Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Ans Neuösterreich

ein paar zerlumpte Ziegenhirten ausgenommen, ich möchte die Bande einmal
in ihren Nestern aufsuchen, um mit ihnen zu plaudern, vor allem aber möchte
ich deu Dormitor besteigen." "Hast du einen Paß?" "Keine Spur, den alten
Lump von Kommandanten der nächsten Station, wo die Qnasitruppen der
Montenegriner liegen, kenne ich genau, er ist much schon bei mir gewesen, hat
mir Arznei und sonst allerlei abgeschwindelt, ich bin ihm einen Gegenbesuch
schuldig, und dn gehen wir eben zusammen." Ich hatte noch allerhand Be¬
denken, erst vor vier Wochen hatte ich einen Montenegriner, der sich ohne
Paß auf unser Gebiet gewagt hatte, nnter Eskorte bis zur Grenze schaffen
und ihm dort einen Tritt geben lassen, was mir bei jenein Hauptmann keine
günstige Meinung verschafft haben konnte; aber der Doktor beruhigte mich
darüber. "Du kommst als mein Freund zu ihm, wir sind seine Gäste, und
bei diesen Leuten ist die Gastfreundschaft unverletzlich, da geschieht dir nichts.
Schicke "ur nach dem Stanko." Stnnkv war unser "Konfioent"; im Jahre
1878 noch Räuber, kurz nachher wohlbesoldeter Pandur, diente er uns als
Spion, was uns bei seiner weitverzweigten Verwandtschaft in den Schwarzen
Bergen sehr zu statten kam. Sein Monatslohn und vor allein die erhaltene
Auszeichnung machten ihn zu einem zuverlässigen Diener. Für einen Dukaten
setzte er bereitwillig sein Leben aufs Spiel, um uns sichere Nachrichten von
drüben zu bringen. Bald erschien er auch auf unsern Ruf, der Doktor teilte
ihm seinen Plan mit, ein paar Gläser Wein und vor allem ein Silberguldeu
bestimmten ihn zum sofortigen Aufbruch, da er eine mündliche Botschaft, daß
wir als Gäste in anderthalb Tagen in Dolanjak zu erscheinen gedächten, über¬
bringen sollte.

Ich weiß nicht, war es die Erregung, in die mich der Plan meines
Freundes versetzte, oder war es seine Arznei, der Anfall, der sich so bösartig
angekündigt hatte, verschwand nach schwachem Rückzugsgeplänkel. Auch war
es Zeit, an unsre Ausrüstung zu denken, wir wollten drei Reitpferde und ein
Tragtier mitnehmen, dem letztern wurden die notwendigen Lagerdecken aufge¬
laden, außerdem Proviant, Kochgerätschaften und Sonstiges, besonders des
Doktors Reiseapotheke, da er als fahrender Doktor Eisenbart seinen Einzug in
Montenegro halten wollte. Um zwei Uhr brachen wir auf, und bald nahm
uns der Wald in seinen Schatten auf. Voran unsre beiden Diener, notdürftig
als Einheimische verkleidet, dann wir in Zivil, da Uniform zu tragen in
Feindesland uns nicht ratsam schien; den Schluß bildete ein Soldat mit dem
Tragtier, das an der Landesgrenze entlassen werden sollte. Der Doktor war
von ausgelassener Lustigkeit, freute sich auf die ausgiebige Gemsjagd und ganz
besonders darauf, daß er und kein Engländer zuerst die jungfräuliche Spitze
des Dvrmitors besteigen würde. "Ich werde ganz oben, wie einst Kiselcick,
unsre Namen meterhoch mit schwarzer Farbe anmaleu, ich sehe schon das saure
Gesicht des spleenigen Engländers, der sich zuerst auf diese Spitze verirrt und


