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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

in Verlegenheit gewesen. Denn da er stichhaltige Gegengründe gegen diese Wünsche
nicht zu finden vermag, so ergeht er sich auf allerlei Seiteupsadeu, in Betrach¬
tungen, die die Hauptsache durchaus verfehlen. So versucht er, dem Leser einzu¬
reden, daß die Verleihung der Staatsdienereigenschaft an die staatlichen Gymnasial¬
lehrer nur eine rein formale Bedeutung habe und darum unnötig sei, übersieht
aber, von andern Punkten zu schweigen, deu wichtigen Umstand, daß der Staats¬
diener eine wesentlich höhere PmsimisMc, hat als der Gymnasiallehrer. So
lange dies der Fall ist, muß es als ein Irrtum bezeichnet werden, wenn man diese
Frage als eine rein formale hinzustellen beliebt.

Einen wirklich durchschlagenden Grund gegen die Verleihung der Staatsdiener¬
eigenschaft all die staatlichen Gymnasiallehrer sucht man in der "Leipziger Zeitung"
vergebens. Ausdrücklich wird darin anerkannt, daß die Stellung der höher" Lehrer
in vielfacher Beziehung eine der Stellung der Staatsdiener so ähnliche sei, daß
sich eine völlige Gleichstellung dieser beiden Beamtengnttnngen nahe lege und wohl
auch ohne große praktische Schwierigkeiten durchführbar sein würde; nur darum sei
ein Eingehen auf den Wunsch der staatlichen Gymnasiallehrer nicht gerechtfertigt,
weil dann zwei verschiedne Gruppen von höheren Lehrern geschaffen werde" würden,
eine Minderheit von staatlichen Lehrer" und eine Mehrheit von Lehrern an städ¬
tischen oder Stiftuugsaustalten. Mau traut seinen Augen kumm, wenn man liest,
daß dies ein entscheidender Gegengrund gegen das Verlangen der staatlichen Gym¬
nasiallehrer sein soll! Ist nicht eine solche Scheidung in der Natur der Sache
selbst begründet? Ist sie nicht auf deu verschiedensten Gebieten in Sachsen selbst
schon vorhanden? Sind nicht etwa z. B. Juristen von gleicher Befähigung
teils im Staatsdienste, teils im Genieindedienst beschäftigt, sodaß sie je nach¬
dem entweder die Eigenschaft von Staatsbeamten oder von Gemeindebeamten
haben? Das ist ja nur ein selbstverständliches Verhältnis, das auch nicht mit
einem Scheine von Berechtigung gegen den Anspruch der Gymnasiallehrer geltend
gemacht werden kann.

Alles in einem Nebenpunkte ist die Darlegung der "Leipziger Zeitung" un¬
zutreffend. Denn es entspricht nicht ganz der Wirklichkeit, wenn gesagt wird, daß
die Zahl der hoher" Lehrer an den nichtstaatlichen Gymnasien, Realgymnasien,
Realschulen und Seminaren "'eil größer sei als die Zahl der höhern Lehrer an
den entsprechenden Staatsanstalten. Der Zifferuutcrschied beträgt thatsächlich nicht
viel mehr als fünfzig. An den staatlichen Gymnasien, Realgymnasien und Semi¬
naren befinden sich ungefähr 450 Lehrer und an den nichtstaatlichen Gymnasien,
Realanstalten und Seminaren etwas über 500 Lehrer. Nimmt man aber
noch die Lehrer der technischen Staatsanstalten zu Chemnitz, die bekanntlich von
Anfang an Staatsdiener gewesen sind, hinzu, so würde man dann zwei ungefähr
gleich große Gruppen von Lehrern haben. Die technischen Lehrer in Chemnitz
stehen zwar unter dem Ministerium des Innern, indessen kann dies für den vor¬
liegenden Fall natürlich keinen wesentlichen Unterschied ausmachen.

Für die sachliche Entscheidung der Frage kommt das Zifferverhältnis selbst¬
verständlich gar nicht in Betracht. Giebt es doch so manche Gruppe von Staats-
dienern, die' nach ihrer Zahlenstärke den Vergleich mit den Lehrern an den staat¬
lichen Gymnasien und Realgymnasien mich nicht entfernt aushalten können. Ma߬
gebend allein ist hier das Dienstverhältnis, und dieses giebt den Petenten einen
durchaus begründete,, Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsdienereigen¬
schaft. Das'Zivilstaatsdienergesetz vom 7. März 1835 lautet so klar zu Gunsten
der staatlichen Gymnasiallehrer, daß ihr Auspruch auf die Dauer unniöglich zurück-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

