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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Die Pforte, Frankreich und der Sklavenhandel

allenthalben bereit sein, sich gegen ihre unbarmherzigen Unterdrücker zu erheben,
sobald die Umstände günstig wären. Von 1861 bis 1864 hatten sie solche
Gelegenheit reichlich. Die gesamte Männerwelt der Weißen im Süden wurde
zu den Waffen gerufen und in den Krieg hinausgesandt. Jefferson Davis
hatte, wie die Redner des Nordens sagten, "Wiege und Großvaterstuhl zur
Füllung seiner Reihen beraubt." Die Wohnstütten, das Eigentum, die Weiber
und die Kinder der konföderirteu Krieger blieben der Sorge von Sklaven über¬
lassen zurück, Wochen- und monatelang. Und doch kein einziges Beispiel, daß
die Neger sich gegen ihre Herrinnen und ihre jungen Herren empört hätten.
Im Gegenteil, sie dienten ihnen nach wie vor und halfen ihnen mit rührender
Ergebenheit bis zuletzt, als ob ihre Eigentümer noch immer unbestrittene Ge¬
bieter im Lande gewesen wären. Das rechtfertigt die Sklaverei nicht, es be¬
weist aber unstreitig die Thatsache, daß, wenn das System verwerflich war,
die, die damit arbeiteten, viel besser waren: die Herren im Süden müssen gute
Herren gewesen sein, da sie sich die feste Treue ihrer Sklaven gesichert hatten.

An die Aufhebung der Sklaverei in den Vereinigten Staaten schloß sich
1871 in Brasilien das Gesetz, das ihr allmähliches Aufhören mit der Zwischen¬
stufe der "Lehrlingsjahre" anordnete, und ungefähr zu derselben Zeit wurde
auf Cuba die Befreiung der Sklaven unter harten Kämpfen durchgesetzt. 1877
erfolgte, von den Engländern mit Eifer betrieben, die Abschaffung der Sklaverei
unter deu Hovas vou Madagaskar, und in demselben Jahre schloß England
mit Ägypten einen Vertrag ab, nach dem die Einfuhr und Ausfuhr von
Negersklaven in letzterm Lande fortan unbedingt Verbote" sein sollte, und der
die Verstümmelung von Negerknaben zu künstigen Haremswächtern bei schwerer
Strafe untersagte. Er ermächtigte ferner englische Kreuzer, Schiffe unter ägyp¬
tischer Flagge uach Sklaveufrncht zu durchsuchen und uach Befinden aufzu¬
bringen, und umgekehrt ägyptische Schiffe, die unter englischer Flagge in
ägyptischen Gewässern Sklaven an Bord führen sollten, wegzunehmen. Zu
gleicher Zeit verpflichtete sich endlich der Khedive, binnen sieben Jahren in
allen Nilländern mit Einschluß des Sudan die Sklaverei abzuschaffen, was
durch den bisherigen Sieg des Mahdismus bis auf weiteres im Süden der
ägyptischen Grenze unmöglich geworden ist.

Dagegen haben jetzt die Bemühungen Englands und Deutschlands, dem
afrikanischen Sklavenhandel zu steuern, in der Türkei Erfolg gehabt. Die
Sklaverei besteht hier gleichfalls in milder Gestalt. Nicht selten sind Fälle,
daß weiße Sklaven zu hohen Ehre" und Würden im ottomanischen Reiche
emporstiegen. Weiße Sklavinnen, die in das Harem des Sultaus verkauft worden
sind, können unter Umständen zu Müttern von Beherrschern der Gläubigen,
Sklaven zu Paschas höchsten Ranges, Statthaltern und Ministern werden.
Der schwarze Sklave hat zwar keine so glänzenden Aussichten, aber in einem
Lande, wo alles mehr oder minder von der Laune seines despotischen Gebieters


Die Pforte, Frankreich und der Sklavenhandel

allenthalben bereit sein, sich gegen ihre unbarmherzigen Unterdrücker zu erheben,
sobald die Umstände günstig wären. Von 1861 bis 1864 hatten sie solche
Gelegenheit reichlich. Die gesamte Männerwelt der Weißen im Süden wurde
zu den Waffen gerufen und in den Krieg hinausgesandt. Jefferson Davis
hatte, wie die Redner des Nordens sagten, „Wiege und Großvaterstuhl zur
Füllung seiner Reihen beraubt." Die Wohnstütten, das Eigentum, die Weiber
und die Kinder der konföderirteu Krieger blieben der Sorge von Sklaven über¬
lassen zurück, Wochen- und monatelang. Und doch kein einziges Beispiel, daß
die Neger sich gegen ihre Herrinnen und ihre jungen Herren empört hätten.
Im Gegenteil, sie dienten ihnen nach wie vor und halfen ihnen mit rührender
Ergebenheit bis zuletzt, als ob ihre Eigentümer noch immer unbestrittene Ge¬
bieter im Lande gewesen wären. Das rechtfertigt die Sklaverei nicht, es be¬
weist aber unstreitig die Thatsache, daß, wenn das System verwerflich war,
die, die damit arbeiteten, viel besser waren: die Herren im Süden müssen gute
Herren gewesen sein, da sie sich die feste Treue ihrer Sklaven gesichert hatten.

