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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Das rauchfreie j)ulver

Vorteile haben. Eben solche" Gewinn muß man dem militärischen Schützen
bei den Friedensübungen zugestehen. Im Kriege aber liegt die Sache etwas
anders. Da war und ist der Rauch nur ein Nebenumstand unter allen denen,
die das mangelhafte Schießen veranlassen. Viel wichtiger als er ist beispiels¬
weise ans den nahen wirksame" Schußentfernungen die Aufregung der Leute,
auf den weitern die Unsicherheit der Ziele. Beides ist durch die Nauchfreiheit
nicht beseitigt, im Gegenteil.

Die Unruhe der Mannschaften, hervorgerufen durch die schrecklichen Ein¬
drücke der blutigen Vernichtungsarbeit des Todes in ihrer Nähe, durch die
Anstrengungen und vieles andre wird iufobze des fehlenden Pulverdampfes eher
wachsen als abnehmen. Die Unsicherheit der Ziele muß in Zukunft auf Grund
der fehlenden Nauchziele ein weiterer, Wohl zu beachtender Einfluß der
Rauchfreiheit ^ zunehmen. Bisher gab die Dampferscheinnng des Schusses
stets wenigstens die Gegend an, wo der Gegner zu suchen sei: das fällt weg,
und jeder Sachverständige weiß, wie schwer eS ist, Schlitzen, die sich ge¬
schickt benehmen, in einigermaßen günstigem Gelände uns Entfernungen über
l!X> Meter mich nur zu entdecken, geschweige denn ein ordentliches Ziel bei
ihnen herauszufinden. Noch krasser tritt der böse Einfluß des mangelnden
Nauchziels bei dem Feuer der Artillerie zu Tage. Gerade sie, deren Eigen¬
tümlichkeit eine geregelte Feuerleitung fast immer ermöglicht, würde, nicht
mehr durch de" eignen Rauch an der Beobachtung gehindert, die großartigste
Wirkung erzielen können, wenn nicht der Mangel eines Nauchziels auf den
großen Artillerieentfernnngen die Erkennung des Zieles so ungemein erschwerte.

So sehen wir also, wie ein Vorteil der Ranchfreiheit, der des bessern
Schießens, durch einen ihn begleitenden Nachteil, den Wegfall des Nauchziels,
beinahe ausgeglichen wird. Dabei liegt es uns aber fern, bestreiten zu wollen,
daß unter gewissen Umständen die Nauchfreiheit von größtem Nutzen sein kann.
Man stelle sich eine wohlanSgewählte Stellung mit günstigem Vorgelände vor,
wo es dem Feinde nicht möglich ist, seine Linien und Batterien zu verbergen.
Da giebt das rauchfreie Pulver dem Inhaber der Stellung allerdings das
Mittel, jede feindliche Annäherung schlechterdings zu verhindern, denn die
Feuerpausen, die früher durch den sich vor einer derartigen Stellung lagernden
Rauch oft erzwungen wurden und die der Angreifer benutzte, um vorwärts
Boden zu gewinnen, sind in Zukunft nicht mehr notwendig.

Auf Grund der letzterwähnten Überlegung ist die Ansicht entstanden, daß
die Verteidigung durch das rauchfreie Pulver dein Angriff bis zur Unmöglich¬
keit der Durchführung desselben überlegen geworden sei. Wenn dies richtig
wäre, so dürfte kein verständiger Mensch künftig mehr an den Augriff denken,
und da Krieg führen angreifen heißt -- Verteidigung ist nur Krieg dulden --,
so würde es keine Kriege mehr geben, Nur wären in der goldnen Zeit des
ewigen Friedens angelangt. Jeder wird wohl zugeben, daß nur so weit noch


Das rauchfreie j)ulver

Vorteile haben. Eben solche» Gewinn muß man dem militärischen Schützen
bei den Friedensübungen zugestehen. Im Kriege aber liegt die Sache etwas
anders. Da war und ist der Rauch nur ein Nebenumstand unter allen denen,
die das mangelhafte Schießen veranlassen. Viel wichtiger als er ist beispiels¬
weise ans den nahen wirksame» Schußentfernungen die Aufregung der Leute,
auf den weitern die Unsicherheit der Ziele. Beides ist durch die Nauchfreiheit
nicht beseitigt, im Gegenteil.

Die Unruhe der Mannschaften, hervorgerufen durch die schrecklichen Ein¬
drücke der blutigen Vernichtungsarbeit des Todes in ihrer Nähe, durch die
Anstrengungen und vieles andre wird iufobze des fehlenden Pulverdampfes eher
wachsen als abnehmen. Die Unsicherheit der Ziele muß in Zukunft auf Grund
der fehlenden Nauchziele ein weiterer, Wohl zu beachtender Einfluß der
Rauchfreiheit ^ zunehmen. Bisher gab die Dampferscheinnng des Schusses
stets wenigstens die Gegend an, wo der Gegner zu suchen sei: das fällt weg,
und jeder Sachverständige weiß, wie schwer eS ist, Schlitzen, die sich ge¬
schickt benehmen, in einigermaßen günstigem Gelände uns Entfernungen über
l!X> Meter mich nur zu entdecken, geschweige denn ein ordentliches Ziel bei
ihnen herauszufinden. Noch krasser tritt der böse Einfluß des mangelnden
Nauchziels bei dem Feuer der Artillerie zu Tage. Gerade sie, deren Eigen¬
tümlichkeit eine geregelte Feuerleitung fast immer ermöglicht, würde, nicht
mehr durch de» eignen Rauch an der Beobachtung gehindert, die großartigste
Wirkung erzielen können, wenn nicht der Mangel eines Nauchziels auf den
großen Artillerieentfernnngen die Erkennung des Zieles so ungemein erschwerte.

