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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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träge der Arbeitsherren zur Unfallversicherung; oder durch Benutzung der
Präposition durch: die Vorführung eines Spritzenznges durch den Brand¬
direktor; oder endlich, und dus ist Wohl das Vernünftigste, dadurch, daß man
Nebensätze bildete, anstatt, wies jetzt geschieht, die Nebensätze in Substautiva
zusammenzuquetschen. Zu einem Vsr^um, riniwrri kann man ein halbes Dutzend
nähere Bestimmungen hinzusetzen, da hat man immer freie Bahn und kommt
leicht vorwärts; sowie mau aber das flüssige Verbum in das starre Substantiv
verwandelt, verrammelt man sich selbst den Weg, und nun werden solche Angst-
Verbindungen fertig, wie: der redliche Erwerb der Kleidungsstücke seitens des
Angeklagten ließ sich zum Glück nachweisen (anstatt: daß der Angeklagte
die Kleidungsstücke redlich erworben hatte). Statt der oben angeführten Bei¬
spiele sage mau: dadurch, daß die Nordarmee über die Parese gegangen
war -- wenn ein Kirchenmitglied die Glaubenspflichten verletzt -- wenn die
ärmeren Bevölkerungsklassen die Lebensversicherung allgemein benutzen wollten
u. s. w., und man ist ans aller Verlegenheit.

Nun aber das Allertollste! Diese Angstverbindungen von Substantiven
mit seitens sind durch deu massenhaften Gebrauch deu Leuten so geläufig ge¬
worden, ja die Leute sind so vernarrt in dieses seitens, daß sie es auch da
anwenden, wo gar keine Nötigung vorliegt, und geradezu den einfachen Genetiv
damit umschreiben! Man sagt nicht mehr: der Besuch des Kaisers, die frei¬
willige Pflichterfüllung eines Einzelnen, sondern der Besuch seitens des
Kaisers, die freiwillige Pflichterfüllung seitens eines Einzelnen! schockweise
lnnfen einem jetzt solche Beispiele über den Weg, man braucht nur zuzugreifen:
ich wollte damit etwaigen Einreden seitens der Gegner vorbeugen -- die
Philologischen Studien erfreuen sich nicht der Gunst seitens des Staates wie
die naturwissenschaftlichen -- der glänzende Erfolg, den der Verfasser dem aus¬
gezeichneten Vortrage seitens des Reeitators zu danken hat -- er wurde die
Zielscheibe vieler Angriffe seitens der Klerikalen - die Anstellung eines
höhern Gehilfen kann nicht ohne Vertrauen seitens des Handelsherrn ge¬
schehen -- die Frau war wegen fortgesetzten Roheiten seitens ihres Mannes
ins elterliche Hans zurückgekehrt -- der Gesandte hatte die Stirn, zu fragen,
ob man denn auch des Friedensbruches seitens Frankreichs gewiß sei -- die
Ursachen des ersten Krieges seitens des englischen Königs gegen die Holländer
wurden dargelegt -- das Urteil klingt hart, beruht aber auf sorgfältiger
Prüfung seitens eines Unbefangnen -- an der Tafel fehlte es nicht an herz¬
lichen Reden und Gegenreden seitens der Arbeiter und Prinzipale u. s. w.
In einzelnen dieser Beispiele scheint ja nun auch ein Schimmer von Erklärung
und Entschuldigung in der Verlegenheit zu liegen. Das Substantiv, von dem
der Genetiv abhängen soll, bezeichnet meist eine Handlung, und da kam? ja
der Zweifel entstehen, ob man diese Handlung aktiv oder passiv auffassen soll.
Der Besuch des Kaisers -- das könnte ja auch heißen, der Kaiser sei be-


träge der Arbeitsherren zur Unfallversicherung; oder durch Benutzung der
Präposition durch: die Vorführung eines Spritzenznges durch den Brand¬
direktor; oder endlich, und dus ist Wohl das Vernünftigste, dadurch, daß man
Nebensätze bildete, anstatt, wies jetzt geschieht, die Nebensätze in Substautiva
zusammenzuquetschen. Zu einem Vsr^um, riniwrri kann man ein halbes Dutzend
nähere Bestimmungen hinzusetzen, da hat man immer freie Bahn und kommt
leicht vorwärts; sowie mau aber das flüssige Verbum in das starre Substantiv
verwandelt, verrammelt man sich selbst den Weg, und nun werden solche Angst-
Verbindungen fertig, wie: der redliche Erwerb der Kleidungsstücke seitens des
Angeklagten ließ sich zum Glück nachweisen (anstatt: daß der Angeklagte
die Kleidungsstücke redlich erworben hatte). Statt der oben angeführten Bei¬
spiele sage mau: dadurch, daß die Nordarmee über die Parese gegangen
war — wenn ein Kirchenmitglied die Glaubenspflichten verletzt — wenn die
ärmeren Bevölkerungsklassen die Lebensversicherung allgemein benutzen wollten
u. s. w., und man ist ans aller Verlegenheit.

