Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.wiener voltsstücke ihn auf die Probe, die er schlecht besteht --, dünn ein philosophischer Tier¬ Die "Fülle Clömeneeciu" sind nicht eigentlich eine Parodie, das Stück Das Karltheater hat, wie gesagt, weniger Glück mit seinen Aufführungen wiener voltsstücke ihn auf die Probe, die er schlecht besteht —, dünn ein philosophischer Tier¬ Die „Fülle Clömeneeciu" sind nicht eigentlich eine Parodie, das Stück Das Karltheater hat, wie gesagt, weniger Glück mit seinen Aufführungen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0574" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207219"/> <fw type="header" place="top"> wiener voltsstücke</fw><lb/> <p xml:id="ID_1639" prev="#ID_1638"> ihn auf die Probe, die er schlecht besteht —, dünn ein philosophischer Tier¬<lb/> kräutler, der Fleischhauer Schinkengruber, der Seifensieder Pflanz u. a. Wären<lb/> nur nicht auch hier die albernen Couplets!</p><lb/> <p xml:id="ID_1640"> Die „Fülle Clömeneeciu" sind nicht eigentlich eine Parodie, das Stück<lb/> giebt nur einen gedrängten Auszug des Dumasschen Ehebruchstückes, läßt<lb/> aber dadurch dessen Hohlheit um so drastischer hervortreten. Außerdem<lb/> sprechen die Personen der Parodie das, was der Zuschauer in dem Dnmas-<lb/> sehen Stück denkt, laut und in Wienerischer Mundart aus, was von sehr<lb/> großer Wirkung ist. „Giebt es dein? einen Mann, der so namenlos dumm ist,<lb/> daß er mich zur Frau haben will?" fragt die schöne Jsa der Parodie, als<lb/> Clömeneeciu um sie wirbt. „Ja, es giebt einen solchen Dummkopf," erwidert<lb/> schwärmerisch der Freiersmann, „ich bin es!" Wie sie dann verheiratet sind,<lb/> will das Dienstmädchen sehr bald ihren Dienst kündigen. Die Mutter Clvmen-<lb/> eeaus fragt sie, warum. „In diesem Haus kauu ich mir ja keinen Liebhaber<lb/> derhalteu, die grä' Frau spitzt mir's ja alle weg." „Ha, meine Ahnung!" ruft<lb/> die ehrwürdige Matrone, „sie ist also eine solchene." Eine „solchene" bedeutet<lb/> in der Mundart der Wiener Borstädte eine öffentliche Dirne. Zimperliche Leute<lb/> finden dergleichen Scherz zu ausgelassen, und für junge Mädchen ist das allerdings<lb/> nicht. Aber ein Stück wie der „Fall Cbnneneeau" verdient eine so derbe Parodie.</p><lb/> <p xml:id="ID_1641"> Das Karltheater hat, wie gesagt, weniger Glück mit seinen Aufführungen<lb/> gehabt und mußte bisweilen auf Nestroy zurückgreifen, der immer noch wirkt.<lb/> Am besten soll noch „Nigerls Reise nach Paris" gewesen sein, das wir nicht<lb/> gesehen haben. Herr Nigerl ist, wie Fran Sopherl, eine seit einigen Jahren<lb/> in Wien sehr bekannte Figur: ein Wiener Vvrstadtphilister von altem Schlag.<lb/> Er ist eine Schöpfung Eduard Pötzls, des bedeutendsten Wiener Vollsschrift-<lb/> ftellers neben Chiavaeei, dem er zwar nicht an Gemüt und Humor, wohl aber<lb/> an Gestaltungskraft und virtuoser Beherrschung des Dialekts gleichkommt. Bon<lb/> der Bühne ist Herr Nigerl schon lange wieder verschwunden. Eine ziemlich<lb/> lustige Posse, die gleichfalls ein paar Dutzend Borstellnngen auf dem Karl¬<lb/> theater erlebt hat, war „Annagasse Ur. 27" von L. K'renn und Fr. Schauberg.<lb/> Die Hauptfigur ist hier der Schuhmachermeister Jakob Fleck. Fleck hat<lb/> zwanzig Jahre bei der Kavallerie gedient, ist nun Fahnträger bei den „Veteranen"<lb/> und fehlt als solcher bei keiner „Leich". Nachdem er der tausendsten „Leich"<lb/> das Geleite gegeben, wird ihm von seinen Vereinsgenossen ein Lorbeerkranz<lb/> überreicht. Die Wirtschaft in seinem Hause wird sehr lustig abgeschildert; das<lb/> Töchterlein Eva, der Geselle Adam, Edl, der Lehrjunge, der Hausherr Thcobal'o<lb/> Wurzinger und der Agent Hasenkopf find gut getroffene Figuren aus dein Wiener<lb/> Kleinleben, aber die Darstellung -- insbesondre der Fleck Blasels — leidet an<lb/> Übertreibung. Wir glauben nicht, daß es Wiener giebt, wie Blasel sie dar¬<lb/> stellt; er liefert nur immer Karrikaturen, keine Abbilder des wirklichen Lebens.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0574]
wiener voltsstücke
ihn auf die Probe, die er schlecht besteht —, dünn ein philosophischer Tier¬
kräutler, der Fleischhauer Schinkengruber, der Seifensieder Pflanz u. a. Wären
nur nicht auch hier die albernen Couplets!
