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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

die religiöse Erziehung der Kinder nicht getroffen, so folgen die ehelichen und
legitiinirten Kinder der Religion oder Konfession des Voters, die unehelichen Kinder
der Religion oder Konfession der Mutter. Doch wird dabei ein erst in der letzten
Krankheit vor dem Tode des Erziehungsberechtigten erfolgter Religions- oder Kon¬
fessionswechsel nicht berücksichtigt. Auch ist eine erst in dieser Krankheit getroffene
ausdrückliche Bestimmung über die religiöse Erziehung der Kinder ohne rechtliche
Wirksamkeit, wenn eine von der bisherigen Religion oder Konfession des Erziehnngs-
berechtiglen abweichende Religion oder Konfession gewählt wurde. 3. Verträge
über die religiöse Erziehung der Kinder sind rechtlich unverbindlich. 4. Die Be¬
stimmung, das; ein Kind in einer andern Religion oder .Konfession, als es
bisher erzöge" ist, erzogen werden soll, ist in gerichtlicher oder notarieller
Form zu treffe". 5. Doch ist es als eine rechtsverbindliche Bestimmung des
Erziehungsberechtigten anzusehen, wenn letzterer das volle letzte Jahr vor seinem
Tode das Kind in einer andern Religion oder Konfession als der seinigen hat
erziehen lassen. Liegen in einem solchen Falle nicht besondre Umstände vor, ans
denen klar erhellt, daß dieser Erziehnngswille nur auf das betreffende eine Kind
hat beschränkt werden sollen, so sind auch die übrigen Kinder des Erziehungs¬
berechtigten in derselben Religion oder Konfession zu erziehen. Die im ersten Satz
von Ur. 5 bestimmte Ausnahme tritt nicht ein, wenn nach den Verhältnissen des
Wohnortes des Erziehungsberechtigteil anzunehmen ist, daß der letztere durch be¬
sondre Umstände (Mangel eines Geistlichen oder einer Schule seiner Religion oder
Konfession) dazu bestimmt ist, den Religionsunterricht in einer andern Religion oder
Konfession als der seinigen erteilen zu lassen. ki. Liegt keine schriftliche Bestim-
mung des erziehungsberechtigten Vaters vor, so steht bei Kindern, die das sechste
Lebensjahr noch nicht überschritten haben, der Mutter das Recht der Bestimmung
der religiösen Erziehung zu, wenn das Erziehungsrecht ans sie übergegangen ist;
doch kann sie dies Recht nnr mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, die
nach Anhörung der nächsten väterlichen Verwandten und des Waiseurals und nnr
ans besonders erheblichen Gründen erteilt werden darf, ausüben. Den Paten
und nächsten Verwandten der Kinder steht gegen den Beschluß des Vvrmundschafts-
gerichts das Recht der Beschwerde zu. 7. Übergnngsbestimmnngeu zu treffen, bleibt
den Laudesgesetzgebuugeu vorbehalten."
'

Ib. in 8 1638der Zusatz: "Bei der Auswahl des Vormundes ist auf das
religiöse Bekenntnis des Mündels Rücksicht zu nehmen."

3. daß ferner H 1ö6 des deutschen Strafgesetzbuchs durch den Zusatz ergänzt
werde: "Alle Verleitung zum Religions- oder Konfessivnsüberlritt durch Ver¬
sprechungen äußerer Vorteile, durch Drohungen oder Zwang wird mit einer Geld¬
strafe nicht uiiter 150 Mark oder entsprechender Gefängnisstrafe bestraft. Ebenso
wird die in gleicher Weise erfolgte Verleitung zu einer Bestimmung der religiösen
Erziehung von Kindern bestraft. Auch der Versuch ist strafbar. Erfolgt die Ver¬
leitung durch einen Geistlichen oder Kirchendiener, so tritt eine Gefängnisstrafe von
mindestens einem Monat ein."

Es ist dem evangelischen Bunde gewiß darin beizustimmen, daß die Frage der
religiösen Kindererziehung im bürgerlichen Gesetzbuch für das ganze Reichsgebiet ihre
Lösung finden muß und nicht den einzelnen Landesgesetzgebuiigen überlassen werden darf.
Ob aber die vorgeschlagnen Bestimmungen zweckmäßig sind, erscheint doch zweifel¬
haft. Sicherlich ist eine Bestimmung zu treffen, die den häßlichen Handel um die
Seele" der Kinder aus Mischehen zu beseitigen geeignet ist; die Eisenacher Vor¬
schläge erzielen dies aber nicht, da sie den Schwerpunkt der gauzeu Frage, das


