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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Das rauchfreie Pulver

desto besser, da"" wird sie sich noch eifriger ihrem eigentlichen Gebiet, dem
Aufklärungsdienst, zuwenden. Ja, wenn der sich nur nicht auch gegen das
rauchfreie Pulver schwieriger gestaltete! Es ist eine ganz andre Sache ans
einem Patrouillenritt, wenn man plötzlich beschossen wird, sofort an der Rauch-
erscheinnng zu merken, wo der Feind steht, als die Kugel pfeifen zu hören,
ohne genau zu wissen, woher sie kommt. Das ermutigt nicht gerade zu be¬
sonders keckem Vorgehen, und anderseits erschwert der Mangel der Nauch-
erscheinnng beim Gegner die Beurteilung desselben, macht Meldungen über
ihn viel schwieriger.

Wenden wir uns nnn zu den Dmnpflinien. Wie klar und deutlich, wird
der Laie sagen, muß ein Gefechtsfeld vor dem Beobachter liegen, dessen Über¬
sichtlichkeit durch leine Nauchansammlungen gestört wird. Und gewiß, die
Felder, auf denen die Kämpfe sich in Zukunft abspielen werden, werden über¬
sichtlicher sein, aber keineswegs die Gefechtsfelder. Bisher hatte die höhere
Führung für ihre Beobachtungen an den Dampflinien den hauptsächlichsten
Anhalt. Die dünnen Dampfwolken des Gewehrfeners, die dichteren Massen
des Geschützrauches bezeichneten, vom Standpunkte der höhern Führer aus
gesehen, ziemlich genau nicht nur die Lage bei den eignen Truppen, sondern
auch beim Feinde. Es war nicht schwer, zu erkennen, wie weit sich in der
Breite das Gefecht erstreckte, und oft sogar möglich, festzustellen, wo feindliche
Verstärkungen eingriffen, wo solche auf der eignen Seite nötig wurden. Alles
das wird künftig nicht mehr sichtbar sein, und dieser Verlust kann durch
die Klarheit, womit das Auge des Feldherrn über das Feld der Schlacht
streifen wird, nicht ersetzt werden. Die hierdurch hervorgerufene Gefahr der
Leitungslosigkeit der Kämpfe lag ja bei den voraussichtlichen Riesenschlachteu
der Zukunft schon ohne die Rauchfreiheit vor. Gefechtsfrvnten, in denen fünf
bis acht Armeekorps in erster Linie fechten, die also sehr Wohl bis zwanzig
Kilometer Ausdehnung haben dürften, wären anch mit den besten Ferngläsern
und mit deutlicher Rancherscheinung des Feuers von einem Pnnkte aus nicht
"lehr zu beobachten. Aber die Gefahr ist jetzt einschneidender geworden, weil
selbst einzelne wichtige Vorgänge auf den Schlachtfeldern nicht mehr genan mit
dem Auge verfolgt werden können, und weil das Hilfsange der hohen Führer,
der Aufklärungsdienst, selten ergiebig sein dürfte.

Irgend welcher aus der Rauchfreiheit entspringende Gewinn für die höhere
Führung steht den geschilderten Nachteilen nicht gegenüber. Denn was man
auch vom Durchsehen bis ins Innerste des Gegners und mit ähnlichen Schlag-
Wörtern sagen möge, es steht fest, daß die hohe Führung im Gefecht häufig gar nichts
selbst erblicken wird. Damit hört ihre Wirksamkeit dort zum großen Teile auf.
An ihre Stelle muß die Selbständigkeit und Selbstthätigkeit der niedern Führer
treten. Gott Lob, daß diese in unsrer Armee von jeher zur Initiative erzogen
worden, daß ihnen der Grundsatz frischen Handelns ohne viel Fragen und Be-


Das rauchfreie Pulver

desto besser, da»» wird sie sich noch eifriger ihrem eigentlichen Gebiet, dem
Aufklärungsdienst, zuwenden. Ja, wenn der sich nur nicht auch gegen das
rauchfreie Pulver schwieriger gestaltete! Es ist eine ganz andre Sache ans
einem Patrouillenritt, wenn man plötzlich beschossen wird, sofort an der Rauch-
erscheinnng zu merken, wo der Feind steht, als die Kugel pfeifen zu hören,
ohne genau zu wissen, woher sie kommt. Das ermutigt nicht gerade zu be¬
sonders keckem Vorgehen, und anderseits erschwert der Mangel der Nauch-
erscheinnng beim Gegner die Beurteilung desselben, macht Meldungen über
ihn viel schwieriger.

