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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Bismarck und Schleswig-Holstein

von Dänemark Erfüllung seiner Verpflichtungen in der Verfassungsfrage fordern,
weshalb er auch auf Beschleunigung der Bundesexekution dringen müsse. Ju
Frankfurt wurde es immer deutlicher, daß die große Mehrheit der Vertreter
der Kleinstaaten zu deu Augustenburgern hinneigte. Als die Gesandten der
beiden deutschen Großmächte den Fortgang des Exekntionsverfahrens gegen
Holstein und zugleich einen Einspruch gegen die neue dänische Verfassung zur
Sprache brachten, erklärte Pforten, der Vertreter Baierns, von zahlreichen
Stimmen unterstützt, weder Exekution noch Einspruch sei am Platze; denu man
würde durch Exekution König Christian als rechtmäßigen Herzog von Holstein,
durch Einspruch ihn als rechtmäßigen Herzog von Schleswig anerkennen. Da
die Erbfolge aber streitig sei, so müsse der Bund nicht Exekution, sondern Okku¬
pation verfügen, dann den rechtmäßigen Herzog ermitteln und anerkennen und
endlich ihm, wenn nötig, mit Heeresmacht den Besitz von Schleswig verschaffen.
Das Londoner Protokoll sei für den Bund, der es niemals zu Gesicht bekommen
habe, nicht vorhanden. Österreich allein konnte Buudesbeschlüsse in diesem
Sinne uicht verhindern, es mußte dazu des Beistandes Preußens sicher sein,
und so vernahm Rechberg von Bismarck mit Freuden, daß er noch am Lon¬
doner Protokoll festhalte und nur rascheres Vorgehen in der Verfassungsfrage
wünsche

Der Wiener Hof entschloß sich demzufolge, um sich Preußens Unterstützung
in der Erbfolgesache zu erhalten, mit ihm sofort zur Exekution zu schreiten, die
"ach Pfortens Behnuptnug den König Christian als rechtmäßigen Landesherrn
voraussetzte und deshalb selbst von dem eifrigen Friedensprediger Russell em¬
pfohlen wurde. So kam denn am 24. November zwischen Bismarck und
Nechberg eine Übereinkunft zu Stande, beim Bunde gemeinsam dahin zu wirken,
daß die Exekution möglichst rasch vollzogen werde, wobei sich von selbst ver¬
stand, daß Österreich sich daran beteilige. So hatte denn Bismarck Österreich
zum ersten Schritte ans der Bahn einer thätigen Politik in der Sache gebracht,
u"d wenn man in Wien mit dein Hintergedanken daran gegangen war, in der
^"gen Verbindung mit Preußen bei der Ausführung müßigend wirken zu können,
durfte der Ministerpräsident in Berlin seinerseits hoffen, daß die Natur der
^Wge Österreich in der neuen Richtung weiter führen werde. Auch die nach¬
fühlen, die Bismarck in diesen Tagen von den übrigen Höfen der Großmächte
ehielt, lautete" für seine Absichten günstig. AuNvenigsten sicher erschien England:
die Königin, die Schwiegermutter des Kronprinzen von Preußen und einer Tochter
Königs von Dänemark, hatte Mitgefühl für beide Seiten, beklagte die
dänische Halsstarrigkeit und hielt doch Preußen für gebunden durch das Londoner
Protokoll; im Herzensgrunde war sie für Erhaltung des Friedens. Auch
Russell wünschte diese, gleichviel, unter welcher Bedingung. Palmerston schwieg
vor der Hand, aber er war immer ein bösartiger Gegner Deutschlands ge¬
wesen, und seine Blätter griffen jetzt Preußen aufs heftigste an. Umso vor-


Bismarck und Schleswig-Holstein

von Dänemark Erfüllung seiner Verpflichtungen in der Verfassungsfrage fordern,
weshalb er auch auf Beschleunigung der Bundesexekution dringen müsse. Ju
Frankfurt wurde es immer deutlicher, daß die große Mehrheit der Vertreter
der Kleinstaaten zu deu Augustenburgern hinneigte. Als die Gesandten der
beiden deutschen Großmächte den Fortgang des Exekntionsverfahrens gegen
Holstein und zugleich einen Einspruch gegen die neue dänische Verfassung zur
Sprache brachten, erklärte Pforten, der Vertreter Baierns, von zahlreichen
Stimmen unterstützt, weder Exekution noch Einspruch sei am Platze; denu man
würde durch Exekution König Christian als rechtmäßigen Herzog von Holstein,
durch Einspruch ihn als rechtmäßigen Herzog von Schleswig anerkennen. Da
die Erbfolge aber streitig sei, so müsse der Bund nicht Exekution, sondern Okku¬
pation verfügen, dann den rechtmäßigen Herzog ermitteln und anerkennen und
endlich ihm, wenn nötig, mit Heeresmacht den Besitz von Schleswig verschaffen.
Das Londoner Protokoll sei für den Bund, der es niemals zu Gesicht bekommen
habe, nicht vorhanden. Österreich allein konnte Buudesbeschlüsse in diesem
Sinne uicht verhindern, es mußte dazu des Beistandes Preußens sicher sein,
und so vernahm Rechberg von Bismarck mit Freuden, daß er noch am Lon¬
doner Protokoll festhalte und nur rascheres Vorgehen in der Verfassungsfrage
wünsche

