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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Gang des Krieges einige Zeit verschoben, auch erschwerte das Schreiben, das
Herzog Friedrich persönlich an Napoleon gerichtet hatte, seinem Kolmrger
Freunde jede Verhandlung mit dem französischen Kabinet, da man geneigt
war, ihn in allein mit dem zu identifiziren, waS in Kiel von der schleswig¬
holsteinischen Regierung ausging, die er anerkannt, der er in Samwer und
Francke die "Minister" geliefert und bei der er in der Person Tempcltehs
eine Art von Gesandten beglaubigt hatte. Als Vorschlage zu einer europäischen
Konferenz auftauchte", gab der Herzog das Projekt wieder auf. Ruch die
Unzuverlässigkeit Englands bewog ihn dazu. Die Königin zwar, die sich der
deutschen Sache zuneigte, enthielt sich streng konstitutionell aller Einwirkung
auf die Politik des Kabinets, und der Prinz von Wales, der für Dänemark
eingenommen war, beobachtete dasselbe Verfahren. Die Tories aber dachten
daran, Palmerston wegen seiner Begünstigung Dänemarks zu stürzen, und
hatten dabei auf Unterstützung der Manchesterleute zu hoffen. Die Gelegenheit
zum Angriffe blieb aber aus; freilich gelang es Palmerston auch nicht, Napoleon
für seine Ansichten und Pläne gegen die deutscheu Mächte zu gewinnen, ja
es entstand zwischen beiden Regierungen eine starke Spannung, linier diesen
Umständen und weil der Herzog nach frühern Erfahrungen hoffte, auf den
Kaiser einigen Eindruck zu machen, wenn er ihm die deutschen Bestrebungen
unter den richtigen Gesichtspunkten darstellte, erfolgte in der ersten Märzwoche
von 1864 die Reise, zu der die Kieler ihrem fürstlichen Anwalt in der Person
des Advokaten Bleiken einen mit der juristischen Seite der Angelegenheit genau
vertrauten Beistand zusandten.

Wie aber stand der hohe Herr mit Preußen, das am Ende doch auch bei
jenen "deutschen Bestrebungen" mit verstanden werden darf? Er antwortet:
"So oft ich sonst den Tuilericnhof besucht hatte, war es mir immer vergönnt
gewesen, mich in unmittelbarer Fühlung mit der preußischen Negierung zu wissen.
Diesmal befand ich mich in voller Unsicherheit über das, was in Berlin bezweckt
wurde." Über seine Absichten in der Frage sagte der Herzog, der von der Pariser
offiziellen Presse als "Fürsprecher des Rechtes der Herzogtümer, frei über ihr
Schicksal zu bestimmen," von einigen Journalisten auch als Beschützer des National¬
vereins und entschieduer Widersacher des Übergewichtes Österreichs bezeichnet
wurde: "Meine Aufgabe war durch die Lage der Dinge am Bunde vorgezeichnet
und beschränkt; aber ich war entschlossen, ans meiner Sphäre als deutscher Fürst
auch nicht um Haaresbreite herauszutreten. Wenn ich glauben darf, daß meine
Unterredungen mit Louis Napoleon auch diesmal nicht fruchtlos gewesen sind, so
konnte es nur dem Umstände zuzuschreiben sein, daß ich mich ans der strengsten
Linie des Rechtszustandes bewegte. Der Kaiser war auf diesem Wege am
ehesten zu überzeugen, daß jede Einmischung Frankreichs in die deutsche An¬
gelegenheit ein unverbesserlicher Fehler sein würde, und ich muß es anerkennen,
daß er jedes Wort, das er in jenen Tagen zu mir gesprochen, ehrlich und


Gang des Krieges einige Zeit verschoben, auch erschwerte das Schreiben, das
Herzog Friedrich persönlich an Napoleon gerichtet hatte, seinem Kolmrger
Freunde jede Verhandlung mit dem französischen Kabinet, da man geneigt
war, ihn in allein mit dem zu identifiziren, waS in Kiel von der schleswig¬
holsteinischen Regierung ausging, die er anerkannt, der er in Samwer und
Francke die „Minister" geliefert und bei der er in der Person Tempcltehs
eine Art von Gesandten beglaubigt hatte. Als Vorschlage zu einer europäischen
Konferenz auftauchte», gab der Herzog das Projekt wieder auf. Ruch die
Unzuverlässigkeit Englands bewog ihn dazu. Die Königin zwar, die sich der
deutschen Sache zuneigte, enthielt sich streng konstitutionell aller Einwirkung
auf die Politik des Kabinets, und der Prinz von Wales, der für Dänemark
eingenommen war, beobachtete dasselbe Verfahren. Die Tories aber dachten
daran, Palmerston wegen seiner Begünstigung Dänemarks zu stürzen, und
hatten dabei auf Unterstützung der Manchesterleute zu hoffen. Die Gelegenheit
zum Angriffe blieb aber aus; freilich gelang es Palmerston auch nicht, Napoleon
für seine Ansichten und Pläne gegen die deutscheu Mächte zu gewinnen, ja
es entstand zwischen beiden Regierungen eine starke Spannung, linier diesen
Umständen und weil der Herzog nach frühern Erfahrungen hoffte, auf den
Kaiser einigen Eindruck zu machen, wenn er ihm die deutschen Bestrebungen
unter den richtigen Gesichtspunkten darstellte, erfolgte in der ersten Märzwoche
von 1864 die Reise, zu der die Kieler ihrem fürstlichen Anwalt in der Person
des Advokaten Bleiken einen mit der juristischen Seite der Angelegenheit genau
vertrauten Beistand zusandten.

Wie aber stand der hohe Herr mit Preußen, das am Ende doch auch bei
jenen „deutschen Bestrebungen" mit verstanden werden darf? Er antwortet:
„So oft ich sonst den Tuilericnhof besucht hatte, war es mir immer vergönnt
gewesen, mich in unmittelbarer Fühlung mit der preußischen Negierung zu wissen.
Diesmal befand ich mich in voller Unsicherheit über das, was in Berlin bezweckt
wurde." Über seine Absichten in der Frage sagte der Herzog, der von der Pariser
offiziellen Presse als „Fürsprecher des Rechtes der Herzogtümer, frei über ihr
Schicksal zu bestimmen," von einigen Journalisten auch als Beschützer des National¬
vereins und entschieduer Widersacher des Übergewichtes Österreichs bezeichnet
wurde: „Meine Aufgabe war durch die Lage der Dinge am Bunde vorgezeichnet
und beschränkt; aber ich war entschlossen, ans meiner Sphäre als deutscher Fürst
auch nicht um Haaresbreite herauszutreten. Wenn ich glauben darf, daß meine
Unterredungen mit Louis Napoleon auch diesmal nicht fruchtlos gewesen sind, so
konnte es nur dem Umstände zuzuschreiben sein, daß ich mich ans der strengsten
Linie des Rechtszustandes bewegte. Der Kaiser war auf diesem Wege am
ehesten zu überzeugen, daß jede Einmischung Frankreichs in die deutsche An¬
gelegenheit ein unverbesserlicher Fehler sein würde, und ich muß es anerkennen,
daß er jedes Wort, das er in jenen Tagen zu mir gesprochen, ehrlich und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/414>, abgerufen am 03.07.2024.