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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Denkwürdigkeiten des Herzogs von Aoburg

ausführlich mitgeteilt sehen möchte, wogegen andres wieder den einen und den
andern wichtigen Zug vermissen läßt, den der Verfasser hätte hervorheben und
beleuchten können.

Der Band beginnt mit einer Schilderung der Lage Europas an der
Schwelle des Jahrzehntes, dem die Gründung des neuen deutschen Reiches
beschieden war, berichtet über den Fürstentag in Baden-Baden, der sich um
Napoleon III. versammelte, nach Beobachtungen des Herzogs, der daran teil¬
nahm, bespricht dann die Bewegung der Sänger, Turner und Schützen und
die Stellung, die der Verfasser dazu einnahm, und behandelt im Schlußkapitel
des ersten Buches die Militärkouvention, die er mit Preußen abschloß, und
die wir für viel verdienstlicher halten als die Beteiligung an der "Volkspolitik,"
die damals Mode geworden war. Das nächste Buch erzählt seiner Überschrift
nach vorzüglich von "Fahrten und Abenteuern" des Herzogs, seinem Ausflug
zur Elefantenjagd nach Habesch, der recht hübsch geschildert wird, seiner Rolle
beim Frankfurter Schützenfeste, wobei wir zweifelhaft sind, ob wir sie unter
die Fahrten oder uuter die Abenteuer rechnen sollen, und seiner griechischen
Thronkandidatur. Von größerm Interesse ist der Inhalt der folgenden Ab-
schnitte, die sich mit dem Streit um die Reform des deutschen Bundes, dem
Frankfurter Fürstenkongreß, der Augusteuburger Episode, dem dänischen Kriege,
der Londoner Konferenz und den Verhandlungen in Wien und Gastein be¬
schäftigen. Das letzte Buch hat es dann mit dem Ende des Bundestages,
dem Treffen bei Langensalzci, wo der Herzog als Unterhändler thätig war,
dem böhmischen Kriege, dem er einige Tage als Zuschauer beiwohnte, der
neuen Bundesverfassung und einigen Episoden des Kampfes mit Frankreich
zu thun, wo die Phantasie des Verfassers zuweilen stärker zu sein scheint, als
sein Gedächtnis. (So könnte es z. B. sehr malerisch und poetisch ausgesehen
haben, wenn König Wilhelm, als er den Brief Napoleons auf der Höhe bei
Sedan beantwortete, "auf einer Pflugschar" gesessen hätte; es war aber ein
gewöhnlicher Stuhl, und er schrieb auf dem Sitze eiues zweiten Stuhles,
den Major von Alten ihm auf das eine Bein gestemmt, mit dem andern
knieend, hinhielt.) Als Beilage folgt zuletzt eine Denkschrift des Ministers
von Seebach über die Vereinigung und Verfassung von Koburg-Gotha.

Wir begnügen uns, ein paar Stellen aus denn Kapitel über die Stellung des
Herzogs zum Augusteuburger Prätendenten und über seine Wirksamkeit für dessen
Sache mitzuteilen, die uns zwar nicht völlig neu, aber charakteristisch und auch
sonst, namentlich in Betreff Napoleons und gewisser politischer Kreise Englands,
in dieser ausführlichen Darstellung von Bedeutung sind. Schon gegen Ende des
Jahres 18ki.-S hatte Herzog Ernst sich entschlossen, im Laufe des Winters nach
Paris zu gehen, um aus dem Munde des Kaisers selbst zu hören, was er
über die Lage der Dinge auszusprechen für gut finde. Die Ausführung des
Planes wurde aber im Hinblick auf die Ereignisse in Deutschland und den


Denkwürdigkeiten des Herzogs von Aoburg

ausführlich mitgeteilt sehen möchte, wogegen andres wieder den einen und den
andern wichtigen Zug vermissen läßt, den der Verfasser hätte hervorheben und
beleuchten können.

Der Band beginnt mit einer Schilderung der Lage Europas an der
Schwelle des Jahrzehntes, dem die Gründung des neuen deutschen Reiches
beschieden war, berichtet über den Fürstentag in Baden-Baden, der sich um
Napoleon III. versammelte, nach Beobachtungen des Herzogs, der daran teil¬
nahm, bespricht dann die Bewegung der Sänger, Turner und Schützen und
die Stellung, die der Verfasser dazu einnahm, und behandelt im Schlußkapitel
des ersten Buches die Militärkouvention, die er mit Preußen abschloß, und
die wir für viel verdienstlicher halten als die Beteiligung an der „Volkspolitik,"
die damals Mode geworden war. Das nächste Buch erzählt seiner Überschrift
nach vorzüglich von „Fahrten und Abenteuern" des Herzogs, seinem Ausflug
zur Elefantenjagd nach Habesch, der recht hübsch geschildert wird, seiner Rolle
beim Frankfurter Schützenfeste, wobei wir zweifelhaft sind, ob wir sie unter
die Fahrten oder uuter die Abenteuer rechnen sollen, und seiner griechischen
Thronkandidatur. Von größerm Interesse ist der Inhalt der folgenden Ab-
schnitte, die sich mit dem Streit um die Reform des deutschen Bundes, dem
Frankfurter Fürstenkongreß, der Augusteuburger Episode, dem dänischen Kriege,
der Londoner Konferenz und den Verhandlungen in Wien und Gastein be¬
schäftigen. Das letzte Buch hat es dann mit dem Ende des Bundestages,
dem Treffen bei Langensalzci, wo der Herzog als Unterhändler thätig war,
dem böhmischen Kriege, dem er einige Tage als Zuschauer beiwohnte, der
neuen Bundesverfassung und einigen Episoden des Kampfes mit Frankreich
zu thun, wo die Phantasie des Verfassers zuweilen stärker zu sein scheint, als
sein Gedächtnis. (So könnte es z. B. sehr malerisch und poetisch ausgesehen
haben, wenn König Wilhelm, als er den Brief Napoleons auf der Höhe bei
Sedan beantwortete, „auf einer Pflugschar" gesessen hätte; es war aber ein
gewöhnlicher Stuhl, und er schrieb auf dem Sitze eiues zweiten Stuhles,
den Major von Alten ihm auf das eine Bein gestemmt, mit dem andern
knieend, hinhielt.) Als Beilage folgt zuletzt eine Denkschrift des Ministers
von Seebach über die Vereinigung und Verfassung von Koburg-Gotha.

