Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.Junge Liebe finstern Waldes plötzlich ein paar nackte weibliche Füße erblickte, die halb im Wie war ihm das Blut in dem Augenblicke in die Wangen geströmt! Martha! sagte er endlich. Sie fuhr zusammen bei dem Klang seiner Stimme; die klang so leise, so Woran dachten Sie eben, Martha? Als ihre ganze Antwort darin bestand, lächelnd den Kopf noch tiefer über Ich bin nicht ernsthaft, antwortete sie und lächelte wieder. Aber stets gedankenvoll, wie? Weshalb sind Sie das? Ja, das wird Wohl daher kommen, daß ich nicht viel Grund habe, lustig Das habe ich von Ihnen nicht zu hören erwartet, Martha. Aber das Sie lauschte eine Weile, als wartete sie auf eine Fortsetzung. Endlich Weil -- wer könnte Ihnen wohl Kummer bereiten? Wenn man so hübsch Ach, das meinen Sie ja gar nicht, sagte sie errötend, aber ihre Augen Das meine ich nicht, Martha? -- Er schüttelte den Kopf mit einer Art Nein, sagte sie, als sie merkte, daß er auf eine Autwort wartete. Haben Sie nie von Nixen gehört, die in Mondscheinnächten von einer Gvenzboten IV 1889 43
Junge Liebe finstern Waldes plötzlich ein paar nackte weibliche Füße erblickte, die halb im Wie war ihm das Blut in dem Augenblicke in die Wangen geströmt! Martha! sagte er endlich. Sie fuhr zusammen bei dem Klang seiner Stimme; die klang so leise, so Woran dachten Sie eben, Martha? Als ihre ganze Antwort darin bestand, lächelnd den Kopf noch tiefer über Ich bin nicht ernsthaft, antwortete sie und lächelte wieder. Aber stets gedankenvoll, wie? Weshalb sind Sie das? Ja, das wird Wohl daher kommen, daß ich nicht viel Grund habe, lustig Das habe ich von Ihnen nicht zu hören erwartet, Martha. Aber das Sie lauschte eine Weile, als wartete sie auf eine Fortsetzung. Endlich Weil — wer könnte Ihnen wohl Kummer bereiten? Wenn man so hübsch Ach, das meinen Sie ja gar nicht, sagte sie errötend, aber ihre Augen Das meine ich nicht, Martha? — Er schüttelte den Kopf mit einer Art Nein, sagte sie, als sie merkte, daß er auf eine Autwort wartete. Haben Sie nie von Nixen gehört, die in Mondscheinnächten von einer Gvenzboten IV 1889 43
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0345" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206344"/> <fw type="header" place="top"> Junge Liebe</fw><lb/> <p xml:id="ID_1131" prev="#ID_1130"> finstern Waldes plötzlich ein paar nackte weibliche Füße erblickte, die halb im<lb/> Grase versteckt waren, und dann ein verblichenes Kleid und langes, blondes,<lb/> in schweren Flechten aufgebnndnes Haar; und endlich diese großen, wunder¬<lb/> baren Augen, die unter dem erhobenen Arm erschreckt mit flehendem, zitterndem<lb/> Blick zu ihm aufschauten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1132"> Wie war ihm das Blut in dem Augenblicke in die Wangen geströmt!<lb/> Wie hatte ihm das Herz im Leibe geklopft! Und doch ahnte er damals nicht,<lb/> welcher Wahnsinn und welche Lust, welche stürmische Unruhe lind welches ruhelose<lb/> schnell diese Begegnung zur Folge haben würde, wieviel schlaflose Nächte,<lb/> wieviel qualvolle Stunden aus diesem einen, scheuen Blick entstehen sollten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1133"> Martha! sagte er endlich.</p><lb/> <p xml:id="ID_1134"> Sie fuhr zusammen bei dem Klang seiner Stimme; die klang so leise, so<lb/> herzlich, sprach gleichsam heraus aus der Stille rings um sie her und schmolz<lb/> mit ihr zusammen. Aber es lag ein Klang von Verzweiflung, von Hilflosig¬<lb/> keit in der Stimme, den er nicht niederkämpfen konnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1135"> Woran dachten Sie eben, Martha?</p><lb/> <p xml:id="ID_1136"> Als ihre ganze Antwort darin bestand, lächelnd den Kopf noch tiefer über<lb/> die Hand zu beugen, fügte er nach einer Weile hinzu: Warum sind Sie so<lb/> schweigsam? Warum so ernsthaft?</p><lb/> <p xml:id="ID_1137"> Ich bin nicht ernsthaft, antwortete sie und lächelte wieder.</p><lb/> <p xml:id="ID_1138"> Aber stets gedankenvoll, wie? Weshalb sind Sie das?</p><lb/> <p xml:id="ID_1139"> Ja, das wird Wohl daher kommen, daß ich nicht viel Grund habe, lustig<lb/> zu sein!