Grenzboten IV 1889 67
Ans Neuösterreich

ein paar zerlumpte Ziegenhirten ausgenommen, ich möchte die Bande einmal
in ihren Nestern aufsuchen, um mit ihnen zu plaudern, vor allem aber möchte
ich deu Dormitor besteigen." „Hast du einen Paß?" „Keine Spur, den alten
Lump von Kommandanten der nächsten Station, wo die Qnasitruppen der
Montenegriner liegen, kenne ich genau, er ist much schon bei mir gewesen, hat
mir Arznei und sonst allerlei abgeschwindelt, ich bin ihm einen Gegenbesuch
schuldig, und dn gehen wir eben zusammen." Ich hatte noch allerhand Be¬
denken, erst vor vier Wochen hatte ich einen Montenegriner, der sich ohne
Paß auf unser Gebiet gewagt hatte, nnter Eskorte bis zur Grenze schaffen
und ihm dort einen Tritt geben lassen, was mir bei jenein Hauptmann keine
günstige Meinung verschafft haben konnte; aber der Doktor beruhigte mich
darüber. „Du kommst als mein Freund zu ihm, wir sind seine Gäste, und
bei diesen Leuten ist die Gastfreundschaft unverletzlich, da geschieht dir nichts.
Schicke »ur nach dem Stanko." Stnnkv war unser „Konfioent"; im Jahre
1878 noch Räuber, kurz nachher wohlbesoldeter Pandur, diente er uns als
Spion, was uns bei seiner weitverzweigten Verwandtschaft in den Schwarzen
Bergen sehr zu statten kam. Sein Monatslohn und vor allein die erhaltene
Auszeichnung machten ihn zu einem zuverlässigen Diener. Für einen Dukaten
setzte er bereitwillig sein Leben aufs Spiel, um uns sichere Nachrichten von
drüben zu bringen. Bald erschien er auch auf unsern Ruf, der Doktor teilte
ihm seinen Plan mit, ein paar Gläser Wein und vor allem ein Silberguldeu
bestimmten ihn zum sofortigen Aufbruch, da er eine mündliche Botschaft, daß
wir als Gäste in anderthalb Tagen in Dolanjak zu erscheinen gedächten, über¬
bringen sollte.

Ich weiß nicht, war es die Erregung, in die mich der Plan meines
Freundes versetzte, oder war es seine Arznei, der Anfall, der sich so bösartig
angekündigt hatte, verschwand nach schwachem Rückzugsgeplänkel. Auch war
es Zeit, an unsre Ausrüstung zu denken, wir wollten drei Reitpferde und ein
Tragtier mitnehmen, dem letztern wurden die notwendigen Lagerdecken aufge¬
laden, außerdem Proviant, Kochgerätschaften und Sonstiges, besonders des
Doktors Reiseapotheke, da er als fahrender Doktor Eisenbart seinen Einzug in
Montenegro halten wollte. Um zwei Uhr brachen wir auf, und bald nahm
uns der Wald in seinen Schatten auf. Voran unsre beiden Diener, notdürftig
als Einheimische verkleidet, dann wir in Zivil, da Uniform zu tragen in
Feindesland uns nicht ratsam schien; den Schluß bildete ein Soldat mit dem
Tragtier, das an der Landesgrenze entlassen werden sollte. Der Doktor war
von ausgelassener Lustigkeit, freute sich auf die ausgiebige Gemsjagd und ganz
besonders darauf, daß er und kein Engländer zuerst die jungfräuliche Spitze
des Dvrmitors besteigen würde. „Ich werde ganz oben, wie einst Kiselcick,
unsre Namen meterhoch mit schwarzer Farbe anmaleu, ich sehe schon das saure
Gesicht des spleenigen Engländers, der sich zuerst auf diese Spitze verirrt und


