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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Arbeitsämter

Vermittlung ausgesprochen und auf diese Weise ein Schritt in die Gegend
des sozialistischen Zukuuftsgebildes gethan würde. Zweckmäßiger bleibt der
Arbeitsnachweis, wen" wir von der Armenverwaltnng und von Wohlthätigkeits¬
vereinen absehen, den Körperschaften und Verbänden, vielleicht der Gemeinde,
vorbehalten. Die meiste Hoffnung fiir eine erfolgreiche Einrichtung desselben
bieten noch die Berufsgenossenschaften.

Ebenso wenig Verwandtschaft haben die hier befürworteten Arbeitsämter
mit den Einrichtungen desselben Namens, die in dem dem Reichstage vor¬
gelegten sozialdemolrntischen Antrage vom 19. November 1885 zur Abände¬
rung der Gewerbeordnung enthalten Ware". Hiernach sollten ein Neichs-
arbeitsamt zur Überwachung und Ausführung der für die Arbeiter und das
Hilfspersonal erlassenen Schntzbestimmungen, und auf dem Gebiete des deutschen
Reiches in Bezirken von mindestens 200000 und höchstens 400000 Ein¬
wohnern Arbeitsämter mit gleicher Aufgabe gebildet werden. Ein Arbeitsrnt
mit Hilfsbeamten, die zur Hälfte aus den Unternehmern, zur Hälfte aus deu
Arbeitern gewählt werden sollen, bildete die Leitung des Arbeitsamtes, dem
>n der Hauptsache die heute auf die Fabrikinspektoren fallende Thätigkeit und
außerdem die Entrichtung des unentgeltlichen Arbeitsnachweises für seinen Bezirk
Zugedacht wurde.

Diese Vorschläge waren ein Stück aus den Organisativnsplänen eines
sozialen Arbeiterstaates. Sie anzunehmen war schon deshalb kein Grund vor¬
handen, weil im deutschen Reiche seit geraumer Zeit die Einrichtung der Ge-
werbernte oder Fabrikinspektionsbeaniten in Thätigkeit ist, mit dem sogar die
Arbeiter, wie von sozialdemokratischer Seite zugegeben wird, im großen und
ganzen zufrieden sind. Höchstens könnte es sich zur Verschärfung der Wirksam¬
keit dieser Beamten empfehlen, ihre Zahl zu vergrößern und ihre Bezirke zu
Zerkleinern. Etwas Neues an ihre Stelle zu setzen war umso weniger Ver¬
anlassung, als die Unternehmer vermutlich nicht so viel Zeit, als für die
Regelmäßige Wahrnehmung der Geschäfte des Arbeitsamtes erforderlich ge¬
wesen wäre, hätten erübrigen können, mithin die Arbeiter das Heft vollständig
u> der Hand gehabt hätten. Auch die Kosten mußten davon abschrecken. Man
hätte im dentschen Reich etwa 150 Arbeitsämter mit ungefähr 500 Arbeits¬
räten und Gehilfen bekommen. Jede dieser Stellen mit Einschluß der Büreau-
Und Reisekosten zu 3000 Mark angesetzt, hätte bereits einen Gesamtaufwand
^>t anderthalb Millionen Mark ergeben.

^ Sollen bei uns gleichfalls nach dein Vorgänge anßerdeutscher Staaten
Arbeitsämter eingerichtet werden -- und es kann keinem Zweifel unterliegen,
die Notwendigkeit dazu drängen wird --, so geschähe das wohl am besten
Anschluß an das statistische Amt des dentschen Reiches und die statistischen
Zentralstellen in den verschiednen Staaten. Manche Gründe sprechen dafür,
gerade diese Verbindung als wünschenswert erscheinen zu lasse", bei der


Arbeitsämter

Vermittlung ausgesprochen und auf diese Weise ein Schritt in die Gegend
des sozialistischen Zukuuftsgebildes gethan würde. Zweckmäßiger bleibt der
Arbeitsnachweis, wen» wir von der Armenverwaltnng und von Wohlthätigkeits¬
vereinen absehen, den Körperschaften und Verbänden, vielleicht der Gemeinde,
vorbehalten. Die meiste Hoffnung fiir eine erfolgreiche Einrichtung desselben
bieten noch die Berufsgenossenschaften.

Ebenso wenig Verwandtschaft haben die hier befürworteten Arbeitsämter
mit den Einrichtungen desselben Namens, die in dem dem Reichstage vor¬
gelegten sozialdemolrntischen Antrage vom 19. November 1885 zur Abände¬
rung der Gewerbeordnung enthalten Ware». Hiernach sollten ein Neichs-
arbeitsamt zur Überwachung und Ausführung der für die Arbeiter und das
Hilfspersonal erlassenen Schntzbestimmungen, und auf dem Gebiete des deutschen
Reiches in Bezirken von mindestens 200000 und höchstens 400000 Ein¬
wohnern Arbeitsämter mit gleicher Aufgabe gebildet werden. Ein Arbeitsrnt
mit Hilfsbeamten, die zur Hälfte aus den Unternehmern, zur Hälfte aus deu
Arbeitern gewählt werden sollen, bildete die Leitung des Arbeitsamtes, dem
>n der Hauptsache die heute auf die Fabrikinspektoren fallende Thätigkeit und
außerdem die Entrichtung des unentgeltlichen Arbeitsnachweises für seinen Bezirk
Zugedacht wurde.

