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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Im August des Jahres 1863 hatte bekanntlich auf Betreiben Österreichs
auch der Frankfurter Fürstentag stattgefunden. Die k. k. Regierung hatte ver¬
sucht, die alte Politik des Fürsten Felix von Schwarzenberg, die seinerzeit dem
preußischen Staate ein Warschau und ein Olmütz bereitet hatte, fortzusetzen
und zu Ende zu führen. Die Festigkeit, mit der .König Wilhelm ans den Rat
seines Ministerpräsidenten allen Zumutungen des Kaisers und der Bundes¬
fürsten entgegentrat, hatten die Versuche, Preußen in seiner deutschen und
europäischen Stellung noch mehr herabzudrücken, zum Scheitern gebracht. Die
Politik Bismnrcks hatte offenbar einen bedeutenden diplomatische,: Erfolg er¬
rungen; Preußen begann wieder die Stellung einzunehmen, die es auf Grund
seiner ruhmreichen Geschichte beanspruchen konnte und mußte. In der Hoffnung,
daß dieses kräftige Auftreten nach außen seine Wirkung im Innern nicht ver¬
fehlen würde, schlugen die Minister, die einsahen, daß von dem damaligen
Hause der Abgeordneten eine Mitwirkung bei einer festen und patriotischen
Politik nicht zu erwarten war, dem Könige die Auslösung dieses Hauses und
die Anordnung von Neuwahlen vor (2. September). Die allgemeinen Wahlen,
die am 28. Oktober stattfanden, täuschten jedoch die Hoffnung der Regierung
vollständig. Nur 37 ihrer Anhänger wurden gewählt; die altlibcrale Fraktion
verschwand fast Vollständig, und die Sitze, die sie und die katholische Fraktion
verloren, fielen der Fortschrittspartei zu.

Der neue Landtag wurde am 9. November durch den König in Person
eröffnet; wie immer, war die Thronrede in ruhigem, versöhnlichem und ent¬
gegenkommenden Tone gehalten. In der Hauptsache freilich, in der Heeres-
umgestaltuug, konnten wesentliche Zugeständnisse nicht gemacht werden. Denn
die Wehrkraft Preußens schwächen, namentlich unter den damaligen Verhält¬
nissen, Hütte geheißen den Staat ins Verderben stürzen. Daß mit dem neuen
Abgeordnetenhause ebenso wenig eine Verständigung zu erzielen war, wie mit
dem vorigen, bewies sofort die Wahl der Vorsitzenden, nämlich der Herren
Grabow, von Unruh und von Bockum-Dolffs. Der Nachtragsetat für 1863
und das Budget für 1864 wurden dem Hanse zwar vorgelegt, aber vorläufig
unerledigt gelassen. Dafür fanden lauge Debatten statt über die sogenannte
Preßvrdouuauz, die denn auch vom König aufgehoben wurde. Dann wurde
auf den Antrag von Schulze-Delitzsch und Carlowitz eine Kommission eingesetzt
zur Untersuchung der gesetzwidrigen Wahlbeeinflussungen und der Verkümmerung
der verfassungsmäßigen Wahlfreiheit preußischer Staatsbürger. Dazwischen
brachten die Herren Stavenhagen und Virchow im Namen ihrer Parteien eine
Jnterpellation in der Schleswig-holsteinischen Frage ein (23. November). Daß
sie sich dabei ganz ans einen prenßenfeindlichen, mittelstaatlichen Standpunkt
stellten, war nach der bisherigen Haltung der Fortschrittspartei fast selbst¬
verständlich. Die Schaffung eines neuen schwächlichen Kleinstaates, der immer
zu Preußens Gegnern gehört haben würde, und der trotzdem immer auf


Im August des Jahres 1863 hatte bekanntlich auf Betreiben Österreichs
auch der Frankfurter Fürstentag stattgefunden. Die k. k. Regierung hatte ver¬
sucht, die alte Politik des Fürsten Felix von Schwarzenberg, die seinerzeit dem
preußischen Staate ein Warschau und ein Olmütz bereitet hatte, fortzusetzen
und zu Ende zu führen. Die Festigkeit, mit der .König Wilhelm ans den Rat
seines Ministerpräsidenten allen Zumutungen des Kaisers und der Bundes¬
fürsten entgegentrat, hatten die Versuche, Preußen in seiner deutschen und
europäischen Stellung noch mehr herabzudrücken, zum Scheitern gebracht. Die
Politik Bismnrcks hatte offenbar einen bedeutenden diplomatische,: Erfolg er¬
rungen; Preußen begann wieder die Stellung einzunehmen, die es auf Grund
seiner ruhmreichen Geschichte beanspruchen konnte und mußte. In der Hoffnung,
daß dieses kräftige Auftreten nach außen seine Wirkung im Innern nicht ver¬
fehlen würde, schlugen die Minister, die einsahen, daß von dem damaligen
Hause der Abgeordneten eine Mitwirkung bei einer festen und patriotischen
Politik nicht zu erwarten war, dem Könige die Auslösung dieses Hauses und
die Anordnung von Neuwahlen vor (2. September). Die allgemeinen Wahlen,
die am 28. Oktober stattfanden, täuschten jedoch die Hoffnung der Regierung
vollständig. Nur 37 ihrer Anhänger wurden gewählt; die altlibcrale Fraktion
verschwand fast Vollständig, und die Sitze, die sie und die katholische Fraktion
verloren, fielen der Fortschrittspartei zu.

Der neue Landtag wurde am 9. November durch den König in Person
eröffnet; wie immer, war die Thronrede in ruhigem, versöhnlichem und ent¬
gegenkommenden Tone gehalten. In der Hauptsache freilich, in der Heeres-
umgestaltuug, konnten wesentliche Zugeständnisse nicht gemacht werden. Denn
die Wehrkraft Preußens schwächen, namentlich unter den damaligen Verhält¬
nissen, Hütte geheißen den Staat ins Verderben stürzen. Daß mit dem neuen
Abgeordnetenhause ebenso wenig eine Verständigung zu erzielen war, wie mit
dem vorigen, bewies sofort die Wahl der Vorsitzenden, nämlich der Herren
Grabow, von Unruh und von Bockum-Dolffs. Der Nachtragsetat für 1863
und das Budget für 1864 wurden dem Hanse zwar vorgelegt, aber vorläufig
unerledigt gelassen. Dafür fanden lauge Debatten statt über die sogenannte
Preßvrdouuauz, die denn auch vom König aufgehoben wurde. Dann wurde
auf den Antrag von Schulze-Delitzsch und Carlowitz eine Kommission eingesetzt
zur Untersuchung der gesetzwidrigen Wahlbeeinflussungen und der Verkümmerung
der verfassungsmäßigen Wahlfreiheit preußischer Staatsbürger. Dazwischen
brachten die Herren Stavenhagen und Virchow im Namen ihrer Parteien eine
Jnterpellation in der Schleswig-holsteinischen Frage ein (23. November). Daß
sie sich dabei ganz ans einen prenßenfeindlichen, mittelstaatlichen Standpunkt
stellten, war nach der bisherigen Haltung der Fortschrittspartei fast selbst¬
verständlich. Die Schaffung eines neuen schwächlichen Kleinstaates, der immer
zu Preußens Gegnern gehört haben würde, und der trotzdem immer auf


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/552>, abgerufen am 21.12.2024.