Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Uiindigung der Bankilotenprivilegien

Recht konnte vor 1866 ein deutscher Mittel- oder Kleinstaat an eine Privat¬
gesellschaft in irgend welchem Umfange abgeben; damals fehlte es an dem
Verständnis für den wahren Begriff der Souveränität, und das war bei deu
damaligen zerfnhruen Verhältnissen erklärlich, tuo der Begriff staatlicher Würde
vielfach verblaßt oder verloren war. Und 1875 mußte den Bniern (die zwar
1871 bei Verteilung der französischen Kriegsentschädigung einen sie sehr be¬
günstigenden Modus erlangten, indem nur zum Teil die militärische Leistung
als Maßstab der Verteilung angenommen wurde, und die sich der neuen
Spiritusbesteuerung, um das hohe Aufbringen des armen Nordostens mit zu
genießen, schleunigst angeschlossen haben, aber sonst mit größter Eifersucht jedes
Titelchen ihrer Reservatrechte, auch der unerträglichsten festhalten) noch eine be¬
sonders bevorzugte Privatnotenbnnk zugestanden werden, während gleichzeitig
Preußen seine Notenbank dem Allgemeinen zum Besten in der Neichsbank auf¬
gehen ließ! Wenn sich aber heute noch solcher Svndergeist breit machte, dann
müßte man mit Ingrimm und Scham sich von diesem Bilde wegwenden. Wir
erachten es deshalb auch hier für ganz unmöglich, daß heute noch ein Einzelstaat
für denkbar hielte, das Reich konnte seine Hoheitsrechte im Bankwesen mit
irgend einem Privatnvtenbänkchen oder einem Einzelstaate irgendwie teilen.
Aber wie das Reich das nicht kann, weil es seiner Würde widerspricht, so kaun
es aus diesem Grunde auch das Nvtenprivileg nicht weiter an eine unter
Reichsverwaltung stehende Anstalt abgeben, zu der das Privatpublikum das
Geld hergiebt, deren Inhaber also dieses Publikum ist und deren Geschäfte
von letzterm irgendwie beeinflußt werden können.

Solche Beeinflussung der Verwaltung der Neichsbank durch ihren Zen¬
tralausschuß und seine Deputirte oder wenigstens die Möglichkeit derartiger Beein¬
flussung und die Möglichkeit, daß die Kunden der Neichsbank, insbesondre
die Vertreter der Großfinanz, durch Einblick in die Geschäfte des Instituts
solche Beeinflussung in einer sie bevorzugenden Weise erfahren, läßt uns die
Fortdauer der jetzigen Neichsbank mit Privatkapital nicht erträglich erscheinen.
Die Leitung der Neichsbank ist nach allgemeiner Ansicht so vorzüglich, so gerecht
und gewissenhaft, so vorsichtig nud doch so entgegenkommend, so umsichtig, daß
es einer solchen bedenklichen Kontrole ebensowenig bedarf wie bei andern Staats¬
und Neichsämteru, z. B. der Post und Telegraphie und den Eisenbahnen.
Es würde genügen, wenn der Reichsbankverwaltnng ein ans verschiednen
Erwerbskreisen, nicht einseitig aus Mitgliedern der Grvßfinnnz, zusammen¬
gesetzter Beirat etwa nach Art der Eisenbahnräte beigegeben würde, der
aber nur fakultativ zu hören wäre und einzelne Kreditbewilliguugen nicht
beeinflussen dürfte. Der für Einhaltung der richtigen Grundsätze in der Bank¬
leitung erforderliche Überblick über alle geschäftlichen Verhältnisse der Nation --
namentlich betreffs der Diskvntobestimmung und der Regelung der Zahlungs¬
bilanz -- würde der "bersten Bankleituug auch durch andre Informationen als