</p><lb/> <p xml:id="ID_1140"> Das habe ich von Ihnen nicht zu hören erwartet, Martha. Aber das<lb/> meinen Sie auch nicht — das können Sie nicht im Ernste meinen!</p><lb/> <p xml:id="ID_1141"> Sie lauschte eine Weile, als wartete sie auf eine Fortsetzung. Endlich<lb/> fragte sie leise: Warum denn nicht?</p><lb/> <p xml:id="ID_1142"> Weil — wer könnte Ihnen wohl Kummer bereiten? Wenn man so hübsch<lb/> ist und solche Augen hat, dann pflegt man nicht unglücklich zu sein. Ich<lb/> glaube eher, daß alle jungen Burschen des Dorfes Sie verliebt umschwärmen —<lb/> thun sie es etwa nicht? Und es wäre auch wirklich kein Wunder. Ich ver¬<lb/> stehe es nur zu gut, daß sie gern alle eine so liebe, kleine Frau haben möchten,<lb/> die ihren Mann vor Verliebtheit um Sinn und Verstand bringen könnte!</p><lb/> <p xml:id="ID_1143"> Ach, das meinen Sie ja gar nicht, sagte sie errötend, aber ihre Augen<lb/> senkten sich, als übersiele sie eine leise Ohnmacht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1144"> Das meine ich nicht, Martha? — Er schüttelte den Kopf mit einer Art<lb/> von schmerzlicher Lustigkeit. Ach, nur viel zu sehr! viel zu sehr! Wissen<lb/> Sie, woran ich oft denken muß?</p><lb/> <p xml:id="ID_1145"> Nein, sagte sie, als sie merkte, daß er auf eine Autwort wartete.</p><lb/> <p xml:id="ID_1146" next="#ID_1147"> Haben Sie nie von Nixen gehört, die in Mondscheinnächten von einer<lb/> Elfe unter einem Klettenblatt geboren werden? Nixen mit langem, gvld-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Gvenzboten IV 1889 43</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0345]
Junge Liebe
finstern Waldes plötzlich ein paar nackte weibliche Füße erblickte, die halb im
Grase versteckt waren, und dann ein verblichenes Kleid und langes, blondes,
in schweren Flechten aufgebnndnes Haar; und endlich diese großen, wunder¬
baren Augen, die unter dem erhobenen Arm erschreckt mit flehendem, zitterndem
Blick zu ihm aufschauten.
Wie war ihm das Blut in dem Augenblicke in die Wangen geströmt!
Wie hatte ihm das Herz im Leibe geklopft! Und doch ahnte er damals nicht,
welcher Wahnsinn und welche Lust, welche stürmische Unruhe lind welches ruhelose
schnell diese Begegnung zur Folge haben würde, wieviel schlaflose Nächte,
wieviel qualvolle Stunden aus diesem einen, scheuen Blick entstehen sollten.
Martha! sagte er endlich.
Sie fuhr zusammen bei dem Klang seiner Stimme; die klang so leise, so
herzlich, sprach gleichsam heraus aus der Stille rings um sie her und schmolz
mit ihr zusammen. Aber es lag ein Klang von Verzweiflung, von Hilflosig¬
keit in der Stimme, den er nicht niederkämpfen konnte.
Woran dachten Sie eben, Martha?
Als ihre ganze Antwort darin bestand, lächelnd den Kopf noch tiefer über
die Hand zu beugen, fügte er nach einer Weile hinzu: Warum sind Sie so
schweigsam? Warum so ernsthaft?
Ich bin nicht ernsthaft, antwortete sie und lächelte wieder.
Aber stets gedankenvoll, wie? Weshalb sind Sie das?
Ja, das wird Wohl daher kommen, daß ich nicht viel Grund habe, lustig
zu sein!
Das habe ich von Ihnen nicht zu hören erwartet, Martha. Aber das
meinen Sie auch nicht — das können Sie nicht im Ernste meinen!
Sie lauschte eine Weile, als wartete sie auf eine Fortsetzung. Endlich
fragte sie leise: Warum denn nicht?
Weil — wer könnte Ihnen wohl Kummer bereiten? Wenn man so hübsch
ist und solche Augen hat, dann pflegt man nicht unglücklich zu sein. Ich
glaube eher, daß alle jungen Burschen des Dorfes Sie verliebt umschwärmen —
thun sie es etwa nicht? Und es wäre auch wirklich kein Wunder. Ich ver¬
stehe es nur zu gut, daß sie gern alle eine so liebe, kleine Frau haben möchten,
die ihren Mann vor Verliebtheit um Sinn und Verstand bringen könnte!
Ach, das meinen Sie ja gar nicht, sagte sie errötend, aber ihre Augen
senkten sich, als übersiele sie eine leise Ohnmacht.
Das meine ich nicht, Martha? — Er schüttelte den Kopf mit einer Art
von schmerzlicher Lustigkeit. Ach, nur viel zu sehr! viel zu sehr! Wissen
Sie, woran ich oft denken muß?
Nein, sagte sie, als sie merkte, daß er auf eine Autwort wartete.
Haben Sie nie von Nixen gehört, die in Mondscheinnächten von einer
Elfe unter einem Klettenblatt geboren werden? Nixen mit langem, gvld-
Gvenzboten IV 1889 43
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |