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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Zur Bekämpfung der Sozialdemokratie

Demagogen bewiesen wird, daß all ihr Elend durch Gesetze und Maßregeln
hervorgerufen werde, die die Unterschrift unsers Kaisers und Königs tragen?
Haben wir denn leine gesetzlichen Bestinunmigen, die diesem Verführungsnn-
wesen ein Ziel setzen können? 110 des deutschen Strafgesetzbuches sagt:

Wer öffentlich vor einer Menschenmenge, oder wer durch Verbreitung oder
öffentlichen Anschlag oder öffentliche Ausstellung vo" Schriften oder andern Dar¬
stellungen zum Ungehorsam gegen Gesetze oder rechtsgiltige Verordnungen oder gegen
die von der Obrigkeit innerhalb ihrer Zuständigkeit getroffenen Anordnungen auf¬
fordert, wird mit Geldstrafe bis zu 600 Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei
Jahren bestraft.

tztz 130 und 131 des Strafgesetzbuches lauten:

Wer in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise verschleime Klasse"
der Bevölkerung zu GewalttlMigkeilen gegen einander öffentlich anreizt, wird >"it
Geldstrafe bis zu 600 Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft.

Wer erdichtete oder entstellte Thatsachen, wissend, daß sie erdichtet oder ent¬
stellt sind, öffentlich behauptet oder verbreitet, um dadurch Staatseinrichtungen oder
Anordnungen der Obrigkeit verächtlich zu machen, wird mit Geldstrafe bis zu
600 Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft.

Endlich bestimmt 360 Ur. 11 des Strafgesetzbuches:

Mit Geldstrafe bis zu 150 Mark oder mit Haft wird bestraft, wer groben
Unfug verlibt.

Nimmt man hierzu § 1 des Gesetzes vom 11. März 1850, der lautet:

Die Ortspolizeibeamten sind verpflichtet, die ihnen von der vorgesetzten Staats¬
behörde in Polizciangelegenheiten erteilten Anweisungen zur Ausführung zu bringen-
Jeder, der sich in ihrem Verwaltungsbezirk aufhält oder daselbst ansässig ist, mB
ihren polizeiliche" Anordnungen Folge leiste",

so sieht man, daß die Aufforderungen zum Ungehorsam, die Anreizung
gegen die Besitzenden, die durch offenbare Entstellung beliebte Herabziehnnl!
von Gesetzen und ihre Bezeichnung als staatsgefährliche, die arbeitende Klasse
drückende und auspressende Ausnahme- oder Steuergesetze, die Bezeichnung der¬
selben als Schandgesetze u. s. w. sehr wohl mit gesetzlichen Mitteln zu verfolge"
sind. Allerdings wird mau dabei eine ungleiche Behandlung der Vvlksrednel
vermeiden müssen, es wird z. V. ein hoch angesehener Deutschfreisinniger ebeNI^
gut zur Verantwortung gezogen werden müssen wie ein siizialdemolratisther
Arbeiter, wenn auch der erstere in seinen Gesellschaftskreisen eine einflußreich
Rolle spielt.'

Wenn es nun unter Nummer 3 des eingangs erwähnten Aufsatzes heißt
Man stärke die Verantwortlichkeit und Befugnis der Ortspolizei und weise de^
artige Übertretungen nicht mehr an die Gerichte, so möchten wir statt desf^
vorschlagen: Man kontrolire die Thätigkeit der Ortspolizeibehvrden, auch so ^


Zur Bekämpfung der Sozialdemokratie

Demagogen bewiesen wird, daß all ihr Elend durch Gesetze und Maßregeln
hervorgerufen werde, die die Unterschrift unsers Kaisers und Königs tragen?
Haben wir denn leine gesetzlichen Bestinunmigen, die diesem Verführungsnn-
wesen ein Ziel setzen können? 110 des deutschen Strafgesetzbuches sagt:

Wer öffentlich vor einer Menschenmenge, oder wer durch Verbreitung oder
öffentlichen Anschlag oder öffentliche Ausstellung vo» Schriften oder andern Dar¬
stellungen zum Ungehorsam gegen Gesetze oder rechtsgiltige Verordnungen oder gegen
die von der Obrigkeit innerhalb ihrer Zuständigkeit getroffenen Anordnungen auf¬
fordert, wird mit Geldstrafe bis zu 600 Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei
Jahren bestraft.

tztz 130 und 131 des Strafgesetzbuches lauten:

Wer in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise verschleime Klasse»
der Bevölkerung zu GewalttlMigkeilen gegen einander öffentlich anreizt, wird >»it
Geldstrafe bis zu 600 Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft.

Wer erdichtete oder entstellte Thatsachen, wissend, daß sie erdichtet oder ent¬
stellt sind, öffentlich behauptet oder verbreitet, um dadurch Staatseinrichtungen oder
Anordnungen der Obrigkeit verächtlich zu machen, wird mit Geldstrafe bis zu
600 Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft.

Endlich bestimmt 360 Ur. 11 des Strafgesetzbuches:

Mit Geldstrafe bis zu 150 Mark oder mit Haft wird bestraft, wer groben
Unfug verlibt.