Maßgebliches und Unmaßgebliches

die religiöse Erziehung der Kinder nicht getroffen, so folgen die ehelichen und
legitiinirten Kinder der Religion oder Konfession des Voters, die unehelichen Kinder
der Religion oder Konfession der Mutter. Doch wird dabei ein erst in der letzten
Krankheit vor dem Tode des Erziehungsberechtigten erfolgter Religions- oder Kon¬
fessionswechsel nicht berücksichtigt. Auch ist eine erst in dieser Krankheit getroffene
ausdrückliche Bestimmung über die religiöse Erziehung der Kinder ohne rechtliche
Wirksamkeit, wenn eine von der bisherigen Religion oder Konfession des Erziehnngs-
berechtiglen abweichende Religion oder Konfession gewählt wurde. 3. Verträge
über die religiöse Erziehung der Kinder sind rechtlich unverbindlich. 4. Die Be¬
stimmung, das; ein Kind in einer andern Religion oder .Konfession, als es
bisher erzöge» ist, erzogen werden soll, ist in gerichtlicher oder notarieller
Form zu treffe». 5. Doch ist es als eine rechtsverbindliche Bestimmung des
Erziehungsberechtigten anzusehen, wenn letzterer das volle letzte Jahr vor seinem
Tode das Kind in einer andern Religion oder Konfession als der seinigen hat
erziehen lassen. Liegen in einem solchen Falle nicht besondre Umstände vor, ans
denen klar erhellt, daß dieser Erziehnngswille nur auf das betreffende eine Kind
hat beschränkt werden sollen, so sind auch die übrigen Kinder des Erziehungs¬
berechtigten in derselben Religion oder Konfession zu erziehen. Die im ersten Satz
von Ur. 5 bestimmte Ausnahme tritt nicht ein, wenn nach den Verhältnissen des
Wohnortes des Erziehungsberechtigteil anzunehmen ist, daß der letztere durch be¬
sondre Umstände (Mangel eines Geistlichen oder einer Schule seiner Religion oder
Konfession) dazu bestimmt ist, den Religionsunterricht in einer andern Religion oder
Konfession als der seinigen erteilen zu lassen. ki. Liegt keine schriftliche Bestim-
mung des erziehungsberechtigten Vaters vor, so steht bei Kindern, die das sechste
Lebensjahr noch nicht überschritten haben, der Mutter das Recht der Bestimmung
der religiösen Erziehung zu, wenn das Erziehungsrecht ans sie übergegangen ist;
doch kann sie dies Recht nnr mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, die
nach Anhörung der nächsten väterlichen Verwandten und des Waiseurals und nnr
ans besonders erheblichen Gründen erteilt werden darf, ausüben. Den Paten
und nächsten Verwandten der Kinder steht gegen den Beschluß des Vvrmundschafts-
gerichts das Recht der Beschwerde zu. 7. Übergnngsbestimmnngeu zu treffen, bleibt
den Laudesgesetzgebuugeu vorbehalten."
'

Ib. in 8 1638der Zusatz: „Bei der Auswahl des Vormundes ist auf das
religiöse Bekenntnis des Mündels Rücksicht zu nehmen."

3. daß ferner H 1ö6 des deutschen Strafgesetzbuchs durch den Zusatz ergänzt
werde: „Alle Verleitung zum Religions- oder Konfessivnsüberlritt durch Ver¬
sprechungen äußerer Vorteile, durch Drohungen oder Zwang wird mit einer Geld¬
strafe nicht uiiter 150 Mark oder entsprechender Gefängnisstrafe bestraft. Ebenso
wird die in gleicher Weise erfolgte Verleitung zu einer Bestimmung der religiösen
Erziehung von Kindern bestraft. Auch der Versuch ist strafbar. Erfolgt die Ver¬
leitung durch einen Geistlichen oder Kirchendiener, so tritt eine Gefängnisstrafe von
mindestens einem Monat ein."

Es ist dem evangelischen Bunde gewiß darin beizustimmen, daß die Frage der
religiösen Kindererziehung im bürgerlichen Gesetzbuch für das ganze Reichsgebiet ihre
Lösung finden muß und nicht den einzelnen Landesgesetzgebuiigen überlassen werden darf.
Ob aber die vorgeschlagnen Bestimmungen zweckmäßig sind, erscheint doch zweifel¬
haft. Sicherlich ist eine Bestimmung zu treffen, die den häßlichen Handel um die
Seele« der Kinder aus Mischehen zu beseitigen geeignet ist; die Eisenacher Vor¬
schläge erzielen dies aber nicht, da sie den Schwerpunkt der gauzeu Frage, das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/252>, abgerufen am 22.12.2024.