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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Allerhand 5prachdummheiteil

Fremdwörter, denn sie zerstören geradezu den Organismus unsrer Sprache.
Der Begründer des Sprachvereins sah sich denn auch genötigt, dem mehr¬
seitiger Drängen nachzugeben und die Aufgabe des Vereins in dem angedeuteten
Sinne zu erweitern. Daß er aber doch kein rechtes Verständnis hatte für das, was
die andern eigentlich wollten, zeigt die verschwommene und nichtssagende Fassung,
in der die Wünsche der andern nachträglich in die Satzungen des Vereins
hineingebracht wurden. Die Bestimmungen über den Zweck des Vereins lauten
wörtlich folgendermaßen: "Der Zweck des Allgemeinen deutschen Sprach¬
vereins besteht darin: g.) die Reinigung der deutschen Sprache von unnötigen
fremden Bestandteilen zu fördern; d) die Erhaltung und Wiederherstellung
des echten Geistes und eigentümlichen Wesens der deutschen Sprache zu pflegen."
Erhaltung und (!) Wiederherstellung des echten Geistes (!) und (!) eigentüm¬
lichen Wesens (!) der deutscheu Sprache -- damit soll der Kampf gegen die
grammatische Verwilderung unsrer Sprache bezeichnet sein! Wer von der
Notwendigkeit dieses Kampfes eine Ahnung hat, der drückt sich deutlicher aus.
Thatsächlich hat sich denn auch die Thätigkeit des Sprachvereins und seiner
Zeitschrift bisher fast nur auf die Reinigung der Sprache von Fremdwörtern
erstreckt, so einseitig, daß es kein Wunder ist, wenn matt gelegentlich Leute
trifft, die der Meinung sind, es gebe in Deutschland einen Verein, der
sich die erhabene Aufgabe gestellt habe, aus der deutschen Speisekarte die
französischen Wörter zu verdrängen, insbesondre endlich einen geeigneten Aus¬
druck für das Wort Sauce zu finden; etwas andres haben sie, als Ferner¬
stehende, von dem Verein nie gehört. Was der Verein für die "Erhaltung
und (!) Wiederherstellung des echten Geistes" unsrer Sprache bisher gethan
hat, ist wenig und wird auch wenig bleiben, solange die jetzige Leitung besteht.
Das zeigen am deutlichsten die zahlreichen von der Leitung selbst ausgehende"
Schriftstücke, die zwar fremdwörterfrei, dabei aber mit allen Zierraten des
Kanzleideutsch versehen sind und deshalb z. B. in dem Zweigverein, dem ich
anzugehören die Ehre habe, stets eine gewisse Heiterkeit erregen. Nein, auch
vom Sprachverein und von seiner Zeitschrift ist für das, was mir hier am
Herzen liegt, zunächst wenig zu erwarten.

(Fortsetzung folgt)




