Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Deutsch-Vstafnta >

seine Unterthanen, die am Tanganika und Nyassn saßen, Einfluß übte. Diesen
schwarzen Häuptlingen gegenüber "kochte solcher Einfluß- zu gelegentlicher Durch¬
setzung seines Willens geniigen, nicht aber einem europäischen Staate, der beim
Schutze seiner Angehörigen schriftliche Verträge vorwies, in denen jene Häupt-
linge als "unbeschränkte Herren" diesen Gebiet abgetreten hatte". So kam
es, daß Sultan Bnrgasch von Sansibar, als er gegen deu kaiserlichen Schutz-
brief Verwahrung einlegte und im Mai Truppe" nach Wien, Dschagga lind
lisagara abgehen ließ, um die deutschen Erwerbungen rückgängig zu macheu,
vom Fürsten Bismarck ablehnend beschieden und zur Zurückziehung seiner Sol¬
daten aufgefordert wurde. Der Sultan gab auf Ratschlag Englands zunächst
soweit nach, daß er den Vormarsch der Truppen einstellte. Zur Anerkennung
des deutschen Schutzrechts aber ließ er sich erst herbei, als am 7. August 1885
ein Geschwader deutscher Kriegsschiffe vor Sansibar eintraf. Es galt jetzt,
sich mit England zu verständigen, das seit Jahrzehnten an der ostafrikanische"
Küste Faktoreien und Missionen, in den hier ansässigen indischen Kaufleuten
Unterthanen und auf die Regierung von Sansibar bedeutenden Einfluß besaß,
und das auf die Bestrebungen der Deutschen, sich hier festzusetzen lind auszu¬
dehnen, mit Wachsamkeit und wohl auch mit Eifersucht blickte. Zu diesem
Behufe wurden im Dezember 1885 diplomatische Verhandlungen angeknüpft,
die mit dem Londoner Abkommen vom 1. November 1886 ihren Abschluß
fanden. In diesem trat Deutschland der Erklärung von 1862 bei, worin
Großbritannien lind Frankreich die Unabhängigkeit von Sansibar anerkannt
hatten, und beide Mächte erklärte" den Sultan als souveränen Besitzer der
Inseln Sansibar, Pemba, Lau" und Mafia sowie einiger kleinern nicht fern
der zuerst genannten, desgleichen als Souverän in einem Küstenstriche des
Festlandes, der von der Mündung des Miningani bis Kipini reichte und land¬
einwärts zehn Seemeilen breit sein sollte. Im Norden von Kipini sollten den"
Sultan noch die Stationen von Kismajn, Baraba, Marta, Mnkdischn und
Warschech gehören. Auch machte sich Großbritannien zur Unterstützung der
Verhandlungen Deutschlands mit dem Sultan Bargasch verbindlich, die dessen
Verpachtung der Zölle in den Häfen von Dar-es-Salam und Pangani be¬
zweckte". Ferner begrenzte das Londoner Abkommen die Interessenkreise
beider Mächte in diesem Teile des ostafrikanischen Festlandes. "Das Gebiet,
ans das diese Übereinkunft Anwendung findet - heißt es in dem Aktenstücke --,
soll begrenzt sein im Süden durch deu Novnmaflnß und im Norden durch
eine Linie, die, von der Mündung des Tana ausgehend, dem Laufe dieses
Stromes oder seiner Nebenflüsse bis zum Scheidepunkte des Äquators folgt
und dann in gerader Richtung bis zu dem Punkte fortgeht, wo der 1. Grad
nördlicher Breite den 37. Grad östlicher Länge kreuzt. Die Demarkationslinie
soll von der Mündung des Warga oder kunde ausgehen, gerade auf den
Jipe-See zulaufe", dann an dessen Ostufer hingehen und, um das Nordufer


Deutsch-Vstafnta >

seine Unterthanen, die am Tanganika und Nyassn saßen, Einfluß übte. Diesen
