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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Die Wohnungsnot der Beamten

bei Prüfung dieses Punktes mich überlegen, daß es sich nicht um bloße Zweck-
mäßigkeitsfragcn handelt. Der Staat hat vielmehr, da er seine Beamten an
einen bestimmten Ort weist und dort festhält, geradezu die Pflicht, ihnen dann
auch im Falle der Hilfsbedürftigkeit in geeigneter Weise beizubringen und
nicht dem Spiele eines selbstsüchtigen Jnteressenkampfes zu überlassen, worin
ihnen die natürlichen Waffen fehlen. Ist dies doch auch z. B. in Preußen in der
teilweise bestehenden Befreiung der Beamten von den örtlichen Steuern anerkannt.
Und es gelingt ja sonst, preiswürdige Wohnungen herzustellen! Man muß es
mit einem gewissen Neid ansehen, daß an vielen Orten Deutschlands große
Gewerbebetriebe ihren Arbeitern schmucke und behagliche Wohnungen gegen
ganz geringen Mietzins überlassen, die ihnen während der Arbeitsdaner nicht
genommen werden. Mau muß es als höherer Staatsbeamter mit Neid hören,
wenn die preußische Staatsverwaltung, wie in einer Provinzialkvrrespondcnz
ans dem Anfang der siebziger Jahre gesagt ist, auf all den Gebieten, auf
denen sie mit der Arbeiterbevölkerung in unmittelbare Berührung tritt, ihr
Augenmerk fort und fort darauf richten wolle, für die Verbesserung der Lage
derselben, insbesondre ihre SeßlMmachung einzutreten. Vornehmlich hat die
Verwaltung der Staatsbergwerke hier eine eifrige Fürsorge sich angelegen sein
lassen; auch bei der staatlichen Eisenbahuverwaltnng wird das der Fall sein.
Die Lage der höhern Staatsbeamten -- die ich hier vorzugsweise ins Auge
gefaßt habe -- ist trotz aller Verbesserungen in den letzten zwanzig bis
dreißig Jahren gewiß noch keine günstige. Vielmehr ist es unbestreitbar, daß
sie ohne Zuschuß aus eignem Vermögen eine Familie auch bei bescheidnen An¬
sprüchen nicht durchgingen können. Und nichts drückt mehr nieder, als eine
solche roh MssustA <in.M und der peinigende Zwang, diese vor dem zudring¬
lichen Auge des Nachbar" verborgen halten zu müssen. Umso wünschens¬
werter wäre es, dein Schlimmsten, der Wohnungsteuerung und der Wohnungs¬
not, in wirklich sachdienlicher Weise abzuhelfen. Dem Beamten bleibt doch noch
immer genug zu kämpfen übrig, um sich in einer Zeit, die große Reichtümer
an Einzelne' schenkt, dem widerwärtigen Geldprotzentnm gegenüber gesellschaft¬
lich aufrecht zu erhalten. Er hat genug, stehen ihm nicht selber Glücksgüter
M Gebote, an der bittern Wahrheit zu tragen, die in den Worten Juvenals liegt:


M Iiabst intstix xauxsrws cluiins in so,
Hu->,w yuocl riclionlos Kominos taon.

Seine Stellung wird Mttsv schwieriger, als, trotz der ungünstigen finanziellen
Lage, doch so außerordentlich viel Ansprüche an ihn herantreten, die er nicht
abweisen kann. Ich habe das oben schon gestreift: die Sammellisten für
wohlthätige und gemeinnützige Zwecke, Denkmäler und andre, ihm an sich fern
liegende Dinge werden ihm bekanntlich immer zuerst vorgelegt.

Um eine teure Wohnung erschwingen zu können, wird man ihm doch wohl
nicht den wohlfeilen Rat geben, sich im übrigen uoch mehr einzuschränken,


Die Wohnungsnot der Beamten

bei Prüfung dieses Punktes mich überlegen, daß es sich nicht um bloße Zweck-
mäßigkeitsfragcn handelt. Der Staat hat vielmehr, da er seine Beamten an
einen bestimmten Ort weist und dort festhält, geradezu die Pflicht, ihnen dann
auch im Falle der Hilfsbedürftigkeit in geeigneter Weise beizubringen und
nicht dem Spiele eines selbstsüchtigen Jnteressenkampfes zu überlassen, worin
ihnen die natürlichen Waffen fehlen. Ist dies doch auch z. B. in Preußen in der
teilweise bestehenden Befreiung der Beamten von den örtlichen Steuern anerkannt.
Und es gelingt ja sonst, preiswürdige Wohnungen herzustellen! Man muß es
mit einem gewissen Neid ansehen, daß an vielen Orten Deutschlands große
Gewerbebetriebe ihren Arbeitern schmucke und behagliche Wohnungen gegen
ganz geringen Mietzins überlassen, die ihnen während der Arbeitsdaner nicht
genommen werden. Mau muß es als höherer Staatsbeamter mit Neid hören,
wenn die preußische Staatsverwaltung, wie in einer Provinzialkvrrespondcnz
ans dem Anfang der siebziger Jahre gesagt ist, auf all den Gebieten, auf
denen sie mit der Arbeiterbevölkerung in unmittelbare Berührung tritt, ihr
Augenmerk fort und fort darauf richten wolle, für die Verbesserung der Lage
derselben, insbesondre ihre SeßlMmachung einzutreten. Vornehmlich hat die
Verwaltung der Staatsbergwerke hier eine eifrige Fürsorge sich angelegen sein
lassen; auch bei der staatlichen Eisenbahuverwaltnng wird das der Fall sein.
Die Lage der höhern Staatsbeamten — die ich hier vorzugsweise ins Auge
gefaßt habe — ist trotz aller Verbesserungen in den letzten zwanzig bis
dreißig Jahren gewiß noch keine günstige. Vielmehr ist es unbestreitbar, daß
sie ohne Zuschuß aus eignem Vermögen eine Familie auch bei bescheidnen An¬
sprüchen nicht durchgingen können. Und nichts drückt mehr nieder, als eine
solche roh MssustA <in.M und der peinigende Zwang, diese vor dem zudring¬
lichen Auge des Nachbar» verborgen halten zu müssen. Umso wünschens¬
werter wäre es, dein Schlimmsten, der Wohnungsteuerung und der Wohnungs¬
not, in wirklich sachdienlicher Weise abzuhelfen. Dem Beamten bleibt doch noch
immer genug zu kämpfen übrig, um sich in einer Zeit, die große Reichtümer
an Einzelne' schenkt, dem widerwärtigen Geldprotzentnm gegenüber gesellschaft¬
lich aufrecht zu erhalten. Er hat genug, stehen ihm nicht selber Glücksgüter
M Gebote, an der bittern Wahrheit zu tragen, die in den Worten Juvenals liegt:


M Iiabst intstix xauxsrws cluiins in so,
Hu->,w yuocl riclionlos Kominos taon.

Seine Stellung wird Mttsv schwieriger, als, trotz der ungünstigen finanziellen
Lage, doch so außerordentlich viel Ansprüche an ihn herantreten, die er nicht
abweisen kann. Ich habe das oben schon gestreift: die Sammellisten für
wohlthätige und gemeinnützige Zwecke, Denkmäler und andre, ihm an sich fern
liegende Dinge werden ihm bekanntlich immer zuerst vorgelegt.

Um eine teure Wohnung erschwingen zu können, wird man ihm doch wohl
nicht den wohlfeilen Rat geben, sich im übrigen uoch mehr einzuschränken,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/125>, abgerufen am 23.07.2024.