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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Die Nationalliberalen und die ^ozialistengesetzvorlage

n der letzten Reichstagssitzung vom 25. Januar wurde das
Sozialistengesetz mit t"i" gegen 98 Stimmen verworfen. Dieses
Ergebnis ist dadurch herbeigeführt worden, daß die National-
liberalen den H 24 der Vorlage, die Answeisungsbefugnis, in
das Gesetz mit aufzunehmen sich scheuten. Es war das ein
großer politischer Mißgriff. Es wäre jedenfalls besser gewesen, wenn der
Theoretiker der Partei, von dem der Vorschlag, den Paragraphen zu streichen,
ausging, die Sache nicht angerührt hätte, und wenn die Partei, nachdem das
geschehen war, ihm nicht gefolgt wäre. Freilich sagen die Nativnallibernlen,
und mit ihnen viele von der Reichspartei, die Ausweisungsbefugnis wäre bisher
uur gefährlich gewesen, die Ausgewiesenen hätten der Svzialdemokrntie nur
neue Agitationsherde geschaffen, auch da, wo sie bisher nicht bestanden habe,
habe sie so Boden gewonnen. Die Ausweisung verbittere nur und wende den
Ausgewiesenen auch aus nichtsozialdemokratischen Kreisen Mitleid zu. Wie
auch sein mag, wenn die Regierung, die das alles auch weiß, da die Ver¬
treter des Bundesrates im Ausschusse es selbst zugaben, wenn sie dennoch,
"bschvn nicht in der Schlußsitzung, aber früher, ans die bestimmteste Weise
^klärte: Wir brauchen das Gesetz mit der Ausweisungsbefugnis, wir brauchen
gerade diese Vollmacht zur Abwehr der gemeingefährlichen Bestrebungen der
Socialdemokratie; wenn sie alle andern Abschwächungen des Regieruugsent-
wnrfes, die in der Richtung möglichster Übereinstimmung des Gesetzes mit dein
allgemeinen Rechte lagen, willig hinnehmen wollte; wenn sie z. B. den Schild,
g^'gen mißbräuchliche Handhabung des Gesetzes wesentlich verstärkte und in der
^schwerdeinstanz jede unbefangene Entscheidung ermöglicht sehen wollte, alles
^'s, wenn man ihr nur das eine, die Ausweisnngsbefugnis, zugestehen


Grenzboten I 1890 32


Die Nationalliberalen und die ^ozialistengesetzvorlage

n der letzten Reichstagssitzung vom 25. Januar wurde das
Sozialistengesetz mit t«i» gegen 98 Stimmen verworfen. Dieses
Ergebnis ist dadurch herbeigeführt worden, daß die National-
liberalen den H 24 der Vorlage, die Answeisungsbefugnis, in
das Gesetz mit aufzunehmen sich scheuten. Es war das ein
großer politischer Mißgriff. Es wäre jedenfalls besser gewesen, wenn der
Theoretiker der Partei, von dem der Vorschlag, den Paragraphen zu streichen,
ausging, die Sache nicht angerührt hätte, und wenn die Partei, nachdem das
geschehen war, ihm nicht gefolgt wäre. Freilich sagen die Nativnallibernlen,
und mit ihnen viele von der Reichspartei, die Ausweisungsbefugnis wäre bisher
uur gefährlich gewesen, die Ausgewiesenen hätten der Svzialdemokrntie nur
neue Agitationsherde geschaffen, auch da, wo sie bisher nicht bestanden habe,
habe sie so Boden gewonnen. Die Ausweisung verbittere nur und wende den
Ausgewiesenen auch aus nichtsozialdemokratischen Kreisen Mitleid zu. Wie
auch sein mag, wenn die Regierung, die das alles auch weiß, da die Ver¬
treter des Bundesrates im Ausschusse es selbst zugaben, wenn sie dennoch,
"bschvn nicht in der Schlußsitzung, aber früher, ans die bestimmteste Weise
^klärte: Wir brauchen das Gesetz mit der Ausweisungsbefugnis, wir brauchen
gerade diese Vollmacht zur Abwehr der gemeingefährlichen Bestrebungen der
Socialdemokratie; wenn sie alle andern Abschwächungen des Regieruugsent-
wnrfes, die in der Richtung möglichster Übereinstimmung des Gesetzes mit dein
allgemeinen Rechte lagen, willig hinnehmen wollte; wenn sie z. B. den Schild,
g^'gen mißbräuchliche Handhabung des Gesetzes wesentlich verstärkte und in der
^schwerdeinstanz jede unbefangene Entscheidung ermöglicht sehen wollte, alles
^'s, wenn man ihr nur das eine, die Ausweisnngsbefugnis, zugestehen


Grenzboten I 1890 32
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[0257] [Abbildung] Die Nationalliberalen und die ^ozialistengesetzvorlage n der letzten Reichstagssitzung vom 25. Januar wurde das Sozialistengesetz mit t«i» gegen 98 Stimmen verworfen. Dieses Ergebnis ist dadurch herbeigeführt worden, daß die National- liberalen den H 24 der Vorlage, die Answeisungsbefugnis, in das Gesetz mit aufzunehmen sich scheuten. Es war das ein großer politischer Mißgriff. Es wäre jedenfalls besser gewesen, wenn der Theoretiker der Partei, von dem der Vorschlag, den Paragraphen zu streichen, ausging, die Sache nicht angerührt hätte, und wenn die Partei, nachdem das geschehen war, ihm nicht gefolgt wäre. Freilich sagen die Nativnallibernlen, und mit ihnen viele von der Reichspartei, die Ausweisungsbefugnis wäre bisher uur gefährlich gewesen, die Ausgewiesenen hätten der Svzialdemokrntie nur neue Agitationsherde geschaffen, auch da, wo sie bisher nicht bestanden habe, habe sie so Boden gewonnen. Die Ausweisung verbittere nur und wende den Ausgewiesenen auch aus nichtsozialdemokratischen Kreisen Mitleid zu. Wie auch sein mag, wenn die Regierung, die das alles auch weiß, da die Ver¬ treter des Bundesrates im Ausschusse es selbst zugaben, wenn sie dennoch, "bschvn nicht in der Schlußsitzung, aber früher, ans die bestimmteste Weise ^klärte: Wir brauchen das Gesetz mit der Ausweisungsbefugnis, wir brauchen gerade diese Vollmacht zur Abwehr der gemeingefährlichen Bestrebungen der Socialdemokratie; wenn sie alle andern Abschwächungen des Regieruugsent- wnrfes, die in der Richtung möglichster Übereinstimmung des Gesetzes mit dein allgemeinen Rechte lagen, willig hinnehmen wollte; wenn sie z. B. den Schild, g^'gen mißbräuchliche Handhabung des Gesetzes wesentlich verstärkte und in der ^schwerdeinstanz jede unbefangene Entscheidung ermöglicht sehen wollte, alles ^'s, wenn man ihr nur das eine, die Ausweisnngsbefugnis, zugestehen Grenzboten I 1890 32

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/257>, abgerufen am 26.06.2024.