schwarzen Häuptlingen gegenüber „kochte solcher Einfluß- zu gelegentlicher Durch¬
setzung seines Willens geniigen, nicht aber einem europäischen Staate, der beim
Schutze seiner Angehörigen schriftliche Verträge vorwies, in denen jene Häupt-
linge als „unbeschränkte Herren" diesen Gebiet abgetreten hatte». So kam
es, daß Sultan Bnrgasch von Sansibar, als er gegen deu kaiserlichen Schutz-
brief Verwahrung einlegte und im Mai Truppe» nach Wien, Dschagga lind
lisagara abgehen ließ, um die deutschen Erwerbungen rückgängig zu macheu,
vom Fürsten Bismarck ablehnend beschieden und zur Zurückziehung seiner Sol¬
daten aufgefordert wurde. Der Sultan gab auf Ratschlag Englands zunächst
soweit nach, daß er den Vormarsch der Truppen einstellte. Zur Anerkennung
des deutschen Schutzrechts aber ließ er sich erst herbei, als am 7. August 1885
ein Geschwader deutscher Kriegsschiffe vor Sansibar eintraf. Es galt jetzt,
sich mit England zu verständigen, das seit Jahrzehnten an der ostafrikanische»
Küste Faktoreien und Missionen, in den hier ansässigen indischen Kaufleuten
Unterthanen und auf die Regierung von Sansibar bedeutenden Einfluß besaß,
und das auf die Bestrebungen der Deutschen, sich hier festzusetzen lind auszu¬
dehnen, mit Wachsamkeit und wohl auch mit Eifersucht blickte. Zu diesem
Behufe wurden im Dezember 1885 diplomatische Verhandlungen angeknüpft,
die mit dem Londoner Abkommen vom 1. November 1886 ihren Abschluß
fanden. In diesem trat Deutschland der Erklärung von 1862 bei, worin
Großbritannien lind Frankreich die Unabhängigkeit von Sansibar anerkannt
hatten, und beide Mächte erklärte» den Sultan als souveränen Besitzer der
Inseln Sansibar, Pemba, Lau» und Mafia sowie einiger kleinern nicht fern
der zuerst genannten, desgleichen als Souverän in einem Küstenstriche des
Festlandes, der von der Mündung des Miningani bis Kipini reichte und land¬
einwärts zehn Seemeilen breit sein sollte. Im Norden von Kipini sollten den«
Sultan noch die Stationen von Kismajn, Baraba, Marta, Mnkdischn und
Warschech gehören. Auch machte sich Großbritannien zur Unterstützung der
Verhandlungen Deutschlands mit dem Sultan Bargasch verbindlich, die dessen
Verpachtung der Zölle in den Häfen von Dar-es-Salam und Pangani be¬
zweckte». Ferner begrenzte das Londoner Abkommen die Interessenkreise
beider Mächte in diesem Teile des ostafrikanischen Festlandes. „Das Gebiet,
ans das diese Übereinkunft Anwendung findet - heißt es in dem Aktenstücke —,
soll begrenzt sein im Süden durch deu Novnmaflnß und im Norden durch
eine Linie, die, von der Mündung des Tana ausgehend, dem Laufe dieses
Stromes oder seiner Nebenflüsse bis zum Scheidepunkte des Äquators folgt
und dann in gerader Richtung bis zu dem Punkte fortgeht, wo der 1. Grad
nördlicher Breite den 37. Grad östlicher Länge kreuzt. Die Demarkationslinie
soll von der Mündung des Warga oder kunde ausgehen, gerade auf den
Jipe-See zulaufe», dann an dessen Ostufer hingehen und, um das Nordufer


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0064" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206709"/>
          <fw type="header" place="top"> Deutsch-Vstafnta &gt;</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_164" prev="#ID_163" next="#ID_165"> seine Unterthanen, die am Tanganika und Nyassn saßen, Einfluß übte. Diesen<lb/>
