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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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die Notwendigkeit der Arbeitsstatistik. So gelang es im folgenden Jahre das
Unterhaus zu der Erklärung zu bewegen, "daß nach Meinung des Hauses
sofort Schritte gethan werden müßten, um in England eine vollständige und
genaue Sammlung und Veröffentlichung von Arbeitsstatistik zu sichern."
Daraufhin wurde alsbald beim Handelsamt unter der Oberaufsicht des Vor¬
standes der statistischen Abteilung, des Unterstaatssekretärs Sir Robert Gissen,
ein Arbeitsamt errichtet. Die Fühlung mit den Arbeitern suchte man dadurch
zu gewinnen, daß mau den Sekretär des Gewerkvereins der vereinigten Ma-
schinenbaner, John Burnett, als Arbeitskorrespondenten anstellte. Außer diesem
sind zur Zeit noch zehn Unterbeainte mit der Anfertigung der Arbeitsstatistik
beschäftigt, die aber gleichzeitig für andre öffentliche Dienste verwandt werden.

Diese Miuisterialabteilnng ist frisch ans Werk gegangen und hat in der
kurzen Zeit ihres Bestehens bereits verschiedne schätzenswerte Materialien ver¬
öffentlicht, so z. V. über die '1'iAcl<z-Hnicms, über Hanshaltuugsbudgets der
Arbeiter, über die Streiks und Lockouts im Jahre 1888 u.a.in. In Vorbereitung
ist ein Blaubuch über einen Lohnzensus, zu dessen Durchführung nicht weniger
als 78 988 Fragebogen im ganzen Königreich versandt worden sind.

Aber wenn sich diese englischen Bestrebungen auch als tüchtig bezeichnen
lassen und wenn man auch nicht in Abrede stellen kann, daß sie die Kenntnis
von den sozialen Verhältnissen der Arbeiter wesentlich gefordert haben, so ist
doch diese Abteilung beim Handelsamt von der Vollkommenheit eines Arbeits¬
amtes noch weit entfernt. Wenn sie wirklich dem Gesetzgeber in allen ein¬
schlägigen Fragen statistisches Material soll bieten können, so bedarf sie einer
bessern Ausrüstung nach mehreren Richtungen. Es muß ein zahlreicheres
Personal angestellt werden. Es sind sowohl Männer nötig, die auf Reisen
die Arbeiterverhnltuisse gewisser Bezirke erforschen können, als anch Beamte,
die mit der Verarbeitung der Ergebnisse dieser Forschungen betraut werden-
Weiter aber ist es unentbehrlich, die arbeitsstatistische Abteilung mit mehr
Vollmachten als bisher auszustatten. Sie muß berechtigt sein, Behörden,
Privatpersonen, Unternehmer, Körperschaften um mündliche oder schriftliche
Auskunft anzugeben. So zeigt sich also auch das englische Arbeitsamt erst
ans der Anfangsstnfe und besserer Ausbildung noch sehr bedürftig.

So wie sich die Arbeitsämter bis jetzt außerhalb Deutschlands entwickelt
haben, sind sie nicht zu verwechseln mit den Arbeitsnachweisbnreaus oder
Arbeitsbörscn, die mehrfach in größern Städten, zum Teil erst seit wenige"
Jahren, ins Leben getreten sind. Was diese bezwecken, liegt in ihrem Namen
ausgedrückt: sie wollen Stelleusuchenden Beschäftigung nachweisen. Sofern es
sich hierbei bloß um schematiches Nachrichtensammeln handelt, könnte die Auf¬
gabe allerdings dem Arbeitsamte zugemutet werden. Aber es bliebe zu be¬
denken, daß, wenn dem Staate die Regelung des Arbeitsnachweises aufgebürdet
würde, damit gleichzeitig seine Verantwortlichkeit für den Erfolg der Stellen-


die Notwendigkeit der Arbeitsstatistik. So gelang es im folgenden Jahre das
Unterhaus zu der Erklärung zu bewegen, „daß nach Meinung des Hauses
sofort Schritte gethan werden müßten, um in England eine vollständige und
genaue Sammlung und Veröffentlichung von Arbeitsstatistik zu sichern."
Daraufhin wurde alsbald beim Handelsamt unter der Oberaufsicht des Vor¬
standes der statistischen Abteilung, des Unterstaatssekretärs Sir Robert Gissen,
ein Arbeitsamt errichtet. Die Fühlung mit den Arbeitern suchte man dadurch
zu gewinnen, daß mau den Sekretär des Gewerkvereins der vereinigten Ma-
schinenbaner, John Burnett, als Arbeitskorrespondenten anstellte. Außer diesem
sind zur Zeit noch zehn Unterbeainte mit der Anfertigung der Arbeitsstatistik
beschäftigt, die aber gleichzeitig für andre öffentliche Dienste verwandt werden.

Diese Miuisterialabteilnng ist frisch ans Werk gegangen und hat in der
kurzen Zeit ihres Bestehens bereits verschiedne schätzenswerte Materialien ver¬
öffentlicht, so z. V. über die '1'iAcl<z-Hnicms, über Hanshaltuugsbudgets der
Arbeiter, über die Streiks und Lockouts im Jahre 1888 u.a.in. In Vorbereitung
ist ein Blaubuch über einen Lohnzensus, zu dessen Durchführung nicht weniger
als 78 988 Fragebogen im ganzen Königreich versandt worden sind.

Aber wenn sich diese englischen Bestrebungen auch als tüchtig bezeichnen
lassen und wenn man auch nicht in Abrede stellen kann, daß sie die Kenntnis
von den sozialen Verhältnissen der Arbeiter wesentlich gefordert haben, so ist
doch diese Abteilung beim Handelsamt von der Vollkommenheit eines Arbeits¬
amtes noch weit entfernt. Wenn sie wirklich dem Gesetzgeber in allen ein¬
schlägigen Fragen statistisches Material soll bieten können, so bedarf sie einer
bessern Ausrüstung nach mehreren Richtungen. Es muß ein zahlreicheres
Personal angestellt werden. Es sind sowohl Männer nötig, die auf Reisen
die Arbeiterverhnltuisse gewisser Bezirke erforschen können, als anch Beamte,
die mit der Verarbeitung der Ergebnisse dieser Forschungen betraut werden-
Weiter aber ist es unentbehrlich, die arbeitsstatistische Abteilung mit mehr
Vollmachten als bisher auszustatten. Sie muß berechtigt sein, Behörden,
Privatpersonen, Unternehmer, Körperschaften um mündliche oder schriftliche
Auskunft anzugeben. So zeigt sich also auch das englische Arbeitsamt erst
ans der Anfangsstnfe und besserer Ausbildung noch sehr bedürftig.

So wie sich die Arbeitsämter bis jetzt außerhalb Deutschlands entwickelt
haben, sind sie nicht zu verwechseln mit den Arbeitsnachweisbnreaus oder
Arbeitsbörscn, die mehrfach in größern Städten, zum Teil erst seit wenige»
Jahren, ins Leben getreten sind. Was diese bezwecken, liegt in ihrem Namen
ausgedrückt: sie wollen Stelleusuchenden Beschäftigung nachweisen. Sofern es
sich hierbei bloß um schematiches Nachrichtensammeln handelt, könnte die Auf¬
gabe allerdings dem Arbeitsamte zugemutet werden. Aber es bliebe zu be¬
denken, daß, wenn dem Staate die Regelung des Arbeitsnachweises aufgebürdet
würde, damit gleichzeitig seine Verantwortlichkeit für den Erfolg der Stellen-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/110>, abgerufen am 28.12.2024.