Grenzboten IV 1889 67
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0537" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206536"/>
          <fw type="header" place="top"> Ans Neuösterreich</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1801" prev="#ID_1800"> ein paar zerlumpte Ziegenhirten ausgenommen, ich möchte die Bande einmal<lb/>
in ihren Nestern aufsuchen, um mit ihnen zu plaudern, vor allem aber möchte<lb/>
ich deu Dormitor besteigen." &#x201E;Hast du einen Paß?" &#x201E;Keine Spur, den alten<lb/>
Lump von Kommandanten der nächsten Station, wo die Qnasitruppen der<lb/>
Montenegriner liegen, kenne ich genau, er ist much schon bei mir gewesen, hat<lb/>
mir Arznei und sonst allerlei abgeschwindelt, ich bin ihm einen Gegenbesuch<lb/>
schuldig, und dn gehen wir eben zusammen." Ich hatte noch allerhand Be¬<lb/>
denken, erst vor vier Wochen hatte ich einen Montenegriner, der sich ohne<lb/>
Paß auf unser Gebiet gewagt hatte, nnter Eskorte bis zur Grenze schaffen<lb/>
und ihm dort einen Tritt geben lassen, was mir bei jenein Hauptmann keine<lb/>
günstige Meinung verschafft haben konnte; aber der Doktor beruhigte mich<lb/>
darüber. &#x201E;Du kommst als mein Freund zu ihm, wir sind seine Gäste, und<lb/>
bei diesen Leuten ist die Gastfreundschaft unverletzlich, da geschieht dir nichts.<lb/>
Schicke »ur nach dem Stanko." Stnnkv war unser &#x201E;Konfioent"; im Jahre<lb/>
1878 noch Räuber, kurz nachher wohlbesoldeter Pandur, diente er uns als<lb/>
Spion, was uns bei seiner weitverzweigten Verwandtschaft in den Schwarzen<lb/>
Bergen sehr zu statten kam. Sein Monatslohn und vor allein die erhaltene<lb/>
Auszeichnung machten ihn zu einem zuverlässigen Diener. Für einen Dukaten<lb/>
setzte er bereitwillig sein Leben aufs Spiel, um uns sichere Nachrichten von<lb/>
drüben zu bringen. Bald erschien er auch auf unsern Ruf, der Doktor teilte<lb/>
ihm seinen Plan mit, ein paar Gläser Wein und vor allem ein Silberguldeu<lb/>
bestimmten ihn zum sofortigen Aufbruch, da er eine mündliche Botschaft, daß<lb/>
wir als Gäste in anderthalb Tagen in Dolanjak zu erscheinen gedächten, über¬<lb/>
bringen sollte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1802" next="#ID_1803"> Ich weiß nicht, war es die Erregung, in die mich der Plan meines<lb/>
Freundes versetzte, oder war es seine Arznei, der Anfall, der sich so bösartig<lb/>
angekündigt hatte, verschwand nach schwachem Rückzugsgeplänkel. Auch war<lb/>
es Zeit, an unsre Ausrüstung zu denken, wir wollten drei Reitpferde und ein<lb/>
Tragtier mitnehmen, dem letztern wurden die notwendigen Lagerdecken aufge¬<lb/>
laden, außerdem Proviant, Kochgerätschaften und Sonstiges, besonders des<lb/>
Doktors Reiseapotheke, da er als fahrender Doktor Eisenbart seinen Einzug in<lb/>
Montenegro halten wollte. Um zwei Uhr brachen wir auf, und bald nahm<lb/>
uns der Wald in seinen Schatten auf. Voran unsre beiden Diener, notdürftig<lb/>
als Einheimische verkleidet, dann wir in Zivil, da Uniform zu tragen in<lb/>
Feindesland uns nicht ratsam schien; den Schluß bildete ein Soldat mit dem<lb/>
Tragtier, das an der Landesgrenze entlassen werden sollte. Der Doktor war<lb/>
von ausgelassener Lustigkeit, freute sich auf die ausgiebige Gemsjagd und ganz<lb/>
besonders darauf, daß er und kein Engländer zuerst die jungfräuliche Spitze<lb/>
des Dvrmitors besteigen würde. &#x201E;Ich werde ganz oben, wie einst Kiselcick,<lb/>