Die Uiindigung der Bankilotenprivilegien

Recht konnte vor 1866 ein deutscher Mittel- oder Kleinstaat an eine Privat¬
gesellschaft in irgend welchem Umfange abgeben; damals fehlte es an dem
Verständnis für den wahren Begriff der Souveränität, und das war bei deu
damaligen zerfnhruen Verhältnissen erklärlich, tuo der Begriff staatlicher Würde
vielfach verblaßt oder verloren war. Und 1875 mußte den Bniern (die zwar
1871 bei Verteilung der französischen Kriegsentschädigung einen sie sehr be¬
günstigenden Modus erlangten, indem nur zum Teil die militärische Leistung
als Maßstab der Verteilung angenommen wurde, und die sich der neuen
Spiritusbesteuerung, um das hohe Aufbringen des armen Nordostens mit zu
genießen, schleunigst angeschlossen haben, aber sonst mit größter Eifersucht jedes
Titelchen ihrer Reservatrechte, auch der unerträglichsten festhalten) noch eine be¬
sonders bevorzugte Privatnotenbnnk zugestanden werden, während gleichzeitig
Preußen seine Notenbank dem Allgemeinen zum Besten in der Neichsbank auf¬
gehen ließ! Wenn sich aber heute noch solcher Svndergeist breit machte, dann
müßte man mit Ingrimm und Scham sich von diesem Bilde wegwenden. Wir
erachten es deshalb auch hier für ganz unmöglich, daß heute noch ein Einzelstaat
für denkbar hielte, das Reich konnte seine Hoheitsrechte im Bankwesen mit
irgend einem Privatnvtenbänkchen oder einem Einzelstaate irgendwie teilen.
Aber wie das Reich das nicht kann, weil es seiner Würde widerspricht, so kaun
es aus diesem Grunde auch das Nvtenprivileg nicht weiter an eine unter
Reichsverwaltung stehende Anstalt abgeben, zu der das Privatpublikum das
Geld hergiebt, deren Inhaber also dieses Publikum ist und deren Geschäfte
von letzterm irgendwie beeinflußt werden können.

Solche Beeinflussung der Verwaltung der Neichsbank durch ihren Zen¬
tralausschuß und seine Deputirte oder wenigstens die Möglichkeit derartiger Beein¬
flussung und die Möglichkeit, daß die Kunden der Neichsbank, insbesondre
die Vertreter der Großfinanz, durch Einblick in die Geschäfte des Instituts
solche Beeinflussung in einer sie bevorzugenden Weise erfahren, läßt uns die
Fortdauer der jetzigen Neichsbank mit Privatkapital nicht erträglich erscheinen.
Die Leitung der Neichsbank ist nach allgemeiner Ansicht so vorzüglich, so gerecht
und gewissenhaft, so vorsichtig nud doch so entgegenkommend, so umsichtig, daß
es einer solchen bedenklichen Kontrole ebensowenig bedarf wie bei andern Staats¬
und Neichsämteru, z. B. der Post und Telegraphie und den Eisenbahnen.
Es würde genügen, wenn der Reichsbankverwaltnng ein ans verschiednen
Erwerbskreisen, nicht einseitig aus Mitgliedern der Grvßfinnnz, zusammen¬
gesetzter Beirat etwa nach Art der Eisenbahnräte beigegeben würde, der
aber nur fakultativ zu hören wäre und einzelne Kreditbewilliguugen nicht
beeinflussen dürfte. Der für Einhaltung der richtigen Grundsätze in der Bank¬
leitung erforderliche Überblick über alle geschäftlichen Verhältnisse der Nation —
namentlich betreffs der Diskvntobestimmung und der Regelung der Zahlungs¬
bilanz — würde der »bersten Bankleituug auch durch andre Informationen als


