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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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eigen sein sollten, spielten eine große Rolle in allen Betrachtungen. Man
wird auch nicht in Abrede stellen können, daß diese Eigenschaften dem Kriege
zugefallen wären, wen" das Pulver künftighin thatsächlich ohne Rauch und
ohne Knall arbeitete. Da brachten die genauern Nachrichten von der Zu¬
sammensetzung des Vieilleschen Pulvers in Verbindung mit den bei Gelegen¬
heit der diesjährigen Kaisermanöver angestellten Versuchen unsers rauchfreien
Pulvers, durch die wir die Franzosen, wie l'^vonir erbost meint, in prak¬
tischer Erfahrung um mindestens ein Jahr geschlagen haben, größere Klarheit.
Sie war gleichbedeutend mit einer wahren Erleichterung der geängstigten
Gemüter.

Zunächst behielten die Gelehrten doch Recht mit ihrer Vehauptuug, daß
der Schuß der Feuerwnsfe immer knallen würde: das neue Pulver knallt bei
uns und in Frankreich gerade so wie das alte. Bekanntlich entsteht der Knall
nicht etwa dnrch die plötzliche Ausdehnung der Pulvergase, sondern durch das
gewaltsame Eintreten der atmosphärischen Luft in den luftleeren Raum im Rohre
hinter dein fortgeschleuderten Geschoß. Es ist deshalb nicht abzusehen, wie
er durch eine besondre Zusanuuensetzuug des Pulvers beseitigt werden könnte.
Diese bekannte Thatsache hatte man über den Prahlereien der Franzosen völlig
vergessen.

Die Raucherscheiuung des neuen Pulvers ist nun allerdings sehr gering;
sie ist so schwach, daß sie geradezu als nicht vorhanden anzusehen sein wird.
Dieser Umstand muß Veränderungen in der Kriegführung hervorrufen, sie
werden aber nicht annähernd so groß sein, als bei gleichzeitiger Knall- und
Rauchfreiheit.

Die UnHeimlichkeit, die man für die bevorstehenden Kämpfe prophezeite,
wird sich uicht einstellen. Wo die Büchsen munter knallen, ist nicht viel Raum
für sie. Im übrigen haben wir in der taktischen Kriegführung auch bisher
niemals auf den Rauch spekulirt, dazu ist er el" viel zu flüchtiges Ding. Jeder
stärkere Windstoß hätte alle hierhin zielenden Berechnungen leicht über deu
Haufen werfen können. Die Truppe ließ im Gegenteil den Pulverdnmpf theo¬
retisch ganz unbeachtet, obgleich er sich ihr in der Praxis oft genug deutlich
bemerkbar machte; sie kann also auch uicht so übermäßig durch seinen Wegfall
beeinflußt werden. Selbst wenn man aber in dieser Beziehung andrer Ansicht
ist, wird man doch zugeben müssen, daß die einzelnen Folgen der Rauchfreiheit
an sich nicht allzu schwer wiegen. Gehen wir sie einmal kurz durch.

Der Dampf des Schusses füllt in Zukunft weg. Also, werden die in die
Geheimnisse der Schießkunst eingeweihten sagen, kann man von nun an besser
zielen, die Wirkung des Schusses genauer beobachten, sich darnach korrigiren,
endlich besser schießen als früher. Zugestanden. Der Jäger, der auf der
Hühnerjagd eine "Doublette" macheu will oder bei der Treibjad in dichten:
Bestand ans enger Schneise steht, wird durch das rauchfreie Pulver große


eigen sein sollten, spielten eine große Rolle in allen Betrachtungen. Man
wird auch nicht in Abrede stellen können, daß diese Eigenschaften dem Kriege
zugefallen wären, wen» das Pulver künftighin thatsächlich ohne Rauch und
ohne Knall arbeitete. Da brachten die genauern Nachrichten von der Zu¬
sammensetzung des Vieilleschen Pulvers in Verbindung mit den bei Gelegen¬
heit der diesjährigen Kaisermanöver angestellten Versuchen unsers rauchfreien
Pulvers, durch die wir die Franzosen, wie l'^vonir erbost meint, in prak¬
tischer Erfahrung um mindestens ein Jahr geschlagen haben, größere Klarheit.
Sie war gleichbedeutend mit einer wahren Erleichterung der geängstigten
Gemüter.

Zunächst behielten die Gelehrten doch Recht mit ihrer Vehauptuug, daß
der Schuß der Feuerwnsfe immer knallen würde: das neue Pulver knallt bei
uns und in Frankreich gerade so wie das alte. Bekanntlich entsteht der Knall
nicht etwa dnrch die plötzliche Ausdehnung der Pulvergase, sondern durch das
gewaltsame Eintreten der atmosphärischen Luft in den luftleeren Raum im Rohre
hinter dein fortgeschleuderten Geschoß. Es ist deshalb nicht abzusehen, wie
er durch eine besondre Zusanuuensetzuug des Pulvers beseitigt werden könnte.
Diese bekannte Thatsache hatte man über den Prahlereien der Franzosen völlig
vergessen.

Die Raucherscheiuung des neuen Pulvers ist nun allerdings sehr gering;
sie ist so schwach, daß sie geradezu als nicht vorhanden anzusehen sein wird.
Dieser Umstand muß Veränderungen in der Kriegführung hervorrufen, sie
werden aber nicht annähernd so groß sein, als bei gleichzeitiger Knall- und
Rauchfreiheit.

Die UnHeimlichkeit, die man für die bevorstehenden Kämpfe prophezeite,
wird sich uicht einstellen. Wo die Büchsen munter knallen, ist nicht viel Raum
für sie. Im übrigen haben wir in der taktischen Kriegführung auch bisher
niemals auf den Rauch spekulirt, dazu ist er el» viel zu flüchtiges Ding. Jeder
stärkere Windstoß hätte alle hierhin zielenden Berechnungen leicht über deu
Haufen werfen können. Die Truppe ließ im Gegenteil den Pulverdnmpf theo¬
retisch ganz unbeachtet, obgleich er sich ihr in der Praxis oft genug deutlich
bemerkbar machte; sie kann also auch uicht so übermäßig durch seinen Wegfall
beeinflußt werden. Selbst wenn man aber in dieser Beziehung andrer Ansicht
ist, wird man doch zugeben müssen, daß die einzelnen Folgen der Rauchfreiheit
an sich nicht allzu schwer wiegen. Gehen wir sie einmal kurz durch.

Der Dampf des Schusses füllt in Zukunft weg. Also, werden die in die
Geheimnisse der Schießkunst eingeweihten sagen, kann man von nun an besser
zielen, die Wirkung des Schusses genauer beobachten, sich darnach korrigiren,
endlich besser schießen als früher. Zugestanden. Der Jäger, der auf der
Hühnerjagd eine „Doublette" macheu will oder bei der Treibjad in dichten:
Bestand ans enger Schneise steht, wird durch das rauchfreie Pulver große


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/314>, abgerufen am 28.06.2024.