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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Litteratur

Verdienst seines Biographen. Neue Aktenstücke hat er nicht aufgefunden, und
andre wichtige Entdeckungen hat er auch nicht gemacht. Aber er hat alle vor¬
handenen, für die Lebensgeschichte Watteaus verwendbaren Zeugnisse voll¬
ständiger und übersichtlicher zusammengestellt und verwertet als alle seine
Vorgänger und eine zusammenhängende geschichtliche Darstellung von Watteaus
Lebeus- und Entwicklungsgang geboten, gegen die sich triftige Einwendungen
kaum werden erheben lassen. Nach der unübertrefflichen wissenschaftlichen
Analyse, die Robert Dohme in mehrern Eiuzelschriften und Abhandlungen von
Watteaus Werken gegeben hat, hat sich Hannover mit Recht auf eine abermalige
Würdigung aller Gemälde des Künstlers uicht eingelassen, ebenso wie er die
ornamentalen und dekorativen Schöpfungen Watteaus uicht in den Kreis seiner
Betrachtung gezogen hat, weil diese nur im Zusammenhang mit der gesamten
Geschichte des Ornaments richtig verstanden und geschätzt werden können.
Was aber das innerste Wesen des Künstlers und seine Bedeutung für die
Kultur- und Kunstgeschichte ausmacht, hat er, wie wir glauben, in großen
Zügen endgiltig festgestellt.


Adolf Rosenberg


Litteratur
Elias, der Prophet. Ein althebrnischeS Epos, besprochen in elf Predigten von Moritz
Schwalb, O. tüsol., Prediger zu Bremen. Leipzig, O. Wignnd, 1889

Der Verfasser oder sagen wir "Kanzelredner" ist den Lesern schon als ein
der Linken des Protestantenvereins angehöriger Mann bekannt. Den. Vorzug hat
er, daß er nicht mit seinen Meinungen hinter dem Berge hält und keine Ver-
nnttlnngstheologie Pflegt. Seine Zuhörer legen ihm auch keine Rücksichten auf.
Da ihn Wunder auch nicht stören, so bewegt er sich völlig frei in seinem Text,
den er als ein nachbabylvnisches Epos behandelt, und der für manche gute oder
auch triviale Gedanken einen hübschen Anknüpfungspunkt bietet. Elias ist ihm ein
Typus, ein negativer Prophet, er verschließt den Himmel, er leugnet den Himmel,
er leugnet die Götter. So ist auch Jesus ihm negativ, er verwirft die pharisäische
Gerechtigkeit, die Gesetze von unreinen Speisen, spricht von der Zerstörung des
Tempels, vertreibt die Verkäufer, kurz, er ist el" "negativer" Mann. So auch
Paulus, so die Reformatoren, natürlich auch "wir freisinnigen Protestanten." Er
hält sie freilich alle für sehr Positiv, dagegen sind ihm die positiven negativ oder
vielmehr feig gegenüber der Wahrheit, der Vernunft und der Geschichte. Die Naben
am Bach Krith sind auch die negativen Gedanken, die Zweifel, die Elias nagten. So
müssen auch die Prediger den Leute" manche Gedanken stehlen, wie es die Naben thu",


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Verdienst seines Biographen. Neue Aktenstücke hat er nicht aufgefunden, und
andre wichtige Entdeckungen hat er auch nicht gemacht. Aber er hat alle vor¬
handenen, für die Lebensgeschichte Watteaus verwendbaren Zeugnisse voll¬
ständiger und übersichtlicher zusammengestellt und verwertet als alle seine
Vorgänger und eine zusammenhängende geschichtliche Darstellung von Watteaus
Lebeus- und Entwicklungsgang geboten, gegen die sich triftige Einwendungen
kaum werden erheben lassen. Nach der unübertrefflichen wissenschaftlichen
Analyse, die Robert Dohme in mehrern Eiuzelschriften und Abhandlungen von
Watteaus Werken gegeben hat, hat sich Hannover mit Recht auf eine abermalige
Würdigung aller Gemälde des Künstlers uicht eingelassen, ebenso wie er die
ornamentalen und dekorativen Schöpfungen Watteaus uicht in den Kreis seiner
Betrachtung gezogen hat, weil diese nur im Zusammenhang mit der gesamten
Geschichte des Ornaments richtig verstanden und geschätzt werden können.
Was aber das innerste Wesen des Künstlers und seine Bedeutung für die
Kultur- und Kunstgeschichte ausmacht, hat er, wie wir glauben, in großen
Zügen endgiltig festgestellt.