in Verlegenheit gewesen. Denn da er stichhaltige Gegengründe gegen diese Wünsche
nicht zu finden vermag, so ergeht er sich auf allerlei Seiteupsadeu, in Betrach¬
tungen, die die Hauptsache durchaus verfehlen. So versucht er, dem Leser einzu¬
reden, daß die Verleihung der Staatsdienereigenschaft an die staatlichen Gymnasial¬
lehrer nur eine rein formale Bedeutung habe und darum unnötig sei, übersieht
aber, von andern Punkten zu schweigen, deu wichtigen Umstand, daß der Staats¬
diener eine wesentlich höhere PmsimisMc, hat als der Gymnasiallehrer. So
lange dies der Fall ist, muß es als ein Irrtum bezeichnet werden, wenn man diese
Frage als eine rein formale hinzustellen beliebt.

Einen wirklich durchschlagenden Grund gegen die Verleihung der Staatsdiener¬
eigenschaft all die staatlichen Gymnasiallehrer sucht man in der „Leipziger Zeitung"
vergebens. Ausdrücklich wird darin anerkannt, daß die Stellung der höher» Lehrer
in vielfacher Beziehung eine der Stellung der Staatsdiener so ähnliche sei, daß
sich eine völlige Gleichstellung dieser beiden Beamtengnttnngen nahe lege und wohl
auch ohne große praktische Schwierigkeiten durchführbar sein würde; nur darum sei
ein Eingehen auf den Wunsch der staatlichen Gymnasiallehrer nicht gerechtfertigt,
weil dann zwei verschiedne Gruppen von höheren Lehrern geschaffen werde» würden,
eine Minderheit von staatlichen Lehrer» und eine Mehrheit von Lehrern an städ¬
tischen oder Stiftuugsaustalten. Mau traut seinen Augen kumm, wenn man liest,
daß dies ein entscheidender Gegengrund gegen das Verlangen der staatlichen Gym¬
nasiallehrer sein soll! Ist nicht eine solche Scheidung in der Natur der Sache
selbst begründet? Ist sie nicht auf deu verschiedensten Gebieten in Sachsen selbst
schon vorhanden? Sind nicht etwa z. B. Juristen von gleicher Befähigung
teils im Staatsdienste, teils im Genieindedienst beschäftigt, sodaß sie je nach¬
dem entweder die Eigenschaft von Staatsbeamten oder von Gemeindebeamten
haben? Das ist ja nur ein selbstverständliches Verhältnis, das auch nicht mit
einem Scheine von Berechtigung gegen den Anspruch der Gymnasiallehrer geltend
gemacht werden kann.

Alles in einem Nebenpunkte ist die Darlegung der „Leipziger Zeitung" un¬
zutreffend. Denn es entspricht nicht ganz der Wirklichkeit, wenn gesagt wird, daß
die Zahl der hoher» Lehrer an den nichtstaatlichen Gymnasien, Realgymnasien,
Realschulen und Seminaren »'eil größer sei als die Zahl der höhern Lehrer an
den entsprechenden Staatsanstalten. Der Zifferuutcrschied beträgt thatsächlich nicht
viel mehr als fünfzig. An den staatlichen Gymnasien, Realgymnasien und Semi¬
naren befinden sich ungefähr 450 Lehrer und an den nichtstaatlichen Gymnasien,
Realanstalten und Seminaren etwas über 500 Lehrer. Nimmt man aber
noch die Lehrer der technischen Staatsanstalten zu Chemnitz, die bekanntlich von
Anfang an Staatsdiener gewesen sind, hinzu, so würde man dann zwei ungefähr
gleich große Gruppen von Lehrern haben. Die technischen Lehrer in Chemnitz
stehen zwar unter dem Ministerium des Innern, indessen kann dies für den vor¬
liegenden Fall natürlich keinen wesentlichen Unterschied ausmachen.

Für die sachliche Entscheidung der Frage kommt das Zifferverhältnis selbst¬
verständlich gar nicht in Betracht. Giebt es doch so manche Gruppe von Staats-
dienern, die' nach ihrer Zahlenstärke den Vergleich mit den Lehrern an den staat¬
lichen Gymnasien und Realgymnasien mich nicht entfernt aushalten können. Ma߬
gebend allein ist hier das Dienstverhältnis, und dieses giebt den Petenten einen
durchaus begründete,, Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsdienereigen¬
schaft. Das'Zivilstaatsdienergesetz vom 7. März 1835 lautet so klar zu Gunsten
der staatlichen Gymnasiallehrer, daß ihr Auspruch auf die Dauer unniöglich zurück-