schwarzen Häuptlingen gegenüber &#x201E;kochte solcher Einfluß- zu gelegentlicher Durch¬<lb/>
setzung seines Willens geniigen, nicht aber einem europäischen Staate, der beim<lb/>
Schutze seiner Angehörigen schriftliche Verträge vorwies, in denen jene Häupt-<lb/>
linge als &#x201E;unbeschränkte Herren" diesen Gebiet abgetreten hatte». So kam<lb/>
es, daß Sultan Bnrgasch von Sansibar, als er gegen deu kaiserlichen Schutz-<lb/>
brief Verwahrung einlegte und im Mai Truppe» nach Wien, Dschagga lind<lb/>
lisagara abgehen ließ, um die deutschen Erwerbungen rückgängig zu macheu,<lb/>
vom Fürsten Bismarck ablehnend beschieden und zur Zurückziehung seiner Sol¬<lb/>
daten aufgefordert wurde. Der Sultan gab auf Ratschlag Englands zunächst<lb/>
soweit nach, daß er den Vormarsch der Truppen einstellte. Zur Anerkennung<lb/>
des deutschen Schutzrechts aber ließ er sich erst herbei, als am 7. August 1885<lb/>
ein Geschwader deutscher Kriegsschiffe vor Sansibar eintraf. Es galt jetzt,<lb/>
sich mit England zu verständigen, das seit Jahrzehnten an der ostafrikanische»<lb/>
Küste Faktoreien und Missionen, in den hier ansässigen indischen Kaufleuten<lb/>
Unterthanen und auf die Regierung von Sansibar bedeutenden Einfluß besaß,<lb/>
und das auf die Bestrebungen der Deutschen, sich hier festzusetzen lind auszu¬<lb/>
dehnen, mit Wachsamkeit und wohl auch mit Eifersucht blickte. Zu diesem<lb/>
Behufe wurden im Dezember 1885 diplomatische Verhandlungen angeknüpft,<lb/>
die mit dem Londoner Abkommen vom 1. November 1886 ihren Abschluß<lb/>
fanden. In diesem trat Deutschland der Erklärung von 1862 bei, worin<lb/>
Großbritannien lind Frankreich die Unabhängigkeit von Sansibar anerkannt<lb/>
hatten, und beide Mächte erklärte» den Sultan als souveränen Besitzer der<lb/>
Inseln Sansibar, Pemba, Lau» und Mafia sowie einiger kleinern nicht fern<lb/>
der zuerst genannten, desgleichen als Souverän in einem Küstenstriche des<lb/>
Festlandes, der von der Mündung des Miningani bis Kipini reichte und land¬<lb/>
einwärts zehn Seemeilen breit sein sollte. Im Norden von Kipini sollten den«<lb/>
Sultan noch die Stationen von Kismajn, Baraba, Marta, Mnkdischn und<lb/>
Warschech gehören. Auch machte sich Großbritannien zur Unterstützung der<lb/>
Verhandlungen Deutschlands mit dem Sultan Bargasch verbindlich, die dessen<lb/>
Verpachtung der Zölle in den Häfen von Dar-es-Salam und Pangani be¬<lb/>
zweckte». Ferner begrenzte das Londoner Abkommen die Interessenkreise<lb/>
beider Mächte in diesem Teile des ostafrikanischen Festlandes. &#x201E;Das Gebiet,<lb/>
ans das diese Übereinkunft Anwendung findet - heißt es in dem Aktenstücke &#x2014;,<lb/>
soll begrenzt sein im Süden durch deu Novnmaflnß und im Norden durch<lb/>
eine Linie, die, von der Mündung des Tana ausgehend, dem Laufe dieses<lb/>
Stromes oder seiner Nebenflüsse bis zum Scheidepunkte des Äquators folgt<lb/>
und dann in gerader Richtung bis zu dem Punkte fortgeht, wo der 1. Grad<lb/>
nördlicher Breite den 37. Grad östlicher Länge kreuzt. Die Demarkationslinie<lb/>
soll von der Mündung des Warga oder kunde ausgehen, gerade auf den<lb/>