Adolf Rosenberg


Litteratur
Elias, der Prophet. Ein althebrnischeS Epos, besprochen in elf Predigten von Moritz
Schwalb, O. tüsol., Prediger zu Bremen. Leipzig, O. Wignnd, 1889

Der Verfasser oder sagen wir „Kanzelredner" ist den Lesern schon als ein
der Linken des Protestantenvereins angehöriger Mann bekannt. Den. Vorzug hat
er, daß er nicht mit seinen Meinungen hinter dem Berge hält und keine Ver-
nnttlnngstheologie Pflegt. Seine Zuhörer legen ihm auch keine Rücksichten auf.
Da ihn Wunder auch nicht stören, so bewegt er sich völlig frei in seinem Text,
den er als ein nachbabylvnisches Epos behandelt, und der für manche gute oder
auch triviale Gedanken einen hübschen Anknüpfungspunkt bietet. Elias ist ihm ein
Typus, ein negativer Prophet, er verschließt den Himmel, er leugnet den Himmel,
er leugnet die Götter. So ist auch Jesus ihm negativ, er verwirft die pharisäische
Gerechtigkeit, die Gesetze von unreinen Speisen, spricht von der Zerstörung des
Tempels, vertreibt die Verkäufer, kurz, er ist el» „negativer" Mann. So auch
Paulus, so die Reformatoren, natürlich auch „wir freisinnigen Protestanten." Er
hält sie freilich alle für sehr Positiv, dagegen sind ihm die positiven negativ oder
vielmehr feig gegenüber der Wahrheit, der Vernunft und der Geschichte. Die Naben
am Bach Krith sind auch die negativen Gedanken, die Zweifel, die Elias nagten. So
müssen auch die Prediger den Leute» manche Gedanken stehlen, wie es die Naben thu»,


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[0204] Litteratur Verdienst seines Biographen. Neue Aktenstücke hat er nicht aufgefunden, und andre wichtige Entdeckungen hat er auch nicht gemacht. Aber er hat alle vor¬ handenen, für die Lebensgeschichte Watteaus verwendbaren Zeugnisse voll¬ ständiger und übersichtlicher zusammengestellt und verwertet als alle seine Vorgänger und eine zusammenhängende geschichtliche Darstellung von Watteaus Lebeus- und Entwicklungsgang geboten, gegen die sich triftige Einwendungen kaum werden erheben lassen. Nach der unübertrefflichen wissenschaftlichen Analyse, die Robert Dohme in mehrern Eiuzelschriften und Abhandlungen von Watteaus Werken gegeben hat, hat sich Hannover mit Recht auf eine abermalige Würdigung aller Gemälde des Künstlers uicht eingelassen, ebenso wie er die ornamentalen und dekorativen Schöpfungen Watteaus uicht in den Kreis seiner Betrachtung gezogen hat, weil diese nur im Zusammenhang mit der gesamten Geschichte des Ornaments richtig verstanden und geschätzt werden können. Was aber das innerste Wesen des Künstlers und seine Bedeutung für die Kultur- und Kunstgeschichte ausmacht, hat er, wie wir glauben, in großen Zügen endgiltig festgestellt. Adolf Rosenberg Litteratur Elias, der Prophet. Ein althebrnischeS Epos, besprochen in elf Predigten von Moritz Schwalb, O. tüsol., Prediger zu Bremen. Leipzig, O. Wignnd, 1889 Der Verfasser oder sagen wir „Kanzelredner" ist den Lesern schon als ein der Linken des Protestantenvereins angehöriger Mann bekannt. Den. Vorzug hat er, daß er nicht mit seinen Meinungen hinter dem Berge hält und keine Ver- nnttlnngstheologie Pflegt. Seine Zuhörer legen ihm auch keine Rücksichten auf. Da ihn Wunder auch nicht stören, so bewegt er sich völlig frei in seinem Text, den er als ein nachbabylvnisches Epos behandelt, und der für manche gute oder auch triviale Gedanken einen hübschen Anknüpfungspunkt bietet. Elias ist ihm ein Typus, ein negativer Prophet, er verschließt den Himmel, er leugnet den Himmel, er leugnet die Götter. So ist auch Jesus ihm negativ, er verwirft die pharisäische Gerechtigkeit, die Gesetze von unreinen Speisen, spricht von der Zerstörung des Tempels, vertreibt die Verkäufer, kurz, er ist el» „negativer" Mann. So auch Paulus, so die Reformatoren, natürlich auch „wir freisinnigen Protestanten." Er hält sie freilich alle für sehr Positiv, dagegen sind ihm die positiven negativ oder vielmehr feig gegenüber der Wahrheit, der Vernunft und der Geschichte. Die Naben am Bach Krith sind auch die negativen Gedanken, die Zweifel, die Elias nagten. So müssen auch die Prediger den Leute» manche Gedanken stehlen, wie es die Naben thu»,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/204>, abgerufen am 23.07.2024.