Kriegszug gegen die Dänen zu gewinnen, ganz besonders zuwider.
Der Vorschlag einer Einverleibung Schleswig-Holsteins in Preußen aber war


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/206>, abgerufen am 22.07.2024.