Grenzvvwi IV l,3M5,4
Allerhand 5prachdummheiteil

Fremdwörter, denn sie zerstören geradezu den Organismus unsrer Sprache.
Der Begründer des Sprachvereins sah sich denn auch genötigt, dem mehr¬
seitiger Drängen nachzugeben und die Aufgabe des Vereins in dem angedeuteten
Sinne zu erweitern. Daß er aber doch kein rechtes Verständnis hatte für das, was
die andern eigentlich wollten, zeigt die verschwommene und nichtssagende Fassung,
in der die Wünsche der andern nachträglich in die Satzungen des Vereins
hineingebracht wurden. Die Bestimmungen über den Zweck des Vereins lauten
wörtlich folgendermaßen: „Der Zweck des Allgemeinen deutschen Sprach¬
vereins besteht darin: g.) die Reinigung der deutschen Sprache von unnötigen
fremden Bestandteilen zu fördern; d) die Erhaltung und Wiederherstellung
des echten Geistes und eigentümlichen Wesens der deutschen Sprache zu pflegen."
Erhaltung und (!) Wiederherstellung des echten Geistes (!) und (!) eigentüm¬
lichen Wesens (!) der deutscheu Sprache — damit soll der Kampf gegen die
grammatische Verwilderung unsrer Sprache bezeichnet sein! Wer von der
Notwendigkeit dieses Kampfes eine Ahnung hat, der drückt sich deutlicher aus.
Thatsächlich hat sich denn auch die Thätigkeit des Sprachvereins und seiner
Zeitschrift bisher fast nur auf die Reinigung der Sprache von Fremdwörtern
erstreckt, so einseitig, daß es kein Wunder ist, wenn matt gelegentlich Leute
trifft, die der Meinung sind, es gebe in Deutschland einen Verein, der
sich die erhabene Aufgabe gestellt habe, aus der deutschen Speisekarte die
französischen Wörter zu verdrängen, insbesondre endlich einen geeigneten Aus¬
druck für das Wort Sauce zu finden; etwas andres haben sie, als Ferner¬
stehende, von dem Verein nie gehört. Was der Verein für die „Erhaltung
und (!) Wiederherstellung des echten Geistes" unsrer Sprache bisher gethan
hat, ist wenig und wird auch wenig bleiben, solange die jetzige Leitung besteht.
Das zeigen am deutlichsten die zahlreichen von der Leitung selbst ausgehende»
Schriftstücke, die zwar fremdwörterfrei, dabei aber mit allen Zierraten des
Kanzleideutsch versehen sind und deshalb z. B. in dem Zweigverein, dem ich
anzugehören die Ehre habe, stets eine gewisse Heiterkeit erregen. Nein, auch
vom Sprachverein und von seiner Zeitschrift ist für das, was mir hier am
Herzen liegt, zunächst wenig zu erwarten.

(Fortsetzung folgt)




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[0433] Allerhand 5prachdummheiteil Fremdwörter, denn sie zerstören geradezu den Organismus unsrer Sprache. Der Begründer des Sprachvereins sah sich denn auch genötigt, dem mehr¬ seitiger Drängen nachzugeben und die Aufgabe des Vereins in dem angedeuteten Sinne zu erweitern. Daß er aber doch kein rechtes Verständnis hatte für das, was die andern eigentlich wollten, zeigt die verschwommene und nichtssagende Fassung, in der die Wünsche der andern nachträglich in die Satzungen des Vereins hineingebracht wurden. Die Bestimmungen über den Zweck des Vereins lauten wörtlich folgendermaßen: „Der Zweck des Allgemeinen deutschen Sprach¬ vereins besteht darin: g.) die Reinigung der deutschen Sprache von unnötigen fremden Bestandteilen zu fördern; d) die Erhaltung und Wiederherstellung des echten Geistes und eigentümlichen Wesens der deutschen Sprache zu pflegen." Erhaltung und (!) Wiederherstellung des echten Geistes (!) und (!) eigentüm¬ lichen Wesens (!) der deutscheu Sprache — damit soll der Kampf gegen die grammatische Verwilderung unsrer Sprache bezeichnet sein! Wer von der Notwendigkeit dieses Kampfes eine Ahnung hat, der drückt sich deutlicher aus. Thatsächlich hat sich denn auch die Thätigkeit des Sprachvereins und seiner Zeitschrift bisher fast nur auf die Reinigung der Sprache von Fremdwörtern erstreckt, so einseitig, daß es kein Wunder ist, wenn matt gelegentlich Leute trifft, die der Meinung sind, es gebe in Deutschland einen Verein, der sich die erhabene Aufgabe gestellt habe, aus der deutschen Speisekarte die französischen Wörter zu verdrängen, insbesondre endlich einen geeigneten Aus¬ druck für das Wort Sauce zu finden; etwas andres haben sie, als Ferner¬ stehende, von dem Verein nie gehört. Was der Verein für die „Erhaltung und (!) Wiederherstellung des echten Geistes" unsrer Sprache bisher gethan hat, ist wenig und wird auch wenig bleiben, solange die jetzige Leitung besteht. Das zeigen am deutlichsten die zahlreichen von der Leitung selbst ausgehende» Schriftstücke, die zwar fremdwörterfrei, dabei aber mit allen Zierraten des Kanzleideutsch versehen sind und deshalb z. B. in dem Zweigverein, dem ich anzugehören die Ehre habe, stets eine gewisse Heiterkeit erregen. Nein, auch vom Sprachverein und von seiner Zeitschrift ist für das, was mir hier am Herzen liegt, zunächst wenig zu erwarten. (Fortsetzung folgt) Grenzvvwi IV l,3M5,4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/433>, abgerufen am 25.07.2024.