Wir begnügen uns, ein paar Stellen aus denn Kapitel über die Stellung des
Herzogs zum Augusteuburger Prätendenten und über seine Wirksamkeit für dessen
Sache mitzuteilen, die uns zwar nicht völlig neu, aber charakteristisch und auch
sonst, namentlich in Betreff Napoleons und gewisser politischer Kreise Englands,
in dieser ausführlichen Darstellung von Bedeutung sind. Schon gegen Ende des
Jahres 18ki.-S hatte Herzog Ernst sich entschlossen, im Laufe des Winters nach
Paris zu gehen, um aus dem Munde des Kaisers selbst zu hören, was er
über die Lage der Dinge auszusprechen für gut finde. Die Ausführung des
Planes wurde aber im Hinblick auf die Ereignisse in Deutschland und den


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[0413] Denkwürdigkeiten des Herzogs von Aoburg ausführlich mitgeteilt sehen möchte, wogegen andres wieder den einen und den andern wichtigen Zug vermissen läßt, den der Verfasser hätte hervorheben und beleuchten können. Der Band beginnt mit einer Schilderung der Lage Europas an der Schwelle des Jahrzehntes, dem die Gründung des neuen deutschen Reiches beschieden war, berichtet über den Fürstentag in Baden-Baden, der sich um Napoleon III. versammelte, nach Beobachtungen des Herzogs, der daran teil¬ nahm, bespricht dann die Bewegung der Sänger, Turner und Schützen und die Stellung, die der Verfasser dazu einnahm, und behandelt im Schlußkapitel des ersten Buches die Militärkouvention, die er mit Preußen abschloß, und die wir für viel verdienstlicher halten als die Beteiligung an der „Volkspolitik," die damals Mode geworden war. Das nächste Buch erzählt seiner Überschrift nach vorzüglich von „Fahrten und Abenteuern" des Herzogs, seinem Ausflug zur Elefantenjagd nach Habesch, der recht hübsch geschildert wird, seiner Rolle beim Frankfurter Schützenfeste, wobei wir zweifelhaft sind, ob wir sie unter die Fahrten oder uuter die Abenteuer rechnen sollen, und seiner griechischen Thronkandidatur. Von größerm Interesse ist der Inhalt der folgenden Ab- schnitte, die sich mit dem Streit um die Reform des deutschen Bundes, dem Frankfurter Fürstenkongreß, der Augusteuburger Episode, dem dänischen Kriege, der Londoner Konferenz und den Verhandlungen in Wien und Gastein be¬ schäftigen. Das letzte Buch hat es dann mit dem Ende des Bundestages, dem Treffen bei Langensalzci, wo der Herzog als Unterhändler thätig war, dem böhmischen Kriege, dem er einige Tage als Zuschauer beiwohnte, der neuen Bundesverfassung und einigen Episoden des Kampfes mit Frankreich zu thun, wo die Phantasie des Verfassers zuweilen stärker zu sein scheint, als sein Gedächtnis. (So könnte es z. B. sehr malerisch und poetisch ausgesehen haben, wenn König Wilhelm, als er den Brief Napoleons auf der Höhe bei Sedan beantwortete, „auf einer Pflugschar" gesessen hätte; es war aber ein gewöhnlicher Stuhl, und er schrieb auf dem Sitze eiues zweiten Stuhles, den Major von Alten ihm auf das eine Bein gestemmt, mit dem andern knieend, hinhielt.) Als Beilage folgt zuletzt eine Denkschrift des Ministers von Seebach über die Vereinigung und Verfassung von Koburg-Gotha. Wir begnügen uns, ein paar Stellen aus denn Kapitel über die Stellung des Herzogs zum Augusteuburger Prätendenten und über seine Wirksamkeit für dessen Sache mitzuteilen, die uns zwar nicht völlig neu, aber charakteristisch und auch sonst, namentlich in Betreff Napoleons und gewisser politischer Kreise Englands, in dieser ausführlichen Darstellung von Bedeutung sind. Schon gegen Ende des Jahres 18ki.-S hatte Herzog Ernst sich entschlossen, im Laufe des Winters nach Paris zu gehen, um aus dem Munde des Kaisers selbst zu hören, was er über die Lage der Dinge auszusprechen für gut finde. Die Ausführung des Planes wurde aber im Hinblick auf die Ereignisse in Deutschland und den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/413>, abgerufen am 03.07.2024.