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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Die Ansiedelung deutscher Landwirte in Lothringen

gerade so, wie es im Polnischen geschehen ist. Um so notwendiger würden
geschlossene deutsche Ansiedelungen sein. Hundert Millionen Mark wären für
solche Zwecke vielleicht nützlicher angelegt als die gleiche Ausgabe sür Festungs-
bauten." Diese Äußerung zeichnet sich durch eine richtige Wertschätzung der
Dinge aus, und wir können uns einer solchen Auffassung vollkommen an¬
schließen. Durch Unternehmungen Einzelner könnte dieses nationale Werk nur
in ungenügender Weise erfüllt werden; Gründungen zur Erwerbung von Grund
und Boden, der dann mit Gewinn an Auswanderer verkauft würde, würden
zu keinem guten Ende führen. Solche Schöpfungen würden voraussichtlich
bald oder wenigstens in der zweiten Geschlechtsfolgc wieder in die Hände von
Grundschacherern fallen. Auch von einem Unternehme!! der Landesverwaltung
könnte kein ausreichender Erfolg erwartet werden. Die jährliche Erübrigung
aus Landesmitteln -- etwa 1 bis 1,5 Millionen Mark --, von andern dringen¬
den Bedürfnissen stets umworben, demnächst vielleicht dnrch ein Anwachsen der
Matrikularbeiträge in Frage gestellt, kann unmöglich genügen, um die nationale
Ausgabe zu losen. Das Reich müßte mit seinen Mitteln eintreten, um mit
der vollen Sicherheit des Erfolges beginnen zu können.

Eine weitere Ausführung des von den Grenzboten angeregten Gedankens
war bald darauf in der Berliner Post zu lesen. Der Verfasser empfiehlt An¬
kauf von Gütern durch das Reich für den gleichen Gesammtbetrag wie in Posen,
also für 120 Millionen Mark, aus denen größere zur Bildung von Fideikommissen
bestimmte und kleinere erbliche Pachtgüter gebildet werden sollten, die dann
das Reich nnter günstigen Bedingungen vergeben würde. Wenn nun auch um
die Bildung von Neichsfideikvmmissen wohl nicht gedacht werden kann, so wäre
doch besonders hervorzuheben, daß das deutsche Reich durch seine Beteiligung
die Sicherheit bieten könnte, daß für die nötigen gesetzlichen Vorbedingungen
gesorgt werden würde. Das Vertrauen zur Sache würde sich in hohem Grade
steigern, insbesondre würde die naheliegende Befürchtung beseitigt werden, daß
dnrch sogenannte Gründungen das nationale Unternehmen in schlechtes Ansehen
geraten und schließlich die deutsche Sache schweren Schaden erleiden könnte.
Das Reich sollte größere und kleinere Neichsdomänen erwerben und diese entweder
wie in den alten Provinzen in Pacht geben oder, wie in Posen, als Nentengüter
veräußern.

Es ist zwar zur Zeit kaum daran zu denken, daß das Reich für eim'
Besiedelung von Lothringen durch deutsche Landwirte eintreten wird; es wird
aber ohne Zweifel einmal eine Zeit kommen, wo die Sachlage für eine solche
Aussicht sich günstiger gestalten wird. Einstweilen können wir daher wohl, wenn
auch ohne Aussicht auf unmittelbaren Erfolg, eine Angelegenheit besprechen,
deren Lösung uns mit der Zeit doch noch beschäftigen wird, und deren Lösung
anders als mit Hilfe des Reiches gar nicht erwartet werden kann. Alle bisher
aufgetauchten Vorschläge scheine" von dein Grundgedanken auszugehen, daß


Die Ansiedelung deutscher Landwirte in Lothringen

gerade so, wie es im Polnischen geschehen ist. Um so notwendiger würden
geschlossene deutsche Ansiedelungen sein. Hundert Millionen Mark wären für
solche Zwecke vielleicht nützlicher angelegt als die gleiche Ausgabe sür Festungs-
bauten." Diese Äußerung zeichnet sich durch eine richtige Wertschätzung der
Dinge aus, und wir können uns einer solchen Auffassung vollkommen an¬
schließen. Durch Unternehmungen Einzelner könnte dieses nationale Werk nur
in ungenügender Weise erfüllt werden; Gründungen zur Erwerbung von Grund
und Boden, der dann mit Gewinn an Auswanderer verkauft würde, würden
zu keinem guten Ende führen. Solche Schöpfungen würden voraussichtlich
bald oder wenigstens in der zweiten Geschlechtsfolgc wieder in die Hände von
Grundschacherern fallen. Auch von einem Unternehme!! der Landesverwaltung
könnte kein ausreichender Erfolg erwartet werden. Die jährliche Erübrigung
aus Landesmitteln — etwa 1 bis 1,5 Millionen Mark —, von andern dringen¬
den Bedürfnissen stets umworben, demnächst vielleicht dnrch ein Anwachsen der
Matrikularbeiträge in Frage gestellt, kann unmöglich genügen, um die nationale
Ausgabe zu losen. Das Reich müßte mit seinen Mitteln eintreten, um mit
der vollen Sicherheit des Erfolges beginnen zu können.