So sehen wir also, wie ein Vorteil der Ranchfreiheit, der des bessern
Schießens, durch einen ihn begleitenden Nachteil, den Wegfall des Nauchziels,
beinahe ausgeglichen wird. Dabei liegt es uns aber fern, bestreiten zu wollen,
daß unter gewissen Umständen die Nauchfreiheit von größtem Nutzen sein kann.
Man stelle sich eine wohlanSgewählte Stellung mit günstigem Vorgelände vor,
wo es dem Feinde nicht möglich ist, seine Linien und Batterien zu verbergen.
Da giebt das rauchfreie Pulver dem Inhaber der Stellung allerdings das
Mittel, jede feindliche Annäherung schlechterdings zu verhindern, denn die
Feuerpausen, die früher durch den sich vor einer derartigen Stellung lagernden
Rauch oft erzwungen wurden und die der Angreifer benutzte, um vorwärts
Boden zu gewinnen, sind in Zukunft nicht mehr notwendig.

Auf Grund der letzterwähnten Überlegung ist die Ansicht entstanden, daß
die Verteidigung durch das rauchfreie Pulver dein Angriff bis zur Unmöglich¬
keit der Durchführung desselben überlegen geworden sei. Wenn dies richtig
wäre, so dürfte kein verständiger Mensch künftig mehr an den Augriff denken,
und da Krieg führen angreifen heißt — Verteidigung ist nur Krieg dulden —,
so würde es keine Kriege mehr geben, Nur wären in der goldnen Zeit des
ewigen Friedens angelangt. Jeder wird wohl zugeben, daß nur so weit noch


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[0315] Das rauchfreie j)ulver Vorteile haben. Eben solche» Gewinn muß man dem militärischen Schützen bei den Friedensübungen zugestehen. Im Kriege aber liegt die Sache etwas anders. Da war und ist der Rauch nur ein Nebenumstand unter allen denen, die das mangelhafte Schießen veranlassen. Viel wichtiger als er ist beispiels¬ weise ans den nahen wirksame» Schußentfernungen die Aufregung der Leute, auf den weitern die Unsicherheit der Ziele. Beides ist durch die Nauchfreiheit nicht beseitigt, im Gegenteil. Die Unruhe der Mannschaften, hervorgerufen durch die schrecklichen Ein¬ drücke der blutigen Vernichtungsarbeit des Todes in ihrer Nähe, durch die Anstrengungen und vieles andre wird iufobze des fehlenden Pulverdampfes eher wachsen als abnehmen. Die Unsicherheit der Ziele muß in Zukunft auf Grund der fehlenden Nauchziele ein weiterer, Wohl zu beachtender Einfluß der Rauchfreiheit ^ zunehmen. Bisher gab die Dampferscheinnng des Schusses stets wenigstens die Gegend an, wo der Gegner zu suchen sei: das fällt weg, und jeder Sachverständige weiß, wie schwer eS ist, Schlitzen, die sich ge¬ schickt benehmen, in einigermaßen günstigem Gelände uns Entfernungen über l!X> Meter mich nur zu entdecken, geschweige denn ein ordentliches Ziel bei ihnen herauszufinden. Noch krasser tritt der böse Einfluß des mangelnden Nauchziels bei dem Feuer der Artillerie zu Tage. Gerade sie, deren Eigen¬ tümlichkeit eine geregelte Feuerleitung fast immer ermöglicht, würde, nicht mehr durch de» eignen Rauch an der Beobachtung gehindert, die großartigste Wirkung erzielen können, wenn nicht der Mangel eines Nauchziels auf den großen Artillerieentfernnngen die Erkennung des Zieles so ungemein erschwerte. So sehen wir also, wie ein Vorteil der Ranchfreiheit, der des bessern Schießens, durch einen ihn begleitenden Nachteil, den Wegfall des Nauchziels, beinahe ausgeglichen wird. Dabei liegt es uns aber fern, bestreiten zu wollen, daß unter gewissen Umständen die Nauchfreiheit von größtem Nutzen sein kann. Man stelle sich eine wohlanSgewählte Stellung mit günstigem Vorgelände vor, wo es dem Feinde nicht möglich ist, seine Linien und Batterien zu verbergen. Da giebt das rauchfreie Pulver dem Inhaber der Stellung allerdings das Mittel, jede feindliche Annäherung schlechterdings zu verhindern, denn die Feuerpausen, die früher durch den sich vor einer derartigen Stellung lagernden Rauch oft erzwungen wurden und die der Angreifer benutzte, um vorwärts Boden zu gewinnen, sind in Zukunft nicht mehr notwendig. Auf Grund der letzterwähnten Überlegung ist die Ansicht entstanden, daß die Verteidigung durch das rauchfreie Pulver dein Angriff bis zur Unmöglich¬ keit der Durchführung desselben überlegen geworden sei. Wenn dies richtig wäre, so dürfte kein verständiger Mensch künftig mehr an den Augriff denken, und da Krieg führen angreifen heißt — Verteidigung ist nur Krieg dulden —, so würde es keine Kriege mehr geben, Nur wären in der goldnen Zeit des ewigen Friedens angelangt. Jeder wird wohl zugeben, daß nur so weit noch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/315>, abgerufen am 30.06.2024.