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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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wie ich Herrn Mathem kennen lernte

Äußere deutete auf Zugehörigkeit zu den sogenannten bessern Klassen. Aber
sein Anzug -- Strohhut, kurze Sommerjacke mit aufgekrempten Kragen, helle
Beinkleider und Schuhe mit Gummieinsätzen -- sah, wenn man die Jahreszeit
in Betracht zog, etwas herabgekommen aus, sodaß ich schließlich doch in Un¬
gewißheit blieb, wes Geistes Kind ich vor mir hatte.

Darf ich mir erlauben, zu fragen, mit wein ich die Ehre habe? sagte er.

Ich gab ihm die gewünschte Aufklärung, und er fuhr fort: Ich war mit
einem jungen Manne dieses Namens auf der Akademie zu Herlufshvlm zu¬
sammen; war das vielleicht ein Bruder von Ihnen?

Nein, entgegnete ich, es muß mein Vetter gewesen sein. Sie sind also
Student?

Nicht so ganz, ich kam nicht so weit. Ich will Ihnen sagen, ich dachte
so: es ist doch die reine Zeitverschwendung, all das Geschwätz in sich auf-
zunehmen, womit man in solchen Anstalten gepfropft wird, und deshalb trat
ich in der dritten Klasse aus. Jnger, das war mir immer die größte Lust,
und da war es doch ganz natürlich, daß ich mich dem Forstwesen widmete.

Genuß, das begreife ich sehr wohl, antwortete ich, auch ich untre zufrieden
gewesen/wenn ich anstatt Jurist Forstmann geworden wäre!

Ah! Sie sind Jurist! rief er aus; eigentlich habe ich auch einmal daran
gedacht, Jurist zu werden.

Aber Sie sind Forstmann geblieben, wandte ich ein.

Ja, wie mens nimmt. Ich bin praktischer Forstmann, das heißt, ich
bin, ohne Selbstlob, ein braver Jägersmann und guter Schütze geworden; aber
Algebra und Trigonometrie und wie all der Plunder heißt, worin man fest
sein muß, um Forstkandidat zu werden, damit habe ich mich allerdings nicht
befaßt. Sagen Sie selbst: glauben Sie, daß es etwas nützt, eine Logarithmen¬
tafel in der Tasche zu haben, wenn man auf eine Schnepfe zielt?

Ich beeilte mich, meinem neuen Freunde zu versichern, daß ich einen solchen
Glanben durchaus nicht hegte, und da ich den Entenzug nun aufgegeben hatte,
so ginge" wir zusammen nach der Stadt zurück.

Sie wollten also Jurist werden? sagte ich und nahm damit das unter¬
brochene Gespräch wieder auf.

Nein, bei allen Heiligen, das konnte mir nicht einfallen! Ich habe mich
nie mit Gesetzverdrehnngeu und Advokatenkniffen befreunden können, aber meine
Familie wollte es durchaus, und da bereitete ich mich ein Jahr laug oder so
etwas auf das kleine juristische Examen vor; das heißt, ich bereitete mich
eigentlich uicht vor, denn ich verbrachte die meiste Zeit auf dem Lande bei
einem guten Freunde, der ein Gut mit einem prächtigen Wildmoor hatte.
Und eine Bekafsinenjagd, sage ich Ihnen, war dort! und doch ist sie so gut
wie nichts im Vergleich mit der in Jütland, namentlich in den Gegenden um
deu Limfjvrd, das sollten Sie sehen!


wie ich Herrn Mathem kennen lernte

Äußere deutete auf Zugehörigkeit zu den sogenannten bessern Klassen. Aber
sein Anzug — Strohhut, kurze Sommerjacke mit aufgekrempten Kragen, helle
Beinkleider und Schuhe mit Gummieinsätzen — sah, wenn man die Jahreszeit
in Betracht zog, etwas herabgekommen aus, sodaß ich schließlich doch in Un¬
gewißheit blieb, wes Geistes Kind ich vor mir hatte.

Darf ich mir erlauben, zu fragen, mit wein ich die Ehre habe? sagte er.

Ich gab ihm die gewünschte Aufklärung, und er fuhr fort: Ich war mit
einem jungen Manne dieses Namens auf der Akademie zu Herlufshvlm zu¬
sammen; war das vielleicht ein Bruder von Ihnen?

Nein, entgegnete ich, es muß mein Vetter gewesen sein. Sie sind also
Student?

Nicht so ganz, ich kam nicht so weit. Ich will Ihnen sagen, ich dachte
so: es ist doch die reine Zeitverschwendung, all das Geschwätz in sich auf-
zunehmen, womit man in solchen Anstalten gepfropft wird, und deshalb trat
ich in der dritten Klasse aus. Jnger, das war mir immer die größte Lust,
und da war es doch ganz natürlich, daß ich mich dem Forstwesen widmete.

Genuß, das begreife ich sehr wohl, antwortete ich, auch ich untre zufrieden
gewesen/wenn ich anstatt Jurist Forstmann geworden wäre!

Ah! Sie sind Jurist! rief er aus; eigentlich habe ich auch einmal daran
gedacht, Jurist zu werden.

Aber Sie sind Forstmann geblieben, wandte ich ein.

Ja, wie mens nimmt. Ich bin praktischer Forstmann, das heißt, ich
bin, ohne Selbstlob, ein braver Jägersmann und guter Schütze geworden; aber
Algebra und Trigonometrie und wie all der Plunder heißt, worin man fest
sein muß, um Forstkandidat zu werden, damit habe ich mich allerdings nicht
befaßt. Sagen Sie selbst: glauben Sie, daß es etwas nützt, eine Logarithmen¬
tafel in der Tasche zu haben, wenn man auf eine Schnepfe zielt?

Ich beeilte mich, meinem neuen Freunde zu versichern, daß ich einen solchen
Glanben durchaus nicht hegte, und da ich den Entenzug nun aufgegeben hatte,
so ginge» wir zusammen nach der Stadt zurück.

Sie wollten also Jurist werden? sagte ich und nahm damit das unter¬
brochene Gespräch wieder auf.

Nein, bei allen Heiligen, das konnte mir nicht einfallen! Ich habe mich
nie mit Gesetzverdrehnngeu und Advokatenkniffen befreunden können, aber meine
Familie wollte es durchaus, und da bereitete ich mich ein Jahr laug oder so
etwas auf das kleine juristische Examen vor; das heißt, ich bereitete mich
eigentlich uicht vor, denn ich verbrachte die meiste Zeit auf dem Lande bei
einem guten Freunde, der ein Gut mit einem prächtigen Wildmoor hatte.
Und eine Bekafsinenjagd, sage ich Ihnen, war dort! und doch ist sie so gut
wie nichts im Vergleich mit der in Jütland, namentlich in den Gegenden um
deu Limfjvrd, das sollten Sie sehen!


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/478>, abgerufen am 23.07.2024.