Der Wiener Hof entschloß sich demzufolge, um sich Preußens Unterstützung
in der Erbfolgesache zu erhalten, mit ihm sofort zur Exekution zu schreiten, die
»ach Pfortens Behnuptnug den König Christian als rechtmäßigen Landesherrn
voraussetzte und deshalb selbst von dem eifrigen Friedensprediger Russell em¬
pfohlen wurde. So kam denn am 24. November zwischen Bismarck und
Nechberg eine Übereinkunft zu Stande, beim Bunde gemeinsam dahin zu wirken,
daß die Exekution möglichst rasch vollzogen werde, wobei sich von selbst ver¬
stand, daß Österreich sich daran beteilige. So hatte denn Bismarck Österreich
zum ersten Schritte ans der Bahn einer thätigen Politik in der Sache gebracht,
u«d wenn man in Wien mit dein Hintergedanken daran gegangen war, in der
^»gen Verbindung mit Preußen bei der Ausführung müßigend wirken zu können,
durfte der Ministerpräsident in Berlin seinerseits hoffen, daß die Natur der
^Wge Österreich in der neuen Richtung weiter führen werde. Auch die nach¬
fühlen, die Bismarck in diesen Tagen von den übrigen Höfen der Großmächte
ehielt, lautete» für seine Absichten günstig. AuNvenigsten sicher erschien England:
die Königin, die Schwiegermutter des Kronprinzen von Preußen und einer Tochter
Königs von Dänemark, hatte Mitgefühl für beide Seiten, beklagte die
dänische Halsstarrigkeit und hielt doch Preußen für gebunden durch das Londoner
Protokoll; im Herzensgrunde war sie für Erhaltung des Friedens. Auch
Russell wünschte diese, gleichviel, unter welcher Bedingung. Palmerston schwieg
vor der Hand, aber er war immer ein bösartiger Gegner Deutschlands ge¬
wesen, und seine Blätter griffen jetzt Preußen aufs heftigste an. Umso vor-


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[0205] Bismarck und Schleswig-Holstein von Dänemark Erfüllung seiner Verpflichtungen in der Verfassungsfrage fordern, weshalb er auch auf Beschleunigung der Bundesexekution dringen müsse. Ju Frankfurt wurde es immer deutlicher, daß die große Mehrheit der Vertreter der Kleinstaaten zu deu Augustenburgern hinneigte. Als die Gesandten der beiden deutschen Großmächte den Fortgang des Exekntionsverfahrens gegen Holstein und zugleich einen Einspruch gegen die neue dänische Verfassung zur Sprache brachten, erklärte Pforten, der Vertreter Baierns, von zahlreichen Stimmen unterstützt, weder Exekution noch Einspruch sei am Platze; denu man würde durch Exekution König Christian als rechtmäßigen Herzog von Holstein, durch Einspruch ihn als rechtmäßigen Herzog von Schleswig anerkennen. Da die Erbfolge aber streitig sei, so müsse der Bund nicht Exekution, sondern Okku¬ pation verfügen, dann den rechtmäßigen Herzog ermitteln und anerkennen und endlich ihm, wenn nötig, mit Heeresmacht den Besitz von Schleswig verschaffen. Das Londoner Protokoll sei für den Bund, der es niemals zu Gesicht bekommen habe, nicht vorhanden. Österreich allein konnte Buudesbeschlüsse in diesem Sinne uicht verhindern, es mußte dazu des Beistandes Preußens sicher sein, und so vernahm Rechberg von Bismarck mit Freuden, daß er noch am Lon¬ doner Protokoll festhalte und nur rascheres Vorgehen in der Verfassungsfrage wünsche Der Wiener Hof entschloß sich demzufolge, um sich Preußens Unterstützung in der Erbfolgesache zu erhalten, mit ihm sofort zur Exekution zu schreiten, die »ach Pfortens Behnuptnug den König Christian als rechtmäßigen Landesherrn voraussetzte und deshalb selbst von dem eifrigen Friedensprediger Russell em¬ pfohlen wurde. So kam denn am 24. November zwischen Bismarck und Nechberg eine Übereinkunft zu Stande, beim Bunde gemeinsam dahin zu wirken, daß die Exekution möglichst rasch vollzogen werde, wobei sich von selbst ver¬ stand, daß Österreich sich daran beteilige. So hatte denn Bismarck Österreich zum ersten Schritte ans der Bahn einer thätigen Politik in der Sache gebracht, u«d wenn man in Wien mit dein Hintergedanken daran gegangen war, in der ^»gen Verbindung mit Preußen bei der Ausführung müßigend wirken zu können, durfte der Ministerpräsident in Berlin seinerseits hoffen, daß die Natur der ^Wge Österreich in der neuen Richtung weiter führen werde. Auch die nach¬ fühlen, die Bismarck in diesen Tagen von den übrigen Höfen der Großmächte ehielt, lautete» für seine Absichten günstig. AuNvenigsten sicher erschien England: die Königin, die Schwiegermutter des Kronprinzen von Preußen und einer Tochter Königs von Dänemark, hatte Mitgefühl für beide Seiten, beklagte die dänische Halsstarrigkeit und hielt doch Preußen für gebunden durch das Londoner Protokoll; im Herzensgrunde war sie für Erhaltung des Friedens. Auch Russell wünschte diese, gleichviel, unter welcher Bedingung. Palmerston schwieg vor der Hand, aber er war immer ein bösartiger Gegner Deutschlands ge¬ wesen, und seine Blätter griffen jetzt Preußen aufs heftigste an. Umso vor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/205>, abgerufen am 28.12.2024.