Nun aber das Allertollste! Diese Angstverbindungen von Substantiven
mit seitens sind durch deu massenhaften Gebrauch deu Leuten so geläufig ge¬
worden, ja die Leute sind so vernarrt in dieses seitens, daß sie es auch da
anwenden, wo gar keine Nötigung vorliegt, und geradezu den einfachen Genetiv
damit umschreiben! Man sagt nicht mehr: der Besuch des Kaisers, die frei¬
willige Pflichterfüllung eines Einzelnen, sondern der Besuch seitens des
Kaisers, die freiwillige Pflichterfüllung seitens eines Einzelnen! schockweise
lnnfen einem jetzt solche Beispiele über den Weg, man braucht nur zuzugreifen:
ich wollte damit etwaigen Einreden seitens der Gegner vorbeugen — die
Philologischen Studien erfreuen sich nicht der Gunst seitens des Staates wie
die naturwissenschaftlichen — der glänzende Erfolg, den der Verfasser dem aus¬
gezeichneten Vortrage seitens des Reeitators zu danken hat — er wurde die
Zielscheibe vieler Angriffe seitens der Klerikalen - die Anstellung eines
höhern Gehilfen kann nicht ohne Vertrauen seitens des Handelsherrn ge¬
schehen — die Frau war wegen fortgesetzten Roheiten seitens ihres Mannes
ins elterliche Hans zurückgekehrt — der Gesandte hatte die Stirn, zu fragen,
ob man denn auch des Friedensbruches seitens Frankreichs gewiß sei — die
Ursachen des ersten Krieges seitens des englischen Königs gegen die Holländer
wurden dargelegt — das Urteil klingt hart, beruht aber auf sorgfältiger
Prüfung seitens eines Unbefangnen — an der Tafel fehlte es nicht an herz¬
lichen Reden und Gegenreden seitens der Arbeiter und Prinzipale u. s. w.
In einzelnen dieser Beispiele scheint ja nun auch ein Schimmer von Erklärung
und Entschuldigung in der Verlegenheit zu liegen. Das Substantiv, von dem
der Genetiv abhängen soll, bezeichnet meist eine Handlung, und da kam? ja
der Zweifel entstehen, ob man diese Handlung aktiv oder passiv auffassen soll.
Der Besuch des Kaisers — das könnte ja auch heißen, der Kaiser sei be-


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[0331] träge der Arbeitsherren zur Unfallversicherung; oder durch Benutzung der Präposition durch: die Vorführung eines Spritzenznges durch den Brand¬ direktor; oder endlich, und dus ist Wohl das Vernünftigste, dadurch, daß man Nebensätze bildete, anstatt, wies jetzt geschieht, die Nebensätze in Substautiva zusammenzuquetschen. Zu einem Vsr^um, riniwrri kann man ein halbes Dutzend nähere Bestimmungen hinzusetzen, da hat man immer freie Bahn und kommt leicht vorwärts; sowie mau aber das flüssige Verbum in das starre Substantiv verwandelt, verrammelt man sich selbst den Weg, und nun werden solche Angst- Verbindungen fertig, wie: der redliche Erwerb der Kleidungsstücke seitens des Angeklagten ließ sich zum Glück nachweisen (anstatt: daß der Angeklagte die Kleidungsstücke redlich erworben hatte). Statt der oben angeführten Bei¬ spiele sage mau: dadurch, daß die Nordarmee über die Parese gegangen war — wenn ein Kirchenmitglied die Glaubenspflichten verletzt — wenn die ärmeren Bevölkerungsklassen die Lebensversicherung allgemein benutzen wollten u. s. w., und man ist ans aller Verlegenheit. Nun aber das Allertollste! Diese Angstverbindungen von Substantiven mit seitens sind durch deu massenhaften Gebrauch deu Leuten so geläufig ge¬ worden, ja die Leute sind so vernarrt in dieses seitens, daß sie es auch da anwenden, wo gar keine Nötigung vorliegt, und geradezu den einfachen Genetiv damit umschreiben! Man sagt nicht mehr: der Besuch des Kaisers, die frei¬ willige Pflichterfüllung eines Einzelnen, sondern der Besuch seitens des Kaisers, die freiwillige Pflichterfüllung seitens eines Einzelnen! schockweise lnnfen einem jetzt solche Beispiele über den Weg, man braucht nur zuzugreifen: ich wollte damit etwaigen Einreden seitens der Gegner vorbeugen — die Philologischen Studien erfreuen sich nicht der Gunst seitens des Staates wie die naturwissenschaftlichen — der glänzende Erfolg, den der Verfasser dem aus¬ gezeichneten Vortrage seitens des Reeitators zu danken hat — er wurde die Zielscheibe vieler Angriffe seitens der Klerikalen - die Anstellung eines höhern Gehilfen kann nicht ohne Vertrauen seitens des Handelsherrn ge¬ schehen — die Frau war wegen fortgesetzten Roheiten seitens ihres Mannes ins elterliche Hans zurückgekehrt — der Gesandte hatte die Stirn, zu fragen, ob man denn auch des Friedensbruches seitens Frankreichs gewiß sei — die Ursachen des ersten Krieges seitens des englischen Königs gegen die Holländer wurden dargelegt — das Urteil klingt hart, beruht aber auf sorgfältiger Prüfung seitens eines Unbefangnen — an der Tafel fehlte es nicht an herz¬ lichen Reden und Gegenreden seitens der Arbeiter und Prinzipale u. s. w. In einzelnen dieser Beispiele scheint ja nun auch ein Schimmer von Erklärung und Entschuldigung in der Verlegenheit zu liegen. Das Substantiv, von dem der Genetiv abhängen soll, bezeichnet meist eine Handlung, und da kam? ja der Zweifel entstehen, ob man diese Handlung aktiv oder passiv auffassen soll. Der Besuch des Kaisers — das könnte ja auch heißen, der Kaiser sei be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/331>, abgerufen am 23.07.2024.