Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.Immermanns Theaterleituug Witive durch Gustav von Putlitz l87"> herausgebe" ließ, erzählt zwar in aus¬ Schon der Titel verrät die apologetische Tendenz Felluers, und auf die Immermanns Theaterleituug Witive durch Gustav von Putlitz l87«> herausgebe» ließ, erzählt zwar in aus¬ Schon der Titel verrät die apologetische Tendenz Felluers, und auf die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0328" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206327"/> <fw type="header" place="top"> Immermanns Theaterleituug</fw><lb/> <p xml:id="ID_1085" prev="#ID_1084"> Witive durch Gustav von Putlitz l87«> herausgebe» ließ, erzählt zwar in aus¬<lb/> führlicher Weise von der dramaturgischen Wirksamkeit des charnkter- und geist¬<lb/> vollen Schöpfers des „Obcrhofs," aber ohne sich mit den fremden Urteilen<lb/> über sein Theater kritisch auseinanderzusetzen. Da aber der gesamte und sehr<lb/> reichhaltige Nachlaß des Dichters noch vollständig erhalten ist (bei seiner<lb/> Tochter, der Geheimrütin Geffcken), so war es ein lodeus- und dankenswertes<lb/> Unternehmen Richard Fellners, die Geschichte von Immermanns Thätigkeit als<lb/> Dramaturg zu schreiben, die Urteile über sie zu prüfen und den wahren Wert<lb/> des Düsseldorfer Stadttheaters zu ermitteln. Dies ist der Zweck seines leider<lb/> clous umfangreichen Buches! Geschichte einer deutschen Musterbühne.<lb/> Karl Immermanns Leitung des Stadttheaters zu Düsseldorf (Stutt¬<lb/> gart, Cotta, 1888).</p><lb/> <p xml:id="ID_1086" next="#ID_1087"> Schon der Titel verrät die apologetische Tendenz Felluers, und auf die<lb/> Gefahr hin, mit der bei deu Theaterleuten beliebten Formel „Davon versteht<lb/> der Laie nichts" abgetrumpft zu werden, gestehen wir von vornherein, daß wir<lb/> uns im großen und ganzen mit der Auffassung Fellners von dem hohen<lb/> Wert und der einsichtigen Wirksamkeit Immermanns als Dramaturgen einver¬<lb/> standen erklären. Als Immermann seine dramaturgische Arbeit begann, stand<lb/> es um das deutsche Schausvielweseu uicht gut. Goethe hatte schon längst die<lb/> Leitung des Weimarer Theaters aus der Hand gegeben, Jffland lebte nicht<lb/> mehr, Schröder hatte ebenfalls keine Nachfolge gefunden, nur in Wien hatte<lb/> Schreyvogel das Burgtheater gefördert, aber er mußte einem adlichen Inten¬<lb/> danten weichen, der nichts verstand. Die Herrschaft Naupachs hatte ein leeres,<lb/> auf Stelzen eiuherschreiteudes Pathos eingebürgert, und die Schauspieler hatten<lb/> verlernt, gut und charakteristisch zu sprechen. Zwei große Schulen, die<lb/> Schrödersche und die Gvethische, hatten in dieser Zeit noch, Spuren hinter¬<lb/> lassen, fortgebildet worden ist keine. Die wichtigste Pflicht einer guten Bühne,<lb/> ein Wohl eingeübtes Zusammenspiel, wurde kaum noch unter des vortrefflichen<lb/> Schreyvogel Leitung im Vnrgtheater zu Wien beobachtet. Statt dessen aber<lb/> machten sich die Virtuosen breit, die einzelnen Talente, die sich mit ihrem Spiel<lb/> auf Kosten des Ganzen hervvrdrängten, die Absichten der Dichter ihrem per¬<lb/> sönlichen Belieben hintanstellten und alles eher als den poetischen Gehalt der<lb/> großen Dichtungen zur Darstellung brachten. Der Schauspielerstnud war auch<lb/> uicht geordnet genug. Nur die wenigen Hofbühnen stellten die Mitglieder auf<lb/> Dauer an, an den Prvvinzialbühnen wurden sie meist auf eine Spielzeit ange¬<lb/> stellt, sodaß sich selten ein gutes Zusammenspiel bilden konnte. Die Rechts¬<lb/> verhältnisse zwischen Schauspieler und Direktor waren noch so wenig geordnet,<lb/> daß jedes Mitglied, wenn es ihm gerade gefiel, im wichtigsten Augenblick durch¬<lb/> gehen konnte, ohne es mit den andern Theaterdirektorcn zu verderben. Und<lb/> das schlimmste war, daß an der Spitze der führenden Hofbühnen Intendanten<lb/> standen, die gar nichts vom dramaturgischen Beruf besaßen, sondern bloß durch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0328]