Diese Vorschläge waren ein Stück aus den Organisativnsplänen eines
sozialen Arbeiterstaates. Sie anzunehmen war schon deshalb kein Grund vor¬
handen, weil im deutschen Reiche seit geraumer Zeit die Einrichtung der Ge-
werbernte oder Fabrikinspektionsbeaniten in Thätigkeit ist, mit dem sogar die
Arbeiter, wie von sozialdemokratischer Seite zugegeben wird, im großen und
ganzen zufrieden sind. Höchstens könnte es sich zur Verschärfung der Wirksam¬
keit dieser Beamten empfehlen, ihre Zahl zu vergrößern und ihre Bezirke zu
Zerkleinern. Etwas Neues an ihre Stelle zu setzen war umso weniger Ver¬
anlassung, als die Unternehmer vermutlich nicht so viel Zeit, als für die
Regelmäßige Wahrnehmung der Geschäfte des Arbeitsamtes erforderlich ge¬
wesen wäre, hätten erübrigen können, mithin die Arbeiter das Heft vollständig
u> der Hand gehabt hätten. Auch die Kosten mußten davon abschrecken. Man
hätte im dentschen Reich etwa 150 Arbeitsämter mit ungefähr 500 Arbeits¬
räten und Gehilfen bekommen. Jede dieser Stellen mit Einschluß der Büreau-
Und Reisekosten zu 3000 Mark angesetzt, hätte bereits einen Gesamtaufwand
^>t anderthalb Millionen Mark ergeben.

^ Sollen bei uns gleichfalls nach dein Vorgänge anßerdeutscher Staaten
Arbeitsämter eingerichtet werden — und es kann keinem Zweifel unterliegen,
die Notwendigkeit dazu drängen wird —, so geschähe das wohl am besten
Anschluß an das statistische Amt des dentschen Reiches und die statistischen
Zentralstellen in den verschiednen Staaten. Manche Gründe sprechen dafür,
gerade diese Verbindung als wünschenswert erscheinen zu lasse», bei der


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[0111] Arbeitsämter Vermittlung ausgesprochen und auf diese Weise ein Schritt in die Gegend des sozialistischen Zukuuftsgebildes gethan würde. Zweckmäßiger bleibt der Arbeitsnachweis, wen» wir von der Armenverwaltnng und von Wohlthätigkeits¬ vereinen absehen, den Körperschaften und Verbänden, vielleicht der Gemeinde, vorbehalten. Die meiste Hoffnung fiir eine erfolgreiche Einrichtung desselben bieten noch die Berufsgenossenschaften. Ebenso wenig Verwandtschaft haben die hier befürworteten Arbeitsämter mit den Einrichtungen desselben Namens, die in dem dem Reichstage vor¬ gelegten sozialdemolrntischen Antrage vom 19. November 1885 zur Abände¬ rung der Gewerbeordnung enthalten Ware». Hiernach sollten ein Neichs- arbeitsamt zur Überwachung und Ausführung der für die Arbeiter und das Hilfspersonal erlassenen Schntzbestimmungen, und auf dem Gebiete des deutschen Reiches in Bezirken von mindestens 200000 und höchstens 400000 Ein¬ wohnern Arbeitsämter mit gleicher Aufgabe gebildet werden. Ein Arbeitsrnt mit Hilfsbeamten, die zur Hälfte aus den Unternehmern, zur Hälfte aus deu Arbeitern gewählt werden sollen, bildete die Leitung des Arbeitsamtes, dem >n der Hauptsache die heute auf die Fabrikinspektoren fallende Thätigkeit und außerdem die Entrichtung des unentgeltlichen Arbeitsnachweises für seinen Bezirk Zugedacht wurde. Diese Vorschläge waren ein Stück aus den Organisativnsplänen eines sozialen Arbeiterstaates. Sie anzunehmen war schon deshalb kein Grund vor¬ handen, weil im deutschen Reiche seit geraumer Zeit die Einrichtung der Ge- werbernte oder Fabrikinspektionsbeaniten in Thätigkeit ist, mit dem sogar die Arbeiter, wie von sozialdemokratischer Seite zugegeben wird, im großen und ganzen zufrieden sind. Höchstens könnte es sich zur Verschärfung der Wirksam¬ keit dieser Beamten empfehlen, ihre Zahl zu vergrößern und ihre Bezirke zu Zerkleinern. Etwas Neues an ihre Stelle zu setzen war umso weniger Ver¬ anlassung, als die Unternehmer vermutlich nicht so viel Zeit, als für die Regelmäßige Wahrnehmung der Geschäfte des Arbeitsamtes erforderlich ge¬ wesen wäre, hätten erübrigen können, mithin die Arbeiter das Heft vollständig u> der Hand gehabt hätten. Auch die Kosten mußten davon abschrecken. Man hätte im dentschen Reich etwa 150 Arbeitsämter mit ungefähr 500 Arbeits¬ räten und Gehilfen bekommen. Jede dieser Stellen mit Einschluß der Büreau- Und Reisekosten zu 3000 Mark angesetzt, hätte bereits einen Gesamtaufwand ^>t anderthalb Millionen Mark ergeben. ^ Sollen bei uns gleichfalls nach dein Vorgänge anßerdeutscher Staaten Arbeitsämter eingerichtet werden — und es kann keinem Zweifel unterliegen, die Notwendigkeit dazu drängen wird —, so geschähe das wohl am besten Anschluß an das statistische Amt des dentschen Reiches und die statistischen Zentralstellen in den verschiednen Staaten. Manche Gründe sprechen dafür, gerade diese Verbindung als wünschenswert erscheinen zu lasse», bei der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/111>, abgerufen am 21.06.2024.