An die Aufhebung der Sklaverei in den Vereinigten Staaten schloß sich
1871 in Brasilien das Gesetz, das ihr allmähliches Aufhören mit der Zwischen¬
stufe der „Lehrlingsjahre" anordnete, und ungefähr zu derselben Zeit wurde
auf Cuba die Befreiung der Sklaven unter harten Kämpfen durchgesetzt. 1877
erfolgte, von den Engländern mit Eifer betrieben, die Abschaffung der Sklaverei
unter deu Hovas vou Madagaskar, und in demselben Jahre schloß England
mit Ägypten einen Vertrag ab, nach dem die Einfuhr und Ausfuhr von
Negersklaven in letzterm Lande fortan unbedingt Verbote» sein sollte, und der
die Verstümmelung von Negerknaben zu künstigen Haremswächtern bei schwerer
Strafe untersagte. Er ermächtigte ferner englische Kreuzer, Schiffe unter ägyp¬
tischer Flagge uach Sklaveufrncht zu durchsuchen und uach Befinden aufzu¬
bringen, und umgekehrt ägyptische Schiffe, die unter englischer Flagge in
ägyptischen Gewässern Sklaven an Bord führen sollten, wegzunehmen. Zu
gleicher Zeit verpflichtete sich endlich der Khedive, binnen sieben Jahren in
allen Nilländern mit Einschluß des Sudan die Sklaverei abzuschaffen, was
durch den bisherigen Sieg des Mahdismus bis auf weiteres im Süden der
ägyptischen Grenze unmöglich geworden ist.

Dagegen haben jetzt die Bemühungen Englands und Deutschlands, dem
afrikanischen Sklavenhandel zu steuern, in der Türkei Erfolg gehabt. Die
Sklaverei besteht hier gleichfalls in milder Gestalt. Nicht selten sind Fälle,
daß weiße Sklaven zu hohen Ehre» und Würden im ottomanischen Reiche
emporstiegen. Weiße Sklavinnen, die in das Harem des Sultaus verkauft worden
sind, können unter Umständen zu Müttern von Beherrschern der Gläubigen,
Sklaven zu Paschas höchsten Ranges, Statthaltern und Ministern werden.
Der schwarze Sklave hat zwar keine so glänzenden Aussichten, aber in einem
Lande, wo alles mehr oder minder von der Laune seines despotischen Gebieters


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[0116] Die Pforte, Frankreich und der Sklavenhandel allenthalben bereit sein, sich gegen ihre unbarmherzigen Unterdrücker zu erheben, sobald die Umstände günstig wären. Von 1861 bis 1864 hatten sie solche Gelegenheit reichlich. Die gesamte Männerwelt der Weißen im Süden wurde zu den Waffen gerufen und in den Krieg hinausgesandt. Jefferson Davis hatte, wie die Redner des Nordens sagten, „Wiege und Großvaterstuhl zur Füllung seiner Reihen beraubt." Die Wohnstütten, das Eigentum, die Weiber und die Kinder der konföderirteu Krieger blieben der Sorge von Sklaven über¬ lassen zurück, Wochen- und monatelang. Und doch kein einziges Beispiel, daß die Neger sich gegen ihre Herrinnen und ihre jungen Herren empört hätten. Im Gegenteil, sie dienten ihnen nach wie vor und halfen ihnen mit rührender Ergebenheit bis zuletzt, als ob ihre Eigentümer noch immer unbestrittene Ge¬ bieter im Lande gewesen wären. Das rechtfertigt die Sklaverei nicht, es be¬ weist aber unstreitig die Thatsache, daß, wenn das System verwerflich war, die, die damit arbeiteten, viel besser waren: die Herren im Süden müssen gute Herren gewesen sein, da sie sich die feste Treue ihrer Sklaven gesichert hatten. An die Aufhebung der Sklaverei in den Vereinigten Staaten schloß sich 1871 in Brasilien das Gesetz, das ihr allmähliches Aufhören mit der Zwischen¬ stufe der „Lehrlingsjahre" anordnete, und ungefähr zu derselben Zeit wurde auf Cuba die Befreiung der Sklaven unter harten Kämpfen durchgesetzt. 1877 erfolgte, von den Engländern mit Eifer betrieben, die Abschaffung der Sklaverei unter deu Hovas vou Madagaskar, und in demselben Jahre schloß England mit Ägypten einen Vertrag ab, nach dem die Einfuhr und Ausfuhr von Negersklaven in letzterm Lande fortan unbedingt Verbote» sein sollte, und der die Verstümmelung von Negerknaben zu künstigen Haremswächtern bei schwerer Strafe untersagte. Er ermächtigte ferner englische Kreuzer, Schiffe unter ägyp¬ tischer Flagge uach Sklaveufrncht zu durchsuchen und uach Befinden aufzu¬ bringen, und umgekehrt ägyptische Schiffe, die unter englischer Flagge in ägyptischen Gewässern Sklaven an Bord führen sollten, wegzunehmen. Zu gleicher Zeit verpflichtete sich endlich der Khedive, binnen sieben Jahren in allen Nilländern mit Einschluß des Sudan die Sklaverei abzuschaffen, was durch den bisherigen Sieg des Mahdismus bis auf weiteres im Süden der ägyptischen Grenze unmöglich geworden ist. Dagegen haben jetzt die Bemühungen Englands und Deutschlands, dem afrikanischen Sklavenhandel zu steuern, in der Türkei Erfolg gehabt. Die Sklaverei besteht hier gleichfalls in milder Gestalt. Nicht selten sind Fälle, daß weiße Sklaven zu hohen Ehre» und Würden im ottomanischen Reiche emporstiegen. Weiße Sklavinnen, die in das Harem des Sultaus verkauft worden sind, können unter Umständen zu Müttern von Beherrschern der Gläubigen, Sklaven zu Paschas höchsten Ranges, Statthaltern und Ministern werden. Der schwarze Sklave hat zwar keine so glänzenden Aussichten, aber in einem Lande, wo alles mehr oder minder von der Laune seines despotischen Gebieters

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/116>, abgerufen am 25.08.2024.