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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Unsre Reserveoffiziere

Zu einer ähnlichen Nberschätznng der modernen Schul- und Gelehrten-
bildung ist man mich bei der Beförderung der Einjährig-FreNvilligen gelangt;
es Uürd dabei nicht nach einheitlichen Grundsätzen Verfahren; oft rucken nnr
studirte Anwärter in höhere Stellen. Das Regiment sollte sich bei den Be¬
förderungen bis zum Vizefeldwebel niemals durch den Stand und Beruf des
Freiwilligen bestimmen lassen, sondern lediglich seine militärische Tüchtigkeit
dabei berücksichtigen; ans diese Weise könnte dem Heere mancher tüchtige
Unteroffizier gewonnen werden, der sonst verloren geht und sicher in das militär¬
feindliche Lager übertritt. Die französische Regierung hat neuerdings das Recht,
einjährig-freinüllig zu dienen, ans die Studenten der freien Wissenschaften und
die Besucher gewisser höheren Lehranstalten beschränkt; für "us würde eine
solche Maßregel nicht allein in volkswirtschaftlicher, sondern auch in militärischer
Hinsicht unberechenbare Nachteile haben.

Mau hat den Vorschlag gemacht, daß der Reserveoffizier von dem aktiven
Truppenteil gewählt werde, worin der Betreffende gedient und geübt hat;
für diesen Vorschlag würde manches, namentlich die richtige militärische
Schätzung der Fähigkeiten, sprechen. Allein der gewählte Offizier soll kame¬
radschaftlich und gesellschaftlich vor allem im Reserve- und Landwehrkvrps
leben; man überlasse daher, wie es bisher geschehen ist, dem Bezirls-
kommandeur und den Offizieren des Benrlanbtenstandes die Wahl des vor¬
geschlagenen Bewerbers. Die Stellung des Bezirkskvmmnndenrs, der unter
seineu Offizieren den richtigen Korpsgeist erhalten und dafür sorgen soll, daß
ihre militärische Weiterbildung nicht ins Stocken gerät, ist äußerst schwierig.
Aber wenn er bei diesen wichtigen Aufgaben von den aktiven Kameraden und
den hohen Behörden unterstützt wird, so kann seine Thätigkeit nicht nnr in
militärischer, sondern anch in gesellschaftlicher und nationaler Beziehung segens¬
reich werden.

Das Ansehen des Reserve- und Landwehrkorps ist aufs engste mit dem
Ansehen des ganzen Offizierstandes verknüpft; wer jenes angreift, fügt anch
diesem Schaden zu. Mit vollem Recht sagt ein französischer Offizier, der eine
gute Kenntnis unsers Heerwesens besitzt, in seinem Buche: "Der Preußische
Offizier, seine Stellung in der Nation": "Der Offizier nimmt, kurz gesagt,
eine vollständige Ausnahmestellung ein, die ihn nicht allein vom Staate,
sondern von jedem seiner Mitglieder geschaffen wird. Zu dieser Stellung haben
die Offiziere der Reserve und Landwehr nicht am wenigsten mit beigetragen."




Unsre Reserveoffiziere

Zu einer ähnlichen Nberschätznng der modernen Schul- und Gelehrten-
bildung ist man mich bei der Beförderung der Einjährig-FreNvilligen gelangt;
es Uürd dabei nicht nach einheitlichen Grundsätzen Verfahren; oft rucken nnr
studirte Anwärter in höhere Stellen. Das Regiment sollte sich bei den Be¬
förderungen bis zum Vizefeldwebel niemals durch den Stand und Beruf des
Freiwilligen bestimmen lassen, sondern lediglich seine militärische Tüchtigkeit
dabei berücksichtigen; ans diese Weise könnte dem Heere mancher tüchtige
Unteroffizier gewonnen werden, der sonst verloren geht und sicher in das militär¬
feindliche Lager übertritt. Die französische Regierung hat neuerdings das Recht,
einjährig-freinüllig zu dienen, ans die Studenten der freien Wissenschaften und
die Besucher gewisser höheren Lehranstalten beschränkt; für »us würde eine
solche Maßregel nicht allein in volkswirtschaftlicher, sondern auch in militärischer
Hinsicht unberechenbare Nachteile haben.

