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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Linse und Jetzt

Wäre, Dadurch beherrschen sie das Feld in München (immer nur von den
Jüngern gesprochen) auch so vollkommen, daß niemand gegen sie aufkommen
kann. Die ältern, anerkannten Meister freilich wandeln beharrlich ihre Bahn.
Auch die andern deutschen .Kunststätten bleiben in ihren frühern Gleisen, am
meisten wohl Düsseldorf. Einer der bedeutendsten altberühmten Künstler
Düsseldorfs, Eduard von Gebhardt, hat das einzige wahrhaft religiöse Bild
geschickt; dieser Heiland mit seinen Aposteln ist so wahr und echt, wie sie nur
ein ticfglünbiges Gemüt empfinden und ein in wirklichen Kunstformen schaffender
Pinsel darstellen kann. Wie sehr die Münchner .Künstler den Geschmack des
Publikums kennen, zeigt, das; sie zur Lotterie mir Bilder der ältern Richtung
angekauft haben. Dafür habe" sie sich bei der Prümiirung schadlos gehalten.
Wie sehr werden sie in Gesprächen unter sich den Geschmack des Publikums
verachten! Jeder tiefer denkende wird ihnen darin gewiß beistimmen, daß
die große Mehrheit in höhern Dingen sehr selten Recht hat, aber ein Körnchen
Wahrheit wird auch in dieser Ansicht stets sein, ja es kommt vor, daß dieses
Körnchen den einzig lebensfähigen Keim der Wahrheit enthält, die Aufgabe
der begabten Minderheit wäre es, ihn auszubilden. Ein solcher Fall liegt
hier vor.

Lernt nicht mehr bei den Franzosen, lernt zunächst an der Natur, das;
sie Unrecht haben, denn die Natur ist sehr selten xlvin -iir, Ihr habt Recht,
die Franzosen sind bedeutende Künstler, sie haben eine bewundernswerte Technik,
außerdem haben sie den Vorzug der Ursprilnglichkeit vor euch voraus, sie haben
diese Art der Malerei erfunden, sie begegnen keinem nennenswerten Widerspruch
in ihrem Lande, darum ist es ihnen gelungen, sie so einheitlich auszubilden,
als ein so geschlossenes Ganzes hinzustellen, und deshalb wirkt sie bei ihnen
so groß. Ihr aber werdet doch nur Nachahmer bleiben, man wird euch das
nachgeahmte immer anfühlen. Seht die Mimischen Künstler des sechzehnten
Jahrhunderts! Sie verließen die ihnen angestammte Weise zu malen und
wandten sich Italien zu, suchten so genan wie möglich in die Fußstapfen der
großen Italiener zu treten. Das Abgeleitete ihrer Kunst fühlt man aus deu
ersten Blick, kein einziger von ihnen hat etwas bleibendes geschaffen. Die
Jakobskirche in Antwerpen ist voll von ihren Werken, in einer Seitenkapelle
hängt ein kleiner Madonnenkopf von Guido Nein. In Italien stellt man
diesen Künstler nicht allzu hoch, dort aber wirkt das Köpfchen wahrhaft er¬
lösend, es ist etwas unmittelbares gegenüber dem nachgeahmten. Lernt von
den modernen Italienern bei der nationalen Richtung bleiben! Brancacciv
malt durchaus nicht vleäir s.ir und giebt gerade deshalb das Sonnenlicht viel
besser wieder als ihr und eure französischen Muster. Die Italiener haben das
Prinzip der Farbe, das einzig malerische, nicht aufgegeben. Wohl zeigen auch
sie deu Einfluß der Franzosen in vielen Dingen, die sich nicht verteidigen
lassen, aber der Hauptsache nach sind sie unberührt geblieben. Sie überziehen


Linse und Jetzt

Wäre, Dadurch beherrschen sie das Feld in München (immer nur von den
Jüngern gesprochen) auch so vollkommen, daß niemand gegen sie aufkommen
kann. Die ältern, anerkannten Meister freilich wandeln beharrlich ihre Bahn.
Auch die andern deutschen .Kunststätten bleiben in ihren frühern Gleisen, am
meisten wohl Düsseldorf. Einer der bedeutendsten altberühmten Künstler
Düsseldorfs, Eduard von Gebhardt, hat das einzige wahrhaft religiöse Bild
geschickt; dieser Heiland mit seinen Aposteln ist so wahr und echt, wie sie nur
ein ticfglünbiges Gemüt empfinden und ein in wirklichen Kunstformen schaffender
Pinsel darstellen kann. Wie sehr die Münchner .Künstler den Geschmack des
Publikums kennen, zeigt, das; sie zur Lotterie mir Bilder der ältern Richtung
angekauft haben. Dafür habe» sie sich bei der Prümiirung schadlos gehalten.
Wie sehr werden sie in Gesprächen unter sich den Geschmack des Publikums
verachten! Jeder tiefer denkende wird ihnen darin gewiß beistimmen, daß
die große Mehrheit in höhern Dingen sehr selten Recht hat, aber ein Körnchen
Wahrheit wird auch in dieser Ansicht stets sein, ja es kommt vor, daß dieses
Körnchen den einzig lebensfähigen Keim der Wahrheit enthält, die Aufgabe
der begabten Minderheit wäre es, ihn auszubilden. Ein solcher Fall liegt
hier vor.