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0080" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206079"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Uiindigung der Bankilotenprivilegien</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_294" prev="#ID_293"> Recht konnte vor 1866 ein deutscher Mittel- oder Kleinstaat an eine Privat¬<lb/>
gesellschaft in irgend welchem Umfange abgeben; damals fehlte es an dem<lb/>
Verständnis für den wahren Begriff der Souveränität, und das war bei deu<lb/>
damaligen zerfnhruen Verhältnissen erklärlich, tuo der Begriff staatlicher Würde<lb/>
vielfach verblaßt oder verloren war. Und 1875 mußte den Bniern (die zwar<lb/>
1871 bei Verteilung der französischen Kriegsentschädigung einen sie sehr be¬<lb/>
günstigenden Modus erlangten, indem nur zum Teil die militärische Leistung<lb/>
als Maßstab der Verteilung angenommen wurde, und die sich der neuen<lb/>
Spiritusbesteuerung, um das hohe Aufbringen des armen Nordostens mit zu<lb/>
genießen, schleunigst angeschlossen haben, aber sonst mit größter Eifersucht jedes<lb/>
Titelchen ihrer Reservatrechte, auch der unerträglichsten festhalten) noch eine be¬<lb/>
sonders bevorzugte Privatnotenbnnk zugestanden werden, während gleichzeitig<lb/>
Preußen seine Notenbank dem Allgemeinen zum Besten in der Neichsbank auf¬<lb/>
gehen ließ! Wenn sich aber heute noch solcher Svndergeist breit machte, dann<lb/>
müßte man mit Ingrimm und Scham sich von diesem Bilde wegwenden. Wir<lb/>
erachten es deshalb auch hier für ganz unmöglich, daß heute noch ein Einzelstaat<lb/>
für denkbar hielte, das Reich konnte seine Hoheitsrechte im Bankwesen mit<lb/>
irgend einem Privatnvtenbänkchen oder einem Einzelstaate irgendwie teilen.<lb/>
Aber wie das Reich das nicht kann, weil es seiner Würde widerspricht, so kaun<lb/>
es aus diesem Grunde auch das Nvtenprivileg nicht weiter an eine unter<lb/>
Reichsverwaltung stehende Anstalt abgeben, zu der das Privatpublikum das<lb/>
Geld hergiebt, deren Inhaber also dieses Publikum ist und deren Geschäfte<lb/>
von letzterm irgendwie beeinflußt werden können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_295" next="#ID_296"> Solche Beeinflussung der Verwaltung der Neichsbank durch ihren Zen¬<lb/>
tralausschuß und seine Deputirte oder wenigstens die Möglichkeit derartiger Beein¬<lb/>
flussung und die Möglichkeit, daß die Kunden der Neichsbank, insbesondre<lb/>
die Vertreter der Großfinanz, durch Einblick in die Geschäfte des Instituts<lb/>
solche Beeinflussung in einer sie bevorzugenden Weise erfahren, läßt uns die<lb/>
Fortdauer der jetzigen Neichsbank mit Privatkapital nicht erträglich erscheinen.<lb/>
Die Leitung der Neichsbank ist nach allgemeiner Ansicht so vorzüglich, so gerecht<lb/>
und gewissenhaft, so vorsichtig nud doch so entgegenkommend, so umsichtig, daß<lb/>
es einer solchen bedenklichen Kontrole ebensowenig bedarf wie bei andern Staats¬<lb/>
und Neichsämteru, z. B. der Post und Telegraphie und den Eisenbahnen.<lb/>
Es würde genügen, wenn der Reichsbankverwaltnng ein ans verschiednen<lb/>
Erwerbskreisen, nicht einseitig aus Mitgliedern der Grvßfinnnz, zusammen¬<lb/>
gesetzter Beirat etwa nach Art der Eisenbahnräte beigegeben würde, der<lb/>
aber nur fakultativ zu hören wäre und einzelne Kreditbewilliguugen nicht<lb/>
beeinflussen dürfte. Der für Einhaltung der richtigen Grundsätze in der Bank¬<lb/>
leitung erforderliche Überblick über alle geschäftlichen Verhältnisse der Nation &#x2014;<lb/>
