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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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glänzenderen Namen in der Kriegsgeschichte gemacht als Prendel; aber wenn
man seinem Biographen trauen darf, wäre er neben den Genannten etwas un¬
verdient in Vergessenheit geraten.

Schon in einem der Rheinfeldzügc befehligte er eine österreichische Streif¬
wache, wurde schwer am Kopfe verwundet, gefangen genommen und nach Paris,
später nach Lyon gebracht. Durch Zufall entkam er, nachdem er wochenlang
die Greuel des Fallbeilregiments dicht vor seinen Gefängnisfenstern hatte mit
ansehen müssen, gelaugte glücklich in die Heimat und nahm wieder Dienste. Im
italienischen Feldzuge als Husarenrittmeister erscheint er bereits als kühner
Parteigänger. Hier kam er aber zum erstenmale mit russischen Soldaten in
Berührung, die er sofort weit über die österreichischen stellte; namentlich be¬
geisterte er sich für die Kosaken und ihre vorzügliche Fähigkeit zum Partisan¬
dienst, und von nun an verließ ihn nicht mehr der Wunsch, in russische Dienste
überzutreten. Dieser Wunsch ging endlich im Jahre 1804 in Erfüllung. Bei
Austerlitz that er sich zum erstenmale als russischer Parteigänger hervor, und
bis zum Jahre 1813 nahm er nun als solcher fast an allen größern Schlachten
teil, wurde aber außerdem zu einer Menge der mannichfaltigsten militärischen
und diplomatischen Aufträge verwendet. 1813 wurde er unter General
Wintzingervde nach dem Gefecht bei Kalisch zum Obersten befördert und war
dann bis zur Schlacht bei Leipzig unausgesetzt auf sächsischem Boden mit seinen
Kosaken als verwegener und glücklicher Parteigänger thätig. Nach dem Ein¬
zuge der Verbündeten ernannte ihn Kaiser Alexander persönlich zum Komman¬
danten der Stadt. Als er das Kommando antrat, übernahm er als Gefangene
23 Generale, 700 Offiziere und 19 000 Soldaten, außerdem 51 000 Verwundete
und Kranke. Hiernach wird man sein Auftreten in den ersten Wochen in Leipzig
begreifen und würdigen.

Von 1816 bis 1818 war er Kommandant der Militärstraße von Alten¬
burg") und Direktor der deutschen Lnzarethe; 1819 kehrte er nach Rußland zurück
und blieb im russischen Militärdienste noch bis zum Jahre 1835, nachdem er
1831 zum Generalmajor befördert worden war. Gestorben ist er 86jährig am
29. Oktober 1852 in Kiew.

In einer Reihe der merkwürdigsten Züge schildert der Biograph die Per¬
sönlichkeit und den Charakter Prendels. Aus allem geht hervor, daß er eine
ganz eigentümliche, ja bis zum Sonderling ungewöhnliche Erscheinung war. Am
Soldatenleben zog ihn nnr die poetische Seite an; nur wo es Gefahr gab,



*) Aus dieser Zeit (Juni 1316) verwahrt der Berein für die Geschichte Leipzigs unter
Glas und Rahmen folgenden eigenhändigen Brief von ihm ans Altenburg an eine bekannte
Leipziger Tabaksfabrik: Das Bliz Hagel und Donnerwetter soll in die Krellerische Tabak
Fabrik fahren, wenn ich die bestellten 12 Ä Tabak nicht schnell erhalte, und zwar jedes S in
ein x-x^use). glauben Sie nicht das die Kosiaken zum lezten male in Leipzig waren, soviel
für heute von Ihrem Freund Prendel-

glänzenderen Namen in der Kriegsgeschichte gemacht als Prendel; aber wenn
man seinem Biographen trauen darf, wäre er neben den Genannten etwas un¬
verdient in Vergessenheit geraten.

Schon in einem der Rheinfeldzügc befehligte er eine österreichische Streif¬
wache, wurde schwer am Kopfe verwundet, gefangen genommen und nach Paris,
später nach Lyon gebracht. Durch Zufall entkam er, nachdem er wochenlang
die Greuel des Fallbeilregiments dicht vor seinen Gefängnisfenstern hatte mit
ansehen müssen, gelaugte glücklich in die Heimat und nahm wieder Dienste. Im
italienischen Feldzuge als Husarenrittmeister erscheint er bereits als kühner
Parteigänger. Hier kam er aber zum erstenmale mit russischen Soldaten in
Berührung, die er sofort weit über die österreichischen stellte; namentlich be¬
geisterte er sich für die Kosaken und ihre vorzügliche Fähigkeit zum Partisan¬
dienst, und von nun an verließ ihn nicht mehr der Wunsch, in russische Dienste
überzutreten. Dieser Wunsch ging endlich im Jahre 1804 in Erfüllung. Bei
Austerlitz that er sich zum erstenmale als russischer Parteigänger hervor, und
bis zum Jahre 1813 nahm er nun als solcher fast an allen größern Schlachten
teil, wurde aber außerdem zu einer Menge der mannichfaltigsten militärischen
und diplomatischen Aufträge verwendet. 1813 wurde er unter General
Wintzingervde nach dem Gefecht bei Kalisch zum Obersten befördert und war
dann bis zur Schlacht bei Leipzig unausgesetzt auf sächsischem Boden mit seinen
Kosaken als verwegener und glücklicher Parteigänger thätig. Nach dem Ein¬
zuge der Verbündeten ernannte ihn Kaiser Alexander persönlich zum Komman¬
danten der Stadt. Als er das Kommando antrat, übernahm er als Gefangene
23 Generale, 700 Offiziere und 19 000 Soldaten, außerdem 51 000 Verwundete
und Kranke. Hiernach wird man sein Auftreten in den ersten Wochen in Leipzig
begreifen und würdigen.

Von 1816 bis 1818 war er Kommandant der Militärstraße von Alten¬
burg") und Direktor der deutschen Lnzarethe; 1819 kehrte er nach Rußland zurück
und blieb im russischen Militärdienste noch bis zum Jahre 1835, nachdem er
1831 zum Generalmajor befördert worden war. Gestorben ist er 86jährig am
29. Oktober 1852 in Kiew.

In einer Reihe der merkwürdigsten Züge schildert der Biograph die Per¬
sönlichkeit und den Charakter Prendels. Aus allem geht hervor, daß er eine
ganz eigentümliche, ja bis zum Sonderling ungewöhnliche Erscheinung war. Am
Soldatenleben zog ihn nnr die poetische Seite an; nur wo es Gefahr gab,



*) Aus dieser Zeit (Juni 1316) verwahrt der Berein für die Geschichte Leipzigs unter
Glas und Rahmen folgenden eigenhändigen Brief von ihm ans Altenburg an eine bekannte
Leipziger Tabaksfabrik: Das Bliz Hagel und Donnerwetter soll in die Krellerische Tabak
Fabrik fahren, wenn ich die bestellten 12 Ä Tabak nicht schnell erhalte, und zwar jedes S in
ein x-x^use). glauben Sie nicht das die Kosiaken zum lezten male in Leipzig waren, soviel
für heute von Ihrem Freund Prendel-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/519>, abgerufen am 23.07.2024.