Jipe-See zulaufe», dann an dessen Ostufer hingehen und, um das Nordufer</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0064] Deutsch-Vstafnta > seine Unterthanen, die am Tanganika und Nyassn saßen, Einfluß übte. Diesen schwarzen Häuptlingen gegenüber „kochte solcher Einfluß- zu gelegentlicher Durch¬ setzung seines Willens geniigen, nicht aber einem europäischen Staate, der beim Schutze seiner Angehörigen schriftliche Verträge vorwies, in denen jene Häupt- linge als „unbeschränkte Herren" diesen Gebiet abgetreten hatte». So kam es, daß Sultan Bnrgasch von Sansibar, als er gegen deu kaiserlichen Schutz- brief Verwahrung einlegte und im Mai Truppe» nach Wien, Dschagga lind lisagara abgehen ließ, um die deutschen Erwerbungen rückgängig zu macheu, vom Fürsten Bismarck ablehnend beschieden und zur Zurückziehung seiner Sol¬ daten aufgefordert wurde. Der Sultan gab auf Ratschlag Englands zunächst soweit nach, daß er den Vormarsch der Truppen einstellte. Zur Anerkennung des deutschen Schutzrechts aber ließ er sich erst herbei, als am 7. August 1885 ein Geschwader deutscher Kriegsschiffe vor Sansibar eintraf. Es galt jetzt, sich mit England zu verständigen, das seit Jahrzehnten an der ostafrikanische» Küste Faktoreien und Missionen, in den hier ansässigen indischen Kaufleuten Unterthanen und auf die Regierung von Sansibar bedeutenden Einfluß besaß, und das auf die Bestrebungen der Deutschen, sich hier festzusetzen lind auszu¬ dehnen, mit Wachsamkeit und wohl auch mit Eifersucht blickte. Zu diesem Behufe wurden im Dezember 1885 diplomatische Verhandlungen angeknüpft, die mit dem Londoner Abkommen vom 1. November 1886 ihren Abschluß fanden. In diesem trat Deutschland der Erklärung von 1862 bei, worin Großbritannien lind Frankreich die Unabhängigkeit von Sansibar anerkannt hatten, und beide Mächte erklärte» den Sultan als souveränen Besitzer der Inseln Sansibar, Pemba, Lau» und Mafia sowie einiger kleinern nicht fern der zuerst genannten, desgleichen als Souverän in einem Küstenstriche des Festlandes, der von der Mündung des Miningani bis Kipini reichte und land¬ einwärts zehn Seemeilen breit sein sollte. Im Norden von Kipini sollten den« Sultan noch die Stationen von Kismajn, Baraba, Marta, Mnkdischn und Warschech gehören. Auch machte sich Großbritannien zur Unterstützung der Verhandlungen Deutschlands mit dem Sultan Bargasch verbindlich, die dessen Verpachtung der Zölle in den Häfen von Dar-es-Salam und Pangani be¬ zweckte». Ferner begrenzte das Londoner Abkommen die Interessenkreise beider Mächte in diesem Teile des ostafrikanischen Festlandes. „Das Gebiet, ans das diese Übereinkunft Anwendung findet - heißt es in dem Aktenstücke —, soll begrenzt sein im Süden durch deu Novnmaflnß und im Norden durch eine Linie, die, von der Mündung des Tana ausgehend, dem Laufe dieses Stromes oder seiner Nebenflüsse bis zum Scheidepunkte des Äquators folgt und dann in gerader Richtung bis zu dem Punkte fortgeht, wo der 1. Grad nördlicher Breite den 37. Grad östlicher Länge kreuzt. Die Demarkationslinie soll von der Mündung des Warga oder kunde ausgehen, gerade auf den Jipe-See zulaufe», dann an dessen Ostufer hingehen und, um das Nordufer

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/64
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/64>, abgerufen am 23.07.2024.