namentlich betreffs der Diskvntobestimmung und der Regelung der Zahlungs¬<lb/>
bilanz &#x2014; würde der »bersten Bankleituug auch durch andre Informationen als</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0080] Die Uiindigung der Bankilotenprivilegien Recht konnte vor 1866 ein deutscher Mittel- oder Kleinstaat an eine Privat¬ gesellschaft in irgend welchem Umfange abgeben; damals fehlte es an dem Verständnis für den wahren Begriff der Souveränität, und das war bei deu damaligen zerfnhruen Verhältnissen erklärlich, tuo der Begriff staatlicher Würde vielfach verblaßt oder verloren war. Und 1875 mußte den Bniern (die zwar 1871 bei Verteilung der französischen Kriegsentschädigung einen sie sehr be¬ günstigenden Modus erlangten, indem nur zum Teil die militärische Leistung als Maßstab der Verteilung angenommen wurde, und die sich der neuen Spiritusbesteuerung, um das hohe Aufbringen des armen Nordostens mit zu genießen, schleunigst angeschlossen haben, aber sonst mit größter Eifersucht jedes Titelchen ihrer Reservatrechte, auch der unerträglichsten festhalten) noch eine be¬ sonders bevorzugte Privatnotenbnnk zugestanden werden, während gleichzeitig Preußen seine Notenbank dem Allgemeinen zum Besten in der Neichsbank auf¬ gehen ließ! Wenn sich aber heute noch solcher Svndergeist breit machte, dann müßte man mit Ingrimm und Scham sich von diesem Bilde wegwenden. Wir erachten es deshalb auch hier für ganz unmöglich, daß heute noch ein Einzelstaat für denkbar hielte, das Reich konnte seine Hoheitsrechte im Bankwesen mit irgend einem Privatnvtenbänkchen oder einem Einzelstaate irgendwie teilen. Aber wie das Reich das nicht kann, weil es seiner Würde widerspricht, so kaun es aus diesem Grunde auch das Nvtenprivileg nicht weiter an eine unter Reichsverwaltung stehende Anstalt abgeben, zu der das Privatpublikum das Geld hergiebt, deren Inhaber also dieses Publikum ist und deren Geschäfte von letzterm irgendwie beeinflußt werden können. Solche Beeinflussung der Verwaltung der Neichsbank durch ihren Zen¬ tralausschuß und seine Deputirte oder wenigstens die Möglichkeit derartiger Beein¬ flussung und die Möglichkeit, daß die Kunden der Neichsbank, insbesondre die Vertreter der Großfinanz, durch Einblick in die Geschäfte des Instituts solche Beeinflussung in einer sie bevorzugenden Weise erfahren, läßt uns die Fortdauer der jetzigen Neichsbank mit Privatkapital nicht erträglich erscheinen. Die Leitung der Neichsbank ist nach allgemeiner Ansicht so vorzüglich, so gerecht und gewissenhaft, so vorsichtig nud doch so entgegenkommend, so umsichtig, daß es einer solchen bedenklichen Kontrole ebensowenig bedarf wie bei andern Staats¬ und Neichsämteru, z. B. der Post und Telegraphie und den Eisenbahnen. Es würde genügen, wenn der Reichsbankverwaltnng ein ans verschiednen Erwerbskreisen, nicht einseitig aus Mitgliedern der Grvßfinnnz, zusammen¬ gesetzter Beirat etwa nach Art der Eisenbahnräte beigegeben würde, der aber nur fakultativ zu hören wäre und einzelne Kreditbewilliguugen nicht beeinflussen dürfte. Der für Einhaltung der richtigen Grundsätze in der Bank¬ leitung erforderliche Überblick über alle geschäftlichen Verhältnisse der Nation — namentlich betreffs der Diskvntobestimmung und der Regelung der Zahlungs¬ bilanz — würde der »bersten Bankleituug auch durch andre Informationen als

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/80
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/80>, abgerufen am 30.06.2024.