Nimmt man hierzu § 1 des Gesetzes vom 11. März 1850, der lautet:

Die Ortspolizeibeamten sind verpflichtet, die ihnen von der vorgesetzten Staats¬
behörde in Polizciangelegenheiten erteilten Anweisungen zur Ausführung zu bringen-
Jeder, der sich in ihrem Verwaltungsbezirk aufhält oder daselbst ansässig ist, mB
ihren polizeiliche» Anordnungen Folge leiste«,

so sieht man, daß die Aufforderungen zum Ungehorsam, die Anreizung
gegen die Besitzenden, die durch offenbare Entstellung beliebte Herabziehnnl!
von Gesetzen und ihre Bezeichnung als staatsgefährliche, die arbeitende Klasse
drückende und auspressende Ausnahme- oder Steuergesetze, die Bezeichnung der¬
selben als Schandgesetze u. s. w. sehr wohl mit gesetzlichen Mitteln zu verfolge»
sind. Allerdings wird mau dabei eine ungleiche Behandlung der Vvlksrednel
vermeiden müssen, es wird z. V. ein hoch angesehener Deutschfreisinniger ebeNI^
gut zur Verantwortung gezogen werden müssen wie ein siizialdemolratisther
Arbeiter, wenn auch der erstere in seinen Gesellschaftskreisen eine einflußreich
Rolle spielt.'

Wenn es nun unter Nummer 3 des eingangs erwähnten Aufsatzes heißt
Man stärke die Verantwortlichkeit und Befugnis der Ortspolizei und weise de^
artige Übertretungen nicht mehr an die Gerichte, so möchten wir statt desf^
vorschlagen: Man kontrolire die Thätigkeit der Ortspolizeibehvrden, auch so ^


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[0154] Zur Bekämpfung der Sozialdemokratie Demagogen bewiesen wird, daß all ihr Elend durch Gesetze und Maßregeln hervorgerufen werde, die die Unterschrift unsers Kaisers und Königs tragen? Haben wir denn leine gesetzlichen Bestinunmigen, die diesem Verführungsnn- wesen ein Ziel setzen können? 110 des deutschen Strafgesetzbuches sagt: Wer öffentlich vor einer Menschenmenge, oder wer durch Verbreitung oder öffentlichen Anschlag oder öffentliche Ausstellung vo» Schriften oder andern Dar¬ stellungen zum Ungehorsam gegen Gesetze oder rechtsgiltige Verordnungen oder gegen die von der Obrigkeit innerhalb ihrer Zuständigkeit getroffenen Anordnungen auf¬ fordert, wird mit Geldstrafe bis zu 600 Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. tztz 130 und 131 des Strafgesetzbuches lauten: Wer in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise verschleime Klasse» der Bevölkerung zu GewalttlMigkeilen gegen einander öffentlich anreizt, wird >»it Geldstrafe bis zu 600 Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. Wer erdichtete oder entstellte Thatsachen, wissend, daß sie erdichtet oder ent¬ stellt sind, öffentlich behauptet oder verbreitet, um dadurch Staatseinrichtungen oder Anordnungen der Obrigkeit verächtlich zu machen, wird mit Geldstrafe bis zu 600 Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. Endlich bestimmt 360 Ur. 11 des Strafgesetzbuches: Mit Geldstrafe bis zu 150 Mark oder mit Haft wird bestraft, wer groben Unfug verlibt. Nimmt man hierzu § 1 des Gesetzes vom 11. März 1850, der lautet: Die Ortspolizeibeamten sind verpflichtet, die ihnen von der vorgesetzten Staats¬ behörde in Polizciangelegenheiten erteilten Anweisungen zur Ausführung zu bringen- Jeder, der sich in ihrem Verwaltungsbezirk aufhält oder daselbst ansässig ist, mB ihren polizeiliche» Anordnungen Folge leiste«, so sieht man, daß die Aufforderungen zum Ungehorsam, die Anreizung gegen die Besitzenden, die durch offenbare Entstellung beliebte Herabziehnnl! von Gesetzen und ihre Bezeichnung als staatsgefährliche, die arbeitende Klasse drückende und auspressende Ausnahme- oder Steuergesetze, die Bezeichnung der¬ selben als Schandgesetze u. s. w. sehr wohl mit gesetzlichen Mitteln zu verfolge» sind. Allerdings wird mau dabei eine ungleiche Behandlung der Vvlksrednel vermeiden müssen, es wird z. V. ein hoch angesehener Deutschfreisinniger ebeNI^ gut zur Verantwortung gezogen werden müssen wie ein siizialdemolratisther Arbeiter, wenn auch der erstere in seinen Gesellschaftskreisen eine einflußreich Rolle spielt.' Wenn es nun unter Nummer 3 des eingangs erwähnten Aufsatzes heißt Man stärke die Verantwortlichkeit und Befugnis der Ortspolizei und weise de^ artige Übertretungen nicht mehr an die Gerichte, so möchten wir statt desf^ vorschlagen: Man kontrolire die Thätigkeit der Ortspolizeibehvrden, auch so ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/154>, abgerufen am 03.07.2024.