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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Zur Geschichte von dem kranken Aönigssohne

des Gesichtes el" wenig an das Gemälde von Lairesse erinnernd. Antiochus
liegt auf einem mit goldgestickten Teppich bedeckten Bette, indem er die
Angen in voller Entzückung der Königin zuwendet. Sein Antlitz ist fahl
wie das eines Schwerkranken. Erasistratns, kenntlich an der Kapuze, die
sein Haupt bedeckt, sitzt im Vordergrunde am Lager des Kranken und hält
dessen Hand gefaßt. Er ist wie auch Stratonica im Profil dargestellt. Ein
Negerknabe hat gerade den dunkelgrünen Vorhang des Bettes zurückgezogen.
Die Lücke zwischen dem Bett und der hereintretenden Königin wird ausgefüllt
durch zwei aufmerksam dem Vorgang zuschauende Mädchengestalten, während
Stratoniea von einem Gefolge von Dienerinnen begleitet ist. Am Fuße des
Bettes fehlt auch das übliche Hündchen nicht.

Das Gemälde Celestis ist in gewissem Sinne ein Seitenstück zu der Er¬
zählung seines Landsmannes Assarino. Denn daß der Mariuismns auch die
Malerei des siebzehnten Jahrhunderts beeinflußt hat, ist ja bekannt. Um starke
Wirkungen war es den Malern wie den Dichtern des siebzehnten Jahrhunderts
gleichmäßig zu thun, daher bei beiden die Steigerung des Ausdrucks und des
Vortrages. Freilich bleibt denn doch Celesti in dieser Beziehung hinter dein
Dichter weit zurück. Aber der Ausdruck des liebesiechen, schmachtenden und
die Angen verdrehenden Kranken ist mehr als beredt, und Seleukus vergißt
offenbar in seiner Vaterliebe, daß er zugleich König ist. Um die geschichtliche
Echtheit in den Nebendingen hat sich Celesti ebensowenig bekümmert wie später
Lairesse. Schon daß König und Königin die Krone auf dem Kopfe tragen,
wirkt komisch und erinnert an die Holzschnitte, mit denen die Ausgaben von
Hallmanns und Feinds Dichtungen ausgestattet sind. Namentlich aber verstößt
die Tracht der Königin gegen alle Wahrheit. Zwar paßt ihr hellblaues, mit
Weiß gesticktes Obergewand gut zu dein Hellblond ihres Haares, aber das Kleid
ist am Halse ausgeschnitten und vollkommen modern, wozu dann wieder die
Sandalen nicht stimmen Wollen.

Eindrücke, die ich sonst noch in Bezug auf Anordnung, Farbe, Modellirung
gehabt habe, verschweige ich, weil ich kein Kenner bin. Meine Absicht war
es nur, eine Beschreibung des Bildes zu geben.




Zur Geschichte von dem kranken Aönigssohne

des Gesichtes el» wenig an das Gemälde von Lairesse erinnernd. Antiochus
liegt auf einem mit goldgestickten Teppich bedeckten Bette, indem er die
Angen in voller Entzückung der Königin zuwendet. Sein Antlitz ist fahl
wie das eines Schwerkranken. Erasistratns, kenntlich an der Kapuze, die
sein Haupt bedeckt, sitzt im Vordergrunde am Lager des Kranken und hält
dessen Hand gefaßt. Er ist wie auch Stratonica im Profil dargestellt. Ein
Negerknabe hat gerade den dunkelgrünen Vorhang des Bettes zurückgezogen.
Die Lücke zwischen dem Bett und der hereintretenden Königin wird ausgefüllt
durch zwei aufmerksam dem Vorgang zuschauende Mädchengestalten, während
Stratoniea von einem Gefolge von Dienerinnen begleitet ist. Am Fuße des
Bettes fehlt auch das übliche Hündchen nicht.