Eine weitere Ausführung des von den Grenzboten angeregten Gedankens
war bald darauf in der Berliner Post zu lesen. Der Verfasser empfiehlt An¬
kauf von Gütern durch das Reich für den gleichen Gesammtbetrag wie in Posen,
also für 120 Millionen Mark, aus denen größere zur Bildung von Fideikommissen
bestimmte und kleinere erbliche Pachtgüter gebildet werden sollten, die dann
das Reich nnter günstigen Bedingungen vergeben würde. Wenn nun auch um
die Bildung von Neichsfideikvmmissen wohl nicht gedacht werden kann, so wäre
doch besonders hervorzuheben, daß das deutsche Reich durch seine Beteiligung
die Sicherheit bieten könnte, daß für die nötigen gesetzlichen Vorbedingungen
gesorgt werden würde. Das Vertrauen zur Sache würde sich in hohem Grade
steigern, insbesondre würde die naheliegende Befürchtung beseitigt werden, daß
dnrch sogenannte Gründungen das nationale Unternehmen in schlechtes Ansehen
geraten und schließlich die deutsche Sache schweren Schaden erleiden könnte.
Das Reich sollte größere und kleinere Neichsdomänen erwerben und diese entweder
wie in den alten Provinzen in Pacht geben oder, wie in Posen, als Nentengüter
veräußern.

Es ist zwar zur Zeit kaum daran zu denken, daß das Reich für eim'
Besiedelung von Lothringen durch deutsche Landwirte eintreten wird; es wird
aber ohne Zweifel einmal eine Zeit kommen, wo die Sachlage für eine solche
Aussicht sich günstiger gestalten wird. Einstweilen können wir daher wohl, wenn
auch ohne Aussicht auf unmittelbaren Erfolg, eine Angelegenheit besprechen,
deren Lösung uns mit der Zeit doch noch beschäftigen wird, und deren Lösung
anders als mit Hilfe des Reiches gar nicht erwartet werden kann. Alle bisher
aufgetauchten Vorschläge scheine« von dein Grundgedanken auszugehen, daß


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[0262] Die Ansiedelung deutscher Landwirte in Lothringen gerade so, wie es im Polnischen geschehen ist. Um so notwendiger würden geschlossene deutsche Ansiedelungen sein. Hundert Millionen Mark wären für solche Zwecke vielleicht nützlicher angelegt als die gleiche Ausgabe sür Festungs- bauten." Diese Äußerung zeichnet sich durch eine richtige Wertschätzung der Dinge aus, und wir können uns einer solchen Auffassung vollkommen an¬ schließen. Durch Unternehmungen Einzelner könnte dieses nationale Werk nur in ungenügender Weise erfüllt werden; Gründungen zur Erwerbung von Grund und Boden, der dann mit Gewinn an Auswanderer verkauft würde, würden zu keinem guten Ende führen. Solche Schöpfungen würden voraussichtlich bald oder wenigstens in der zweiten Geschlechtsfolgc wieder in die Hände von Grundschacherern fallen. Auch von einem Unternehme!! der Landesverwaltung könnte kein ausreichender Erfolg erwartet werden. Die jährliche Erübrigung aus Landesmitteln — etwa 1 bis 1,5 Millionen Mark —, von andern dringen¬ den Bedürfnissen stets umworben, demnächst vielleicht dnrch ein Anwachsen der Matrikularbeiträge in Frage gestellt, kann unmöglich genügen, um die nationale Ausgabe zu losen. Das Reich müßte mit seinen Mitteln eintreten, um mit der vollen Sicherheit des Erfolges beginnen zu können. Eine weitere Ausführung des von den Grenzboten angeregten Gedankens war bald darauf in der Berliner Post zu lesen. Der Verfasser empfiehlt An¬ kauf von Gütern durch das Reich für den gleichen Gesammtbetrag wie in Posen, also für 120 Millionen Mark, aus denen größere zur Bildung von Fideikommissen bestimmte und kleinere erbliche Pachtgüter gebildet werden sollten, die dann das Reich nnter günstigen Bedingungen vergeben würde. Wenn nun auch um die Bildung von Neichsfideikvmmissen wohl nicht gedacht werden kann, so wäre doch besonders hervorzuheben, daß das deutsche Reich durch seine Beteiligung die Sicherheit bieten könnte, daß für die nötigen gesetzlichen Vorbedingungen gesorgt werden würde. Das Vertrauen zur Sache würde sich in hohem Grade steigern, insbesondre würde die naheliegende Befürchtung beseitigt werden, daß dnrch sogenannte Gründungen das nationale Unternehmen in schlechtes Ansehen geraten und schließlich die deutsche Sache schweren Schaden erleiden könnte. Das Reich sollte größere und kleinere Neichsdomänen erwerben und diese entweder wie in den alten Provinzen in Pacht geben oder, wie in Posen, als Nentengüter veräußern. Es ist zwar zur Zeit kaum daran zu denken, daß das Reich für eim' Besiedelung von Lothringen durch deutsche Landwirte eintreten wird; es wird aber ohne Zweifel einmal eine Zeit kommen, wo die Sachlage für eine solche Aussicht sich günstiger gestalten wird. Einstweilen können wir daher wohl, wenn auch ohne Aussicht auf unmittelbaren Erfolg, eine Angelegenheit besprechen, deren Lösung uns mit der Zeit doch noch beschäftigen wird, und deren Lösung anders als mit Hilfe des Reiches gar nicht erwartet werden kann. Alle bisher aufgetauchten Vorschläge scheine« von dein Grundgedanken auszugehen, daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/262>, abgerufen am 25.08.2024.