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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Denkwürdigkeiten des Herzogs von Uolnirg

Österreich den Herzog Friedrich niemals anerkennen und, sollte der Bund
einen solchen Schritt thun, sich gezwungen sehen werde, auszutreten,"

Weiter berichtet der Verfasser: "Inzwischen trat die preußische Re¬
gierung in der Sache der Bundesreform selbst mehr und mehr hervor, und
man konnte sich in Wien nicht täuschen, daß Herr von Bismarck ein tiefein-
schneideudes Programm verfolgte, daß den Ausschluß Österreichs aus dem
deutschen Bunde herbeiführen mußte. In Frankfurt empfand man bereits
deutlich die Wendung der preußischen Politik, die auf eine Verbindung der
Schleswig-holsteinischen mit der deutschen Frage hinausging." In Kiel dagegen
wollte man nicht die Einsicht gewinnen, daß die Zeit der Verständigung mit
Preußen um jeden Preis herangekommen war, und daß es sich nur darum
handeln konnte, diejenigen günstigsten Bedingungen zu erlangen, nnter denen
die Interessen des Augusten burgischen Hauses mit denen der Krone Preußens
vereinbar waren. Bei dem entschiednen Festhalten des Königs an den von
ihm für heilig gehaltenen Legitimitätsprinzipien und bei dein Umstände, daß
Samwer nnter allen Umständen sich Vonseiten des Kronprinzen eines gewissen
Wohlwollens zu erfreuen hatte, würde eine offene Erklärung und Verhandlung
über die an Preußen abzutretenden Hoheitsrechte jetzt noch von sicherm s?>
Erfolge begleitet gewesen sein. In den Herzogtümern war damals das an sich
ganz verständige Wort von einer erblichen Statthalterschaft der Angustenburger
vielfach aufgekommen, aber leider hatte es sofort einen ironischen Beigeschmack
erhalten. Samwer gab mir selbst in Frankfurt die sonderbare Versicherung,
es könne Preußen, wenn es wolle, ohnehin nicht verhindert werden, das ganze
Holstein und Schleswig zu verschlingen, es bliebe also nur übrig, daß mau
auf das absolute Recht sich steife und die ganze Souveränität der legitimen
Dynastie in Anspruch nehme. Von der preußischen Partei setzte man in den
Augustenburgischen Kreisen seit Mitte März voraus, daß die Annexion ihr
Ziel sei, aber Samwer behauptete, der König habe das Gegenteil ausgesprochen."
Unter der übrigen Bevölkerung war die Begeisterung für deu "Herzog" Friedrich
und seine Umgebung allmählich erkaltet. Gegen seine Räte erhoben sich Neid
und Mißgunst, und auf der Delegirtenversammlung, die Ende März zu Rends¬
burg stattfand, wurde gegen die "Emigrantenpolitik" gesprochen, die an einem
gewissen Orte, den man nicht zu nennen brauche -- es war ein Haus auf
dem Kieler Sophienblatt -- getrieben werde. Ein andrer Redner sagte:
"Während wir in Zeiten der Vorbereitung große Führer 'hatten, scheint es
unser Geschick zu sein, in Zeiten, wo es die Ausführung gilt, die rechten Männer
unter uns nicht zu haben oder mindestens nicht finden zu'können." Ein be¬
sonders schlimmes Zeichen für die Stimmung der Bevölkerung der Herzogtümer
war es aber, daß mau unter den in Rendsburg versammelten wie unter den
"Höfischen," d.h. der herzoglichen Anhängerschaft in Kiel, der Meinung war,
das Ergebnis einer Abstimmung in Schleswig, ja selbst in Holstein sei nicht


Denkwürdigkeiten des Herzogs von Uolnirg

Österreich den Herzog Friedrich niemals anerkennen und, sollte der Bund
einen solchen Schritt thun, sich gezwungen sehen werde, auszutreten,"