Lernt nicht mehr bei den Franzosen, lernt zunächst an der Natur, das;
sie Unrecht haben, denn die Natur ist sehr selten xlvin -iir, Ihr habt Recht,
die Franzosen sind bedeutende Künstler, sie haben eine bewundernswerte Technik,
außerdem haben sie den Vorzug der Ursprilnglichkeit vor euch voraus, sie haben
diese Art der Malerei erfunden, sie begegnen keinem nennenswerten Widerspruch
in ihrem Lande, darum ist es ihnen gelungen, sie so einheitlich auszubilden,
als ein so geschlossenes Ganzes hinzustellen, und deshalb wirkt sie bei ihnen
so groß. Ihr aber werdet doch nur Nachahmer bleiben, man wird euch das
nachgeahmte immer anfühlen. Seht die Mimischen Künstler des sechzehnten
Jahrhunderts! Sie verließen die ihnen angestammte Weise zu malen und
wandten sich Italien zu, suchten so genan wie möglich in die Fußstapfen der
großen Italiener zu treten. Das Abgeleitete ihrer Kunst fühlt man aus deu
ersten Blick, kein einziger von ihnen hat etwas bleibendes geschaffen. Die
Jakobskirche in Antwerpen ist voll von ihren Werken, in einer Seitenkapelle
hängt ein kleiner Madonnenkopf von Guido Nein. In Italien stellt man
diesen Künstler nicht allzu hoch, dort aber wirkt das Köpfchen wahrhaft er¬
lösend, es ist etwas unmittelbares gegenüber dem nachgeahmten. Lernt von
den modernen Italienern bei der nationalen Richtung bleiben! Brancacciv
malt durchaus nicht vleäir s.ir und giebt gerade deshalb das Sonnenlicht viel
besser wieder als ihr und eure französischen Muster. Die Italiener haben das
Prinzip der Farbe, das einzig malerische, nicht aufgegeben. Wohl zeigen auch
sie deu Einfluß der Franzosen in vielen Dingen, die sich nicht verteidigen
lassen, aber der Hauptsache nach sind sie unberührt geblieben. Sie überziehen


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[0294] Linse und Jetzt Wäre, Dadurch beherrschen sie das Feld in München (immer nur von den Jüngern gesprochen) auch so vollkommen, daß niemand gegen sie aufkommen kann. Die ältern, anerkannten Meister freilich wandeln beharrlich ihre Bahn. Auch die andern deutschen .Kunststätten bleiben in ihren frühern Gleisen, am meisten wohl Düsseldorf. Einer der bedeutendsten altberühmten Künstler Düsseldorfs, Eduard von Gebhardt, hat das einzige wahrhaft religiöse Bild geschickt; dieser Heiland mit seinen Aposteln ist so wahr und echt, wie sie nur ein ticfglünbiges Gemüt empfinden und ein in wirklichen Kunstformen schaffender Pinsel darstellen kann. Wie sehr die Münchner .Künstler den Geschmack des Publikums kennen, zeigt, das; sie zur Lotterie mir Bilder der ältern Richtung angekauft haben. Dafür habe» sie sich bei der Prümiirung schadlos gehalten. Wie sehr werden sie in Gesprächen unter sich den Geschmack des Publikums verachten! Jeder tiefer denkende wird ihnen darin gewiß beistimmen, daß die große Mehrheit in höhern Dingen sehr selten Recht hat, aber ein Körnchen Wahrheit wird auch in dieser Ansicht stets sein, ja es kommt vor, daß dieses Körnchen den einzig lebensfähigen Keim der Wahrheit enthält, die Aufgabe der begabten Minderheit wäre es, ihn auszubilden. Ein solcher Fall liegt hier vor. Lernt nicht mehr bei den Franzosen, lernt zunächst an der Natur, das; sie Unrecht haben, denn die Natur ist sehr selten xlvin -iir, Ihr habt Recht, die Franzosen sind bedeutende Künstler, sie haben eine bewundernswerte Technik, außerdem haben sie den Vorzug der Ursprilnglichkeit vor euch voraus, sie haben diese Art der Malerei erfunden, sie begegnen keinem nennenswerten Widerspruch in ihrem Lande, darum ist es ihnen gelungen, sie so einheitlich auszubilden, als ein so geschlossenes Ganzes hinzustellen, und deshalb wirkt sie bei ihnen so groß. Ihr aber werdet doch nur Nachahmer bleiben, man wird euch das nachgeahmte immer anfühlen. Seht die Mimischen Künstler des sechzehnten Jahrhunderts! Sie verließen die ihnen angestammte Weise zu malen und wandten sich Italien zu, suchten so genan wie möglich in die Fußstapfen der großen Italiener zu treten. Das Abgeleitete ihrer Kunst fühlt man aus deu ersten Blick, kein einziger von ihnen hat etwas bleibendes geschaffen. Die Jakobskirche in Antwerpen ist voll von ihren Werken, in einer Seitenkapelle hängt ein kleiner Madonnenkopf von Guido Nein. In Italien stellt man diesen Künstler nicht allzu hoch, dort aber wirkt das Köpfchen wahrhaft er¬ lösend, es ist etwas unmittelbares gegenüber dem nachgeahmten. Lernt von den modernen Italienern bei der nationalen Richtung bleiben! Brancacciv malt durchaus nicht vleäir s.ir und giebt gerade deshalb das Sonnenlicht viel besser wieder als ihr und eure französischen Muster. Die Italiener haben das Prinzip der Farbe, das einzig malerische, nicht aufgegeben. Wohl zeigen auch sie deu Einfluß der Franzosen in vielen Dingen, die sich nicht verteidigen lassen, aber der Hauptsache nach sind sie unberührt geblieben. Sie überziehen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/294>, abgerufen am 28.06.2024.