Die „Fülle Clömeneeciu" sind nicht eigentlich eine Parodie, das Stück
giebt nur einen gedrängten Auszug des Dumasschen Ehebruchstückes, läßt
aber dadurch dessen Hohlheit um so drastischer hervortreten. Außerdem
sprechen die Personen der Parodie das, was der Zuschauer in dem Dnmas-
sehen Stück denkt, laut und in Wienerischer Mundart aus, was von sehr
großer Wirkung ist. „Giebt es dein? einen Mann, der so namenlos dumm ist,
daß er mich zur Frau haben will?" fragt die schöne Jsa der Parodie, als
Clömeneeciu um sie wirbt. „Ja, es giebt einen solchen Dummkopf," erwidert
schwärmerisch der Freiersmann, „ich bin es!" Wie sie dann verheiratet sind,
will das Dienstmädchen sehr bald ihren Dienst kündigen. Die Mutter Clvmen-
eeaus fragt sie, warum. „In diesem Haus kauu ich mir ja keinen Liebhaber
derhalteu, die grä' Frau spitzt mir's ja alle weg." „Ha, meine Ahnung!" ruft
die ehrwürdige Matrone, „sie ist also eine solchene." Eine „solchene" bedeutet
in der Mundart der Wiener Borstädte eine öffentliche Dirne. Zimperliche Leute
finden dergleichen Scherz zu ausgelassen, und für junge Mädchen ist das allerdings
nicht. Aber ein Stück wie der „Fall Cbnneneeau" verdient eine so derbe Parodie.
Das Karltheater hat, wie gesagt, weniger Glück mit seinen Aufführungen
gehabt und mußte bisweilen auf Nestroy zurückgreifen, der immer noch wirkt.
Am besten soll noch „Nigerls Reise nach Paris" gewesen sein, das wir nicht
gesehen haben. Herr Nigerl ist, wie Fran Sopherl, eine seit einigen Jahren
in Wien sehr bekannte Figur: ein Wiener Vvrstadtphilister von altem Schlag.
Er ist eine Schöpfung Eduard Pötzls, des bedeutendsten Wiener Vollsschrift-
ftellers neben Chiavaeei, dem er zwar nicht an Gemüt und Humor, wohl aber
an Gestaltungskraft und virtuoser Beherrschung des Dialekts gleichkommt. Bon
der Bühne ist Herr Nigerl schon lange wieder verschwunden. Eine ziemlich
lustige Posse, die gleichfalls ein paar Dutzend Borstellnngen auf dem Karl¬
theater erlebt hat, war „Annagasse Ur. 27" von L. K'renn und Fr. Schauberg.
Die Hauptfigur ist hier der Schuhmachermeister Jakob Fleck. Fleck hat
zwanzig Jahre bei der Kavallerie gedient, ist nun Fahnträger bei den „Veteranen"
und fehlt als solcher bei keiner „Leich". Nachdem er der tausendsten „Leich"
das Geleite gegeben, wird ihm von seinen Vereinsgenossen ein Lorbeerkranz
überreicht. Die Wirtschaft in seinem Hause wird sehr lustig abgeschildert; das
Töchterlein Eva, der Geselle Adam, Edl, der Lehrjunge, der Hausherr Thcobal'o
Wurzinger und der Agent Hasenkopf find gut getroffene Figuren aus dein Wiener
Kleinleben, aber die Darstellung -- insbesondre der Fleck Blasels — leidet an
Übertreibung. Wir glauben nicht, daß es Wiener giebt, wie Blasel sie dar¬
stellt; er liefert nur immer Karrikaturen, keine Abbilder des wirklichen Lebens.
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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
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