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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Allerhand Sprachdmnmheiten

Schriften Fechners von Herrn Stabsarzt or. Müller, welches derselbe
Fechnern zum achtzigsten Geburtstage überreicht hatte, zu Grunde legen zu
können -- es finden sich in der Schrift bisweilen originelle Kombinationen;
dieselben sind aber doch völlig wertlos -- man wird sich bescheiden müssen,
auf dem Boden der gegebenen Verhältnisse zu bleiben und dieselben so zu
gestalten, daß u, s, w. -- freilich gehört Anlagekapital dazu; dasselbe verzinst
sich aber gut -- für die lokale F?ier sind entsprechende Festlichkeiten in Aus¬
sicht genommen; denselben werden geistliche Festlichkeiten vorausgehen. Recht
deutlich sieht man die greuliche Vermengung von er und dieser in einem
Satze wie dem folgenden: Wenn ich den Artikel recht verstanden habe, so be¬
tont derselbe (er!) die große Nachsicht, die mir das Publikum erwiesen hat,
und bezeichnet dieselbe (diese!) als eine (!) nicht durchaus verdiente. Ein
Zeitungsschreiber kann heutzutage nicht eine Mitteilung vou drei Zeilen machen
ohne derselbe! Erst wenn derselbe drin steht, dann hat die Sache die
nötige Wichtigkeit: Vergangene Nacht 11 Uhr kam Graf Rantzau von Berlin
hier an. Derselbe reiste 11 Uhr 50 Minuten weiter nach München. Daß
man nur ja nicht etwa denke, es wäre ein andrer weiter gereist! nein nein,
es war derselbe. Schließlich erregte noch ein neues Instrument allgemeine
Bewunderung; dasselbe war zum erstenmale in Thätigkeit u. s. w. Ach, und
wenn nun erst die herrliche Inversion dazukommt (der Verdacht lenkte sich
sofort auf den wegen Nachlässigkeit bekannten Hausmann, und wurde der¬
selbe in einem Bodenraum erhängt aufgefunden) und wenn gar die Inversion
nur zu dem Zwecke angebracht wird, um auch das herrliche derselbe an¬
bringen zu können, oder umgekehrt (die Zigarren erheben sich weit über das
gewöhnliche Niveau, und gehören dieselben zu dem Besten u. s. w.), dann
schwillt die stolze Reporterbrust, er weiß, daß er dem großen Gedanken den
edelsten Ausdruck verliehen hat! Ein bekanntes Geschichtchen erzählt, daß ein
Lehrer in der Stunde gefragt habe: Wie viel Elemente giebt es, und wie
heißen sie? Der Schüler habe geantwortet: Es giebt vier Elemente, und ich
heiße Müller. Das kommt davon, wenn man sich so niedrig ausdrückt!
Warum hat er nicht vornehm gefragt: und wie heißen dieselben!

Aber es ist ja nicht bloß er und dieser, das durch den unsinnigen Mi߬
brauch verdrängt wird; er frißt weiter, viel weiter. In lebendiger, natürlicher
Rede haben wir die leichten, zierlichen Adverbia: darin, daraus, daran,
darauf, damit, darum, dafür, da bei u. f. w.; jeder braucht sie hundertmal
des Tags. Aber sowie einer die Feder ergreift -- wehe den Armen! Dann
heißt es: in demselben, aus demselben, auf demselben, mit demselben ^.....
auch in dieser Gestalt Storche das langbeinige Ungetüm überall durch die Sätze.
Alles Prunkvolle will das Denkmal vermeiden, nur das Allgemeinmenschliche
soll in demselben (darin!) betont erscheinen -- die Russen haben nun einmal
die Rolle des Störenfrieds und scheinen sich in derselben (darin!) sehr wohl


Allerhand Sprachdmnmheiten

Schriften Fechners von Herrn Stabsarzt or. Müller, welches derselbe
Fechnern zum achtzigsten Geburtstage überreicht hatte, zu Grunde legen zu
können — es finden sich in der Schrift bisweilen originelle Kombinationen;
dieselben sind aber doch völlig wertlos — man wird sich bescheiden müssen,
auf dem Boden der gegebenen Verhältnisse zu bleiben und dieselben so zu
gestalten, daß u, s, w. — freilich gehört Anlagekapital dazu; dasselbe verzinst
sich aber gut — für die lokale F?ier sind entsprechende Festlichkeiten in Aus¬
sicht genommen; denselben werden geistliche Festlichkeiten vorausgehen. Recht
deutlich sieht man die greuliche Vermengung von er und dieser in einem
Satze wie dem folgenden: Wenn ich den Artikel recht verstanden habe, so be¬
tont derselbe (er!) die große Nachsicht, die mir das Publikum erwiesen hat,
und bezeichnet dieselbe (diese!) als eine (!) nicht durchaus verdiente. Ein
Zeitungsschreiber kann heutzutage nicht eine Mitteilung vou drei Zeilen machen
ohne derselbe! Erst wenn derselbe drin steht, dann hat die Sache die
nötige Wichtigkeit: Vergangene Nacht 11 Uhr kam Graf Rantzau von Berlin
hier an. Derselbe reiste 11 Uhr 50 Minuten weiter nach München. Daß
man nur ja nicht etwa denke, es wäre ein andrer weiter gereist! nein nein,
es war derselbe. Schließlich erregte noch ein neues Instrument allgemeine
Bewunderung; dasselbe war zum erstenmale in Thätigkeit u. s. w. Ach, und
wenn nun erst die herrliche Inversion dazukommt (der Verdacht lenkte sich
sofort auf den wegen Nachlässigkeit bekannten Hausmann, und wurde der¬
selbe in einem Bodenraum erhängt aufgefunden) und wenn gar die Inversion
nur zu dem Zwecke angebracht wird, um auch das herrliche derselbe an¬
bringen zu können, oder umgekehrt (die Zigarren erheben sich weit über das
gewöhnliche Niveau, und gehören dieselben zu dem Besten u. s. w.), dann
schwillt die stolze Reporterbrust, er weiß, daß er dem großen Gedanken den
edelsten Ausdruck verliehen hat! Ein bekanntes Geschichtchen erzählt, daß ein
Lehrer in der Stunde gefragt habe: Wie viel Elemente giebt es, und wie
heißen sie? Der Schüler habe geantwortet: Es giebt vier Elemente, und ich
heiße Müller. Das kommt davon, wenn man sich so niedrig ausdrückt!
Warum hat er nicht vornehm gefragt: und wie heißen dieselben!