Weiter berichtet der Verfasser: „Inzwischen trat die preußische Re¬
gierung in der Sache der Bundesreform selbst mehr und mehr hervor, und
man konnte sich in Wien nicht täuschen, daß Herr von Bismarck ein tiefein-
schneideudes Programm verfolgte, daß den Ausschluß Österreichs aus dem
deutschen Bunde herbeiführen mußte. In Frankfurt empfand man bereits
deutlich die Wendung der preußischen Politik, die auf eine Verbindung der
Schleswig-holsteinischen mit der deutschen Frage hinausging." In Kiel dagegen
wollte man nicht die Einsicht gewinnen, daß die Zeit der Verständigung mit
Preußen um jeden Preis herangekommen war, und daß es sich nur darum
handeln konnte, diejenigen günstigsten Bedingungen zu erlangen, nnter denen
die Interessen des Augusten burgischen Hauses mit denen der Krone Preußens
vereinbar waren. Bei dem entschiednen Festhalten des Königs an den von
ihm für heilig gehaltenen Legitimitätsprinzipien und bei dein Umstände, daß
Samwer nnter allen Umständen sich Vonseiten des Kronprinzen eines gewissen
Wohlwollens zu erfreuen hatte, würde eine offene Erklärung und Verhandlung
über die an Preußen abzutretenden Hoheitsrechte jetzt noch von sicherm s?>
Erfolge begleitet gewesen sein. In den Herzogtümern war damals das an sich
ganz verständige Wort von einer erblichen Statthalterschaft der Angustenburger
vielfach aufgekommen, aber leider hatte es sofort einen ironischen Beigeschmack
erhalten. Samwer gab mir selbst in Frankfurt die sonderbare Versicherung,
es könne Preußen, wenn es wolle, ohnehin nicht verhindert werden, das ganze
Holstein und Schleswig zu verschlingen, es bliebe also nur übrig, daß mau
auf das absolute Recht sich steife und die ganze Souveränität der legitimen
Dynastie in Anspruch nehme. Von der preußischen Partei setzte man in den
Augustenburgischen Kreisen seit Mitte März voraus, daß die Annexion ihr
Ziel sei, aber Samwer behauptete, der König habe das Gegenteil ausgesprochen."
Unter der übrigen Bevölkerung war die Begeisterung für deu „Herzog" Friedrich
und seine Umgebung allmählich erkaltet. Gegen seine Räte erhoben sich Neid
und Mißgunst, und auf der Delegirtenversammlung, die Ende März zu Rends¬
burg stattfand, wurde gegen die „Emigrantenpolitik" gesprochen, die an einem
gewissen Orte, den man nicht zu nennen brauche — es war ein Haus auf
dem Kieler Sophienblatt — getrieben werde. Ein andrer Redner sagte:
„Während wir in Zeiten der Vorbereitung große Führer 'hatten, scheint es
unser Geschick zu sein, in Zeiten, wo es die Ausführung gilt, die rechten Männer
unter uns nicht zu haben oder mindestens nicht finden zu'können." Ein be¬
sonders schlimmes Zeichen für die Stimmung der Bevölkerung der Herzogtümer
war es aber, daß mau unter den in Rendsburg versammelten wie unter den
„Höfischen," d.h. der herzoglichen Anhängerschaft in Kiel, der Meinung war,
das Ergebnis einer Abstimmung in Schleswig, ja selbst in Holstein sei nicht


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[0418] Denkwürdigkeiten des Herzogs von Uolnirg Österreich den Herzog Friedrich niemals anerkennen und, sollte der Bund einen solchen Schritt thun, sich gezwungen sehen werde, auszutreten," Weiter berichtet der Verfasser: „Inzwischen trat die preußische Re¬ gierung in der Sache der Bundesreform selbst mehr und mehr hervor, und man konnte sich in Wien nicht täuschen, daß Herr von Bismarck ein tiefein- schneideudes Programm verfolgte, daß den Ausschluß Österreichs aus dem deutschen Bunde herbeiführen mußte. In Frankfurt empfand man bereits deutlich die Wendung der preußischen Politik, die auf eine Verbindung der Schleswig-holsteinischen mit der deutschen Frage hinausging." In Kiel dagegen wollte man nicht die Einsicht gewinnen, daß die Zeit der Verständigung mit Preußen um jeden Preis herangekommen war, und daß es sich nur darum handeln konnte, diejenigen günstigsten Bedingungen zu erlangen, nnter denen die Interessen des Augusten burgischen Hauses mit denen der Krone Preußens vereinbar waren. Bei dem entschiednen Festhalten des Königs an den von ihm für heilig gehaltenen Legitimitätsprinzipien und bei dein Umstände, daß Samwer nnter allen Umständen sich Vonseiten des Kronprinzen eines gewissen Wohlwollens zu erfreuen hatte, würde eine offene Erklärung und Verhandlung über die an Preußen abzutretenden Hoheitsrechte jetzt noch von sicherm s?> Erfolge begleitet gewesen sein. In den Herzogtümern war damals das an sich ganz verständige Wort von einer erblichen Statthalterschaft der Angustenburger vielfach aufgekommen, aber leider hatte es sofort einen ironischen Beigeschmack erhalten. Samwer gab mir selbst in Frankfurt die sonderbare Versicherung, es könne Preußen, wenn es wolle, ohnehin nicht verhindert werden, das ganze Holstein und Schleswig zu verschlingen, es bliebe also nur übrig, daß mau auf das absolute Recht sich steife und die ganze Souveränität der legitimen Dynastie in Anspruch nehme. Von der preußischen Partei setzte man in den Augustenburgischen Kreisen seit Mitte März voraus, daß die Annexion ihr Ziel sei, aber Samwer behauptete, der König habe das Gegenteil ausgesprochen." Unter der übrigen Bevölkerung war die Begeisterung für deu „Herzog" Friedrich und seine Umgebung allmählich erkaltet. Gegen seine Räte erhoben sich Neid und Mißgunst, und auf der Delegirtenversammlung, die Ende März zu Rends¬ burg stattfand, wurde gegen die „Emigrantenpolitik" gesprochen, die an einem gewissen Orte, den man nicht zu nennen brauche — es war ein Haus auf dem Kieler Sophienblatt — getrieben werde. Ein andrer Redner sagte: „Während wir in Zeiten der Vorbereitung große Führer 'hatten, scheint es unser Geschick zu sein, in Zeiten, wo es die Ausführung gilt, die rechten Männer unter uns nicht zu haben oder mindestens nicht finden zu'können." Ein be¬ sonders schlimmes Zeichen für die Stimmung der Bevölkerung der Herzogtümer war es aber, daß mau unter den in Rendsburg versammelten wie unter den „Höfischen," d.h. der herzoglichen Anhängerschaft in Kiel, der Meinung war, das Ergebnis einer Abstimmung in Schleswig, ja selbst in Holstein sei nicht

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/418>, abgerufen am 25.08.2024.