unsre Namen meterhoch mit schwarzer Farbe anmaleu, ich sehe schon das saure<lb/>
Gesicht des spleenigen Engländers, der sich zuerst auf diese Spitze verirrt und</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1889 67</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0537] Ans Neuösterreich ein paar zerlumpte Ziegenhirten ausgenommen, ich möchte die Bande einmal in ihren Nestern aufsuchen, um mit ihnen zu plaudern, vor allem aber möchte ich deu Dormitor besteigen." „Hast du einen Paß?" „Keine Spur, den alten Lump von Kommandanten der nächsten Station, wo die Qnasitruppen der Montenegriner liegen, kenne ich genau, er ist much schon bei mir gewesen, hat mir Arznei und sonst allerlei abgeschwindelt, ich bin ihm einen Gegenbesuch schuldig, und dn gehen wir eben zusammen." Ich hatte noch allerhand Be¬ denken, erst vor vier Wochen hatte ich einen Montenegriner, der sich ohne Paß auf unser Gebiet gewagt hatte, nnter Eskorte bis zur Grenze schaffen und ihm dort einen Tritt geben lassen, was mir bei jenein Hauptmann keine günstige Meinung verschafft haben konnte; aber der Doktor beruhigte mich darüber. „Du kommst als mein Freund zu ihm, wir sind seine Gäste, und bei diesen Leuten ist die Gastfreundschaft unverletzlich, da geschieht dir nichts. Schicke »ur nach dem Stanko." Stnnkv war unser „Konfioent"; im Jahre 1878 noch Räuber, kurz nachher wohlbesoldeter Pandur, diente er uns als Spion, was uns bei seiner weitverzweigten Verwandtschaft in den Schwarzen Bergen sehr zu statten kam. Sein Monatslohn und vor allein die erhaltene Auszeichnung machten ihn zu einem zuverlässigen Diener. Für einen Dukaten setzte er bereitwillig sein Leben aufs Spiel, um uns sichere Nachrichten von drüben zu bringen. Bald erschien er auch auf unsern Ruf, der Doktor teilte ihm seinen Plan mit, ein paar Gläser Wein und vor allem ein Silberguldeu bestimmten ihn zum sofortigen Aufbruch, da er eine mündliche Botschaft, daß wir als Gäste in anderthalb Tagen in Dolanjak zu erscheinen gedächten, über¬ bringen sollte. Ich weiß nicht, war es die Erregung, in die mich der Plan meines Freundes versetzte, oder war es seine Arznei, der Anfall, der sich so bösartig angekündigt hatte, verschwand nach schwachem Rückzugsgeplänkel. Auch war es Zeit, an unsre Ausrüstung zu denken, wir wollten drei Reitpferde und ein Tragtier mitnehmen, dem letztern wurden die notwendigen Lagerdecken aufge¬ laden, außerdem Proviant, Kochgerätschaften und Sonstiges, besonders des Doktors Reiseapotheke, da er als fahrender Doktor Eisenbart seinen Einzug in Montenegro halten wollte. Um zwei Uhr brachen wir auf, und bald nahm uns der Wald in seinen Schatten auf. Voran unsre beiden Diener, notdürftig als Einheimische verkleidet, dann wir in Zivil, da Uniform zu tragen in Feindesland uns nicht ratsam schien; den Schluß bildete ein Soldat mit dem Tragtier, das an der Landesgrenze entlassen werden sollte. Der Doktor war von ausgelassener Lustigkeit, freute sich auf die ausgiebige Gemsjagd und ganz besonders darauf, daß er und kein Engländer zuerst die jungfräuliche Spitze des Dvrmitors besteigen würde. „Ich werde ganz oben, wie einst Kiselcick, unsre Namen meterhoch mit schwarzer Farbe anmaleu, ich sehe schon das saure Gesicht des spleenigen Engländers, der sich zuerst auf diese Spitze verirrt und Grenzboten IV 1889 67

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/537
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/537>, abgerufen am 24.06.2024.