Aber es ist ja nicht bloß er und dieser, das durch den unsinnigen Mi߬
brauch verdrängt wird; er frißt weiter, viel weiter. In lebendiger, natürlicher
Rede haben wir die leichten, zierlichen Adverbia: darin, daraus, daran,
darauf, damit, darum, dafür, da bei u. f. w.; jeder braucht sie hundertmal
des Tags. Aber sowie einer die Feder ergreift — wehe den Armen! Dann
heißt es: in demselben, aus demselben, auf demselben, mit demselben ^.....
auch in dieser Gestalt Storche das langbeinige Ungetüm überall durch die Sätze.
Alles Prunkvolle will das Denkmal vermeiden, nur das Allgemeinmenschliche
soll in demselben (darin!) betont erscheinen — die Russen haben nun einmal
die Rolle des Störenfrieds und scheinen sich in derselben (darin!) sehr wohl


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[0426] Allerhand Sprachdmnmheiten Schriften Fechners von Herrn Stabsarzt or. Müller, welches derselbe Fechnern zum achtzigsten Geburtstage überreicht hatte, zu Grunde legen zu können — es finden sich in der Schrift bisweilen originelle Kombinationen; dieselben sind aber doch völlig wertlos — man wird sich bescheiden müssen, auf dem Boden der gegebenen Verhältnisse zu bleiben und dieselben so zu gestalten, daß u, s, w. — freilich gehört Anlagekapital dazu; dasselbe verzinst sich aber gut — für die lokale F?ier sind entsprechende Festlichkeiten in Aus¬ sicht genommen; denselben werden geistliche Festlichkeiten vorausgehen. Recht deutlich sieht man die greuliche Vermengung von er und dieser in einem Satze wie dem folgenden: Wenn ich den Artikel recht verstanden habe, so be¬ tont derselbe (er!) die große Nachsicht, die mir das Publikum erwiesen hat, und bezeichnet dieselbe (diese!) als eine (!) nicht durchaus verdiente. Ein Zeitungsschreiber kann heutzutage nicht eine Mitteilung vou drei Zeilen machen ohne derselbe! Erst wenn derselbe drin steht, dann hat die Sache die nötige Wichtigkeit: Vergangene Nacht 11 Uhr kam Graf Rantzau von Berlin hier an. Derselbe reiste 11 Uhr 50 Minuten weiter nach München. Daß man nur ja nicht etwa denke, es wäre ein andrer weiter gereist! nein nein, es war derselbe. Schließlich erregte noch ein neues Instrument allgemeine Bewunderung; dasselbe war zum erstenmale in Thätigkeit u. s. w. Ach, und wenn nun erst die herrliche Inversion dazukommt (der Verdacht lenkte sich sofort auf den wegen Nachlässigkeit bekannten Hausmann, und wurde der¬ selbe in einem Bodenraum erhängt aufgefunden) und wenn gar die Inversion nur zu dem Zwecke angebracht wird, um auch das herrliche derselbe an¬ bringen zu können, oder umgekehrt (die Zigarren erheben sich weit über das gewöhnliche Niveau, und gehören dieselben zu dem Besten u. s. w.), dann schwillt die stolze Reporterbrust, er weiß, daß er dem großen Gedanken den edelsten Ausdruck verliehen hat! Ein bekanntes Geschichtchen erzählt, daß ein Lehrer in der Stunde gefragt habe: Wie viel Elemente giebt es, und wie heißen sie? Der Schüler habe geantwortet: Es giebt vier Elemente, und ich heiße Müller. Das kommt davon, wenn man sich so niedrig ausdrückt! Warum hat er nicht vornehm gefragt: und wie heißen dieselben! Aber es ist ja nicht bloß er und dieser, das durch den unsinnigen Mi߬ brauch verdrängt wird; er frißt weiter, viel weiter. In lebendiger, natürlicher Rede haben wir die leichten, zierlichen Adverbia: darin, daraus, daran, darauf, damit, darum, dafür, da bei u. f. w.; jeder braucht sie hundertmal des Tags. Aber sowie einer die Feder ergreift — wehe den Armen! Dann heißt es: in demselben, aus demselben, auf demselben, mit demselben ^..... auch in dieser Gestalt Storche das langbeinige Ungetüm überall durch die Sätze. Alles Prunkvolle will das Denkmal vermeiden, nur das Allgemeinmenschliche soll in demselben (darin!) betont erscheinen — die Russen haben nun einmal die Rolle des Störenfrieds und scheinen sich in derselben (darin!) sehr wohl

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/426>, abgerufen am 23.07.2024.