Immermanns Theaterleituug
Witive durch Gustav von Putlitz l87«> herausgebe» ließ, erzählt zwar in aus¬
führlicher Weise von der dramaturgischen Wirksamkeit des charnkter- und geist¬
vollen Schöpfers des „Obcrhofs," aber ohne sich mit den fremden Urteilen
über sein Theater kritisch auseinanderzusetzen. Da aber der gesamte und sehr
reichhaltige Nachlaß des Dichters noch vollständig erhalten ist (bei seiner
Tochter, der Geheimrütin Geffcken), so war es ein lodeus- und dankenswertes
Unternehmen Richard Fellners, die Geschichte von Immermanns Thätigkeit als
Dramaturg zu schreiben, die Urteile über sie zu prüfen und den wahren Wert
des Düsseldorfer Stadttheaters zu ermitteln. Dies ist der Zweck seines leider
clous umfangreichen Buches! Geschichte einer deutschen Musterbühne.
Karl Immermanns Leitung des Stadttheaters zu Düsseldorf (Stutt¬
gart, Cotta, 1888).
Schon der Titel verrät die apologetische Tendenz Felluers, und auf die
Gefahr hin, mit der bei deu Theaterleuten beliebten Formel „Davon versteht
der Laie nichts" abgetrumpft zu werden, gestehen wir von vornherein, daß wir
uns im großen und ganzen mit der Auffassung Fellners von dem hohen
Wert und der einsichtigen Wirksamkeit Immermanns als Dramaturgen einver¬
standen erklären. Als Immermann seine dramaturgische Arbeit begann, stand
es um das deutsche Schausvielweseu uicht gut. Goethe hatte schon längst die
Leitung des Weimarer Theaters aus der Hand gegeben, Jffland lebte nicht
mehr, Schröder hatte ebenfalls keine Nachfolge gefunden, nur in Wien hatte
Schreyvogel das Burgtheater gefördert, aber er mußte einem adlichen Inten¬
danten weichen, der nichts verstand. Die Herrschaft Naupachs hatte ein leeres,
auf Stelzen eiuherschreiteudes Pathos eingebürgert, und die Schauspieler hatten
verlernt, gut und charakteristisch zu sprechen. Zwei große Schulen, die
Schrödersche und die Gvethische, hatten in dieser Zeit noch, Spuren hinter¬
lassen, fortgebildet worden ist keine. Die wichtigste Pflicht einer guten Bühne,
ein Wohl eingeübtes Zusammenspiel, wurde kaum noch unter des vortrefflichen
Schreyvogel Leitung im Vnrgtheater zu Wien beobachtet. Statt dessen aber
machten sich die Virtuosen breit, die einzelnen Talente, die sich mit ihrem Spiel
auf Kosten des Ganzen hervvrdrängten, die Absichten der Dichter ihrem per¬
sönlichen Belieben hintanstellten und alles eher als den poetischen Gehalt der
großen Dichtungen zur Darstellung brachten. Der Schauspielerstnud war auch
uicht geordnet genug. Nur die wenigen Hofbühnen stellten die Mitglieder auf
Dauer an, an den Prvvinzialbühnen wurden sie meist auf eine Spielzeit ange¬
stellt, sodaß sich selten ein gutes Zusammenspiel bilden konnte. Die Rechts¬
verhältnisse zwischen Schauspieler und Direktor waren noch so wenig geordnet,
daß jedes Mitglied, wenn es ihm gerade gefiel, im wichtigsten Augenblick durch¬
gehen konnte, ohne es mit den andern Theaterdirektorcn zu verderben. Und
das schlimmste war, daß an der Spitze der führenden Hofbühnen Intendanten
standen, die gar nichts vom dramaturgischen Beruf besaßen, sondern bloß durch
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