Wenden wir uns nnn zu den Dmnpflinien. Wie klar und deutlich, wird
der Laie sagen, muß ein Gefechtsfeld vor dem Beobachter liegen, dessen Über¬
sichtlichkeit durch leine Nauchansammlungen gestört wird. Und gewiß, die
Felder, auf denen die Kämpfe sich in Zukunft abspielen werden, werden über¬
sichtlicher sein, aber keineswegs die Gefechtsfelder. Bisher hatte die höhere
Führung für ihre Beobachtungen an den Dampflinien den hauptsächlichsten
Anhalt. Die dünnen Dampfwolken des Gewehrfeners, die dichteren Massen
des Geschützrauches bezeichneten, vom Standpunkte der höhern Führer aus
gesehen, ziemlich genau nicht nur die Lage bei den eignen Truppen, sondern
auch beim Feinde. Es war nicht schwer, zu erkennen, wie weit sich in der
Breite das Gefecht erstreckte, und oft sogar möglich, festzustellen, wo feindliche
Verstärkungen eingriffen, wo solche auf der eignen Seite nötig wurden. Alles
das wird künftig nicht mehr sichtbar sein, und dieser Verlust kann durch
die Klarheit, womit das Auge des Feldherrn über das Feld der Schlacht
streifen wird, nicht ersetzt werden. Die hierdurch hervorgerufene Gefahr der
Leitungslosigkeit der Kämpfe lag ja bei den voraussichtlichen Riesenschlachteu
der Zukunft schon ohne die Rauchfreiheit vor. Gefechtsfrvnten, in denen fünf
bis acht Armeekorps in erster Linie fechten, die also sehr Wohl bis zwanzig
Kilometer Ausdehnung haben dürften, wären anch mit den besten Ferngläsern
und mit deutlicher Rancherscheinung des Feuers von einem Pnnkte aus nicht
»lehr zu beobachten. Aber die Gefahr ist jetzt einschneidender geworden, weil
selbst einzelne wichtige Vorgänge auf den Schlachtfeldern nicht mehr genan mit
dem Auge verfolgt werden können, und weil das Hilfsange der hohen Führer,
der Aufklärungsdienst, selten ergiebig sein dürfte.

Irgend welcher aus der Rauchfreiheit entspringende Gewinn für die höhere
Führung steht den geschilderten Nachteilen nicht gegenüber. Denn was man
auch vom Durchsehen bis ins Innerste des Gegners und mit ähnlichen Schlag-
Wörtern sagen möge, es steht fest, daß die hohe Führung im Gefecht häufig gar nichts
selbst erblicken wird. Damit hört ihre Wirksamkeit dort zum großen Teile auf.
An ihre Stelle muß die Selbständigkeit und Selbstthätigkeit der niedern Führer
treten. Gott Lob, daß diese in unsrer Armee von jeher zur Initiative erzogen
worden, daß ihnen der Grundsatz frischen Handelns ohne viel Fragen und Be-


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[0317] Das rauchfreie Pulver desto besser, da»» wird sie sich noch eifriger ihrem eigentlichen Gebiet, dem Aufklärungsdienst, zuwenden. Ja, wenn der sich nur nicht auch gegen das rauchfreie Pulver schwieriger gestaltete! Es ist eine ganz andre Sache ans einem Patrouillenritt, wenn man plötzlich beschossen wird, sofort an der Rauch- erscheinnng zu merken, wo der Feind steht, als die Kugel pfeifen zu hören, ohne genau zu wissen, woher sie kommt. Das ermutigt nicht gerade zu be¬ sonders keckem Vorgehen, und anderseits erschwert der Mangel der Nauch- erscheinnng beim Gegner die Beurteilung desselben, macht Meldungen über ihn viel schwieriger. Wenden wir uns nnn zu den Dmnpflinien. Wie klar und deutlich, wird der Laie sagen, muß ein Gefechtsfeld vor dem Beobachter liegen, dessen Über¬ sichtlichkeit durch leine Nauchansammlungen gestört wird. Und gewiß, die Felder, auf denen die Kämpfe sich in Zukunft abspielen werden, werden über¬ sichtlicher sein, aber keineswegs die Gefechtsfelder. Bisher hatte die höhere Führung für ihre Beobachtungen an den Dampflinien den hauptsächlichsten Anhalt. Die dünnen Dampfwolken des Gewehrfeners, die dichteren Massen des Geschützrauches bezeichneten, vom Standpunkte der höhern Führer aus gesehen, ziemlich genau nicht nur die Lage bei den eignen Truppen, sondern auch beim Feinde. Es war nicht schwer, zu erkennen, wie weit sich in der Breite das Gefecht erstreckte, und oft sogar möglich, festzustellen, wo feindliche Verstärkungen eingriffen, wo solche auf der eignen Seite nötig wurden. Alles das wird künftig nicht mehr sichtbar sein, und dieser Verlust kann durch die Klarheit, womit das Auge des Feldherrn über das Feld der Schlacht streifen wird, nicht ersetzt werden. Die hierdurch hervorgerufene Gefahr der Leitungslosigkeit der Kämpfe lag ja bei den voraussichtlichen Riesenschlachteu der Zukunft schon ohne die Rauchfreiheit vor. Gefechtsfrvnten, in denen fünf bis acht Armeekorps in erster Linie fechten, die also sehr Wohl bis zwanzig Kilometer Ausdehnung haben dürften, wären anch mit den besten Ferngläsern und mit deutlicher Rancherscheinung des Feuers von einem Pnnkte aus nicht »lehr zu beobachten. Aber die Gefahr ist jetzt einschneidender geworden, weil selbst einzelne wichtige Vorgänge auf den Schlachtfeldern nicht mehr genan mit dem Auge verfolgt werden können, und weil das Hilfsange der hohen Führer, der Aufklärungsdienst, selten ergiebig sein dürfte. Irgend welcher aus der Rauchfreiheit entspringende Gewinn für die höhere Führung steht den geschilderten Nachteilen nicht gegenüber. Denn was man auch vom Durchsehen bis ins Innerste des Gegners und mit ähnlichen Schlag- Wörtern sagen möge, es steht fest, daß die hohe Führung im Gefecht häufig gar nichts selbst erblicken wird. Damit hört ihre Wirksamkeit dort zum großen Teile auf. An ihre Stelle muß die Selbständigkeit und Selbstthätigkeit der niedern Führer treten. Gott Lob, daß diese in unsrer Armee von jeher zur Initiative erzogen worden, daß ihnen der Grundsatz frischen Handelns ohne viel Fragen und Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/317>, abgerufen am 02.07.2024.