Mau hat den Vorschlag gemacht, daß der Reserveoffizier von dem aktiven
Truppenteil gewählt werde, worin der Betreffende gedient und geübt hat;
für diesen Vorschlag würde manches, namentlich die richtige militärische
Schätzung der Fähigkeiten, sprechen. Allein der gewählte Offizier soll kame¬
radschaftlich und gesellschaftlich vor allem im Reserve- und Landwehrkvrps
leben; man überlasse daher, wie es bisher geschehen ist, dem Bezirls-
kommandeur und den Offizieren des Benrlanbtenstandes die Wahl des vor¬
geschlagenen Bewerbers. Die Stellung des Bezirkskvmmnndenrs, der unter
seineu Offizieren den richtigen Korpsgeist erhalten und dafür sorgen soll, daß
ihre militärische Weiterbildung nicht ins Stocken gerät, ist äußerst schwierig.
Aber wenn er bei diesen wichtigen Aufgaben von den aktiven Kameraden und
den hohen Behörden unterstützt wird, so kann seine Thätigkeit nicht nnr in
militärischer, sondern anch in gesellschaftlicher und nationaler Beziehung segens¬
reich werden.

Das Ansehen des Reserve- und Landwehrkorps ist aufs engste mit dem
Ansehen des ganzen Offizierstandes verknüpft; wer jenes angreift, fügt anch
diesem Schaden zu. Mit vollem Recht sagt ein französischer Offizier, der eine
gute Kenntnis unsers Heerwesens besitzt, in seinem Buche: „Der Preußische
Offizier, seine Stellung in der Nation": „Der Offizier nimmt, kurz gesagt,
eine vollständige Ausnahmestellung ein, die ihn nicht allein vom Staate,
sondern von jedem seiner Mitglieder geschaffen wird. Zu dieser Stellung haben
die Offiziere der Reserve und Landwehr nicht am wenigsten mit beigetragen."




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[0406] Unsre Reserveoffiziere Zu einer ähnlichen Nberschätznng der modernen Schul- und Gelehrten- bildung ist man mich bei der Beförderung der Einjährig-FreNvilligen gelangt; es Uürd dabei nicht nach einheitlichen Grundsätzen Verfahren; oft rucken nnr studirte Anwärter in höhere Stellen. Das Regiment sollte sich bei den Be¬ förderungen bis zum Vizefeldwebel niemals durch den Stand und Beruf des Freiwilligen bestimmen lassen, sondern lediglich seine militärische Tüchtigkeit dabei berücksichtigen; ans diese Weise könnte dem Heere mancher tüchtige Unteroffizier gewonnen werden, der sonst verloren geht und sicher in das militär¬ feindliche Lager übertritt. Die französische Regierung hat neuerdings das Recht, einjährig-freinüllig zu dienen, ans die Studenten der freien Wissenschaften und die Besucher gewisser höheren Lehranstalten beschränkt; für »us würde eine solche Maßregel nicht allein in volkswirtschaftlicher, sondern auch in militärischer Hinsicht unberechenbare Nachteile haben. Mau hat den Vorschlag gemacht, daß der Reserveoffizier von dem aktiven Truppenteil gewählt werde, worin der Betreffende gedient und geübt hat; für diesen Vorschlag würde manches, namentlich die richtige militärische Schätzung der Fähigkeiten, sprechen. Allein der gewählte Offizier soll kame¬ radschaftlich und gesellschaftlich vor allem im Reserve- und Landwehrkvrps leben; man überlasse daher, wie es bisher geschehen ist, dem Bezirls- kommandeur und den Offizieren des Benrlanbtenstandes die Wahl des vor¬ geschlagenen Bewerbers. Die Stellung des Bezirkskvmmnndenrs, der unter seineu Offizieren den richtigen Korpsgeist erhalten und dafür sorgen soll, daß ihre militärische Weiterbildung nicht ins Stocken gerät, ist äußerst schwierig. Aber wenn er bei diesen wichtigen Aufgaben von den aktiven Kameraden und den hohen Behörden unterstützt wird, so kann seine Thätigkeit nicht nnr in militärischer, sondern anch in gesellschaftlicher und nationaler Beziehung segens¬ reich werden. Das Ansehen des Reserve- und Landwehrkorps ist aufs engste mit dem Ansehen des ganzen Offizierstandes verknüpft; wer jenes angreift, fügt anch diesem Schaden zu. Mit vollem Recht sagt ein französischer Offizier, der eine gute Kenntnis unsers Heerwesens besitzt, in seinem Buche: „Der Preußische Offizier, seine Stellung in der Nation": „Der Offizier nimmt, kurz gesagt, eine vollständige Ausnahmestellung ein, die ihn nicht allein vom Staate, sondern von jedem seiner Mitglieder geschaffen wird. Zu dieser Stellung haben die Offiziere der Reserve und Landwehr nicht am wenigsten mit beigetragen."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/406>, abgerufen am 28.06.2024.