Das Gemälde Celestis ist in gewissem Sinne ein Seitenstück zu der Er¬
zählung seines Landsmannes Assarino. Denn daß der Mariuismns auch die
Malerei des siebzehnten Jahrhunderts beeinflußt hat, ist ja bekannt. Um starke
Wirkungen war es den Malern wie den Dichtern des siebzehnten Jahrhunderts
gleichmäßig zu thun, daher bei beiden die Steigerung des Ausdrucks und des
Vortrages. Freilich bleibt denn doch Celesti in dieser Beziehung hinter dein
Dichter weit zurück. Aber der Ausdruck des liebesiechen, schmachtenden und
die Angen verdrehenden Kranken ist mehr als beredt, und Seleukus vergißt
offenbar in seiner Vaterliebe, daß er zugleich König ist. Um die geschichtliche
Echtheit in den Nebendingen hat sich Celesti ebensowenig bekümmert wie später
Lairesse. Schon daß König und Königin die Krone auf dem Kopfe tragen,
wirkt komisch und erinnert an die Holzschnitte, mit denen die Ausgaben von
Hallmanns und Feinds Dichtungen ausgestattet sind. Namentlich aber verstößt
die Tracht der Königin gegen alle Wahrheit. Zwar paßt ihr hellblaues, mit
Weiß gesticktes Obergewand gut zu dein Hellblond ihres Haares, aber das Kleid
ist am Halse ausgeschnitten und vollkommen modern, wozu dann wieder die
Sandalen nicht stimmen Wollen.

Eindrücke, die ich sonst noch in Bezug auf Anordnung, Farbe, Modellirung
gehabt habe, verschweige ich, weil ich kein Kenner bin. Meine Absicht war
es nur, eine Beschreibung des Bildes zu geben.




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[0300] Zur Geschichte von dem kranken Aönigssohne des Gesichtes el» wenig an das Gemälde von Lairesse erinnernd. Antiochus liegt auf einem mit goldgestickten Teppich bedeckten Bette, indem er die Angen in voller Entzückung der Königin zuwendet. Sein Antlitz ist fahl wie das eines Schwerkranken. Erasistratns, kenntlich an der Kapuze, die sein Haupt bedeckt, sitzt im Vordergrunde am Lager des Kranken und hält dessen Hand gefaßt. Er ist wie auch Stratonica im Profil dargestellt. Ein Negerknabe hat gerade den dunkelgrünen Vorhang des Bettes zurückgezogen. Die Lücke zwischen dem Bett und der hereintretenden Königin wird ausgefüllt durch zwei aufmerksam dem Vorgang zuschauende Mädchengestalten, während Stratoniea von einem Gefolge von Dienerinnen begleitet ist. Am Fuße des Bettes fehlt auch das übliche Hündchen nicht. Das Gemälde Celestis ist in gewissem Sinne ein Seitenstück zu der Er¬ zählung seines Landsmannes Assarino. Denn daß der Mariuismns auch die Malerei des siebzehnten Jahrhunderts beeinflußt hat, ist ja bekannt. Um starke Wirkungen war es den Malern wie den Dichtern des siebzehnten Jahrhunderts gleichmäßig zu thun, daher bei beiden die Steigerung des Ausdrucks und des Vortrages. Freilich bleibt denn doch Celesti in dieser Beziehung hinter dein Dichter weit zurück. Aber der Ausdruck des liebesiechen, schmachtenden und die Angen verdrehenden Kranken ist mehr als beredt, und Seleukus vergißt offenbar in seiner Vaterliebe, daß er zugleich König ist. Um die geschichtliche Echtheit in den Nebendingen hat sich Celesti ebensowenig bekümmert wie später Lairesse. Schon daß König und Königin die Krone auf dem Kopfe tragen, wirkt komisch und erinnert an die Holzschnitte, mit denen die Ausgaben von Hallmanns und Feinds Dichtungen ausgestattet sind. Namentlich aber verstößt die Tracht der Königin gegen alle Wahrheit. Zwar paßt ihr hellblaues, mit Weiß gesticktes Obergewand gut zu dein Hellblond ihres Haares, aber das Kleid ist am Halse ausgeschnitten und vollkommen modern, wozu dann wieder die Sandalen nicht stimmen Wollen. Eindrücke, die ich sonst noch in Bezug auf Anordnung, Farbe, Modellirung gehabt habe, verschweige ich, weil ich kein Kenner bin. Meine Absicht war es nur, eine Beschreibung des Bildes zu geben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/300>, abgerufen am 25.08.2024.