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[0397] Maßgebliches und Unmaßgebliches in Verlegenheit gewesen. Denn da er stichhaltige Gegengründe gegen diese Wünsche nicht zu finden vermag, so ergeht er sich auf allerlei Seiteupsadeu, in Betrach¬ tungen, die die Hauptsache durchaus verfehlen. So versucht er, dem Leser einzu¬ reden, daß die Verleihung der Staatsdienereigenschaft an die staatlichen Gymnasial¬ lehrer nur eine rein formale Bedeutung habe und darum unnötig sei, übersieht aber, von andern Punkten zu schweigen, deu wichtigen Umstand, daß der Staats¬ diener eine wesentlich höhere PmsimisMc, hat als der Gymnasiallehrer. So lange dies der Fall ist, muß es als ein Irrtum bezeichnet werden, wenn man diese Frage als eine rein formale hinzustellen beliebt. Einen wirklich durchschlagenden Grund gegen die Verleihung der Staatsdiener¬ eigenschaft all die staatlichen Gymnasiallehrer sucht man in der „Leipziger Zeitung" vergebens. Ausdrücklich wird darin anerkannt, daß die Stellung der höher» Lehrer in vielfacher Beziehung eine der Stellung der Staatsdiener so ähnliche sei, daß sich eine völlige Gleichstellung dieser beiden Beamtengnttnngen nahe lege und wohl auch ohne große praktische Schwierigkeiten durchführbar sein würde; nur darum sei ein Eingehen auf den Wunsch der staatlichen Gymnasiallehrer nicht gerechtfertigt, weil dann zwei verschiedne Gruppen von höheren Lehrern geschaffen werde» würden, eine Minderheit von staatlichen Lehrer» und eine Mehrheit von Lehrern an städ¬ tischen oder Stiftuugsaustalten. Mau traut seinen Augen kumm, wenn man liest, daß dies ein entscheidender Gegengrund gegen das Verlangen der staatlichen Gym¬ nasiallehrer sein soll! Ist nicht eine solche Scheidung in der Natur der Sache selbst begründet? Ist sie nicht auf deu verschiedensten Gebieten in Sachsen selbst schon vorhanden? Sind nicht etwa z. B. Juristen von gleicher Befähigung teils im Staatsdienste, teils im Genieindedienst beschäftigt, sodaß sie je nach¬ dem entweder die Eigenschaft von Staatsbeamten oder von Gemeindebeamten haben? Das ist ja nur ein selbstverständliches Verhältnis, das auch nicht mit einem Scheine von Berechtigung gegen den Anspruch der Gymnasiallehrer geltend gemacht werden kann. Alles in einem Nebenpunkte ist die Darlegung der „Leipziger Zeitung" un¬ zutreffend. Denn es entspricht nicht ganz der Wirklichkeit, wenn gesagt wird, daß die Zahl der hoher» Lehrer an den nichtstaatlichen Gymnasien, Realgymnasien, Realschulen und Seminaren »'eil größer sei als die Zahl der höhern Lehrer an den entsprechenden Staatsanstalten. Der Zifferuutcrschied beträgt thatsächlich nicht viel mehr als fünfzig. An den staatlichen Gymnasien, Realgymnasien und Semi¬ naren befinden sich ungefähr 450 Lehrer und an den nichtstaatlichen Gymnasien, Realanstalten und Seminaren etwas über 500 Lehrer. Nimmt man aber noch die Lehrer der technischen Staatsanstalten zu Chemnitz, die bekanntlich von Anfang an Staatsdiener gewesen sind, hinzu, so würde man dann zwei ungefähr gleich große Gruppen von Lehrern haben. Die technischen Lehrer in Chemnitz stehen zwar unter dem Ministerium des Innern, indessen kann dies für den vor¬ liegenden Fall natürlich keinen wesentlichen Unterschied ausmachen. Für die sachliche Entscheidung der Frage kommt das Zifferverhältnis selbst¬ verständlich gar nicht in Betracht. Giebt es doch so manche Gruppe von Staats- dienern, die' nach ihrer Zahlenstärke den Vergleich mit den Lehrern an den staat¬ lichen Gymnasien und Realgymnasien mich nicht entfernt aushalten können. Ma߬ gebend allein ist hier das Dienstverhältnis, und dieses giebt den Petenten einen durchaus begründete,, Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsdienereigen¬ schaft. Das'Zivilstaatsdienergesetz vom 7. März 1835 lautet so klar zu Gunsten der staatlichen Gymnasiallehrer, daß ihr Auspruch auf die Dauer unniöglich zurück-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/397>, abgerufen am 22.12.2024.