Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.sächlich in Frankreich mit jede": neuen Regime, und was die Schulen und Schon um das Jahr 1850 scheint die französische Romantik besiegt. Die Für diesen durch den wissenschaftlichen Aufschwung verursachten Rückschlag sächlich in Frankreich mit jede»: neuen Regime, und was die Schulen und Schon um das Jahr 1850 scheint die französische Romantik besiegt. Die Für diesen durch den wissenschaftlichen Aufschwung verursachten Rückschlag <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0021" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206020"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_46" prev="#ID_45"> sächlich in Frankreich mit jede»: neuen Regime, und was die Schulen und<lb/> Gruppen zusammenhielt, das waren im Grunde keine gemeinsamen knnsttheoreti-<lb/> schen Prinzipien, sondern lediglich der einheitliche Angriff auf eine veraltete<lb/> Geistesrichtung. In dieser rein negativen Haltung, die nur kräftig bleiben<lb/> konnte, fo lauge noch etwas anzugreifen war, liegt auch die Erklärung für die<lb/> seltsame Erscheinung, daß die Schulen nach dem Siege immer bald auseinander¬<lb/> gefallen und ans die verschiedenartigsten Abwege geraten sind. Die Romantik<lb/> blieb nur so lauge auf der Höhe ihrer Kraft, wie der Kampf gegen den Psendo-<lb/> Klafstzisnuis währte, der Realismus zeigte nur fo lauge ein lebensfrisches<lb/> Schaffen, als er gegen die Verirrungen der Romantik zu Felde zog-, von dem<lb/> Augenblicke an, wo diese ans dem Sattel geworfen war, schwand auch fein<lb/> Einfluß, und nnr durch eine geschickte Wendung zum Naturalismus kann er<lb/> gegenwärtig das Feld behaupten.</p><lb/> <p xml:id="ID_47"> Schon um das Jahr 1850 scheint die französische Romantik besiegt. Die<lb/> Dichter dieser Schule fanden mit ihren nur dem Phantasieleben entsprossenen<lb/> Schöpfungen keinen rechten Beifall und zogen sich schmollend vom dichterischen<lb/> Schaffen zurück. Lamartine war schon damals ganz zur Politik übergegangen,<lb/> The-ophile Gautier opferte feine poetischen Fähigkeiten dem Feuilleton; er nannte<lb/> sich selbst vieux riwöur, abrut-i par l'abus as 1a pross; saumte-Beuve lebte<lb/> uur in seineu kritischen und litterargeschichtlichen Studien; Viguy und Musset<lb/> hatten abgewirtschaftet, nur Victor Hugo verblieb uoch vou der ganzen roman¬<lb/> tischen Schule als einsamer Fels inmitten der rollenden Wogen.</p><lb/> <p xml:id="ID_48" next="#ID_49"> Für diesen durch den wissenschaftlichen Aufschwung verursachten Rückschlag<lb/> aus dem Überwiegen der Phantasie und Spekulation in die sinnliche Anschauung<lb/> und nüchterne Lebensauffassung ist das Jahr 1S5>7 bezeichnend. Damals erschienen<lb/> ans dein Theater I^r <in«Z8lion et'MMut von Dumas dem Jüngern, in der Roman¬<lb/> litteratur Nculaur0 Lovar^ von Gustave Flaubert, in der lyrischen Poesie I^Sö<lb/> ükui'jz co »ni von Charles Baudelaire, in der litterarischen Kritik, ein Jahr<lb/> später, die lüssgr-z 6<z eriti^u« se et'lliswirö vou Taine. So verschiedenartig<lb/> auch die Gebiete sind, auf denen diese vier Geister den Angriff gegen die Aus¬<lb/> läufer der romantischen Schule unternahmen, fo gemeinsam sind doch die Mittel,<lb/> mit denen sie ins Feld rückten. In der Form zeigte sich bei ihnen das Be¬<lb/> streben nach einer gewissen Kraft, Selbständigkeit und Gediegenheit, im Inhalt<lb/> offenbarte sich mit einem Schlage die auffallende Richtung zur unverfälschten<lb/> Wiedergabe der Wirklichkeit, die ausschließliche Wahl von Stoffen, die nicht<lb/> aus der Einbildungskraft, sondern aus der sinnlichen Anschauung geschöpft waren.<lb/> So trat Dumas der Jüngere mit seinen Bühnenstücken den Machwerken eines<lb/> Seribe und Bayard entgegen; so hob Flaubert den Roman aus der Sphäre<lb/> eines Charles de Bernard und Jules Sandeau, so suchte Baudelaire an Stelle<lb/> der abgedroschneu Liebeslyrik andre, selbst brutale Regungen der menschlichen<lb/> Seele dichterisch zu verwerten. Das Recht der Form, 1a wMörisusö Im <lo</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0021]
sächlich in Frankreich mit jede»: neuen Regime, und was die Schulen und
Gruppen zusammenhielt, das waren im Grunde keine gemeinsamen knnsttheoreti-
schen Prinzipien, sondern lediglich der einheitliche Angriff auf eine veraltete
Geistesrichtung. In dieser rein negativen Haltung, die nur kräftig bleiben
konnte, fo lauge noch etwas anzugreifen war, liegt auch die Erklärung für die
seltsame Erscheinung, daß die Schulen nach dem Siege immer bald auseinander¬
gefallen und ans die verschiedenartigsten Abwege geraten sind. Die Romantik
blieb nur so lauge auf der Höhe ihrer Kraft, wie der Kampf gegen den Psendo-
Klafstzisnuis währte, der Realismus zeigte nur fo lauge ein lebensfrisches
Schaffen, als er gegen die Verirrungen der Romantik zu Felde zog-, von dem
Augenblicke an, wo diese ans dem Sattel geworfen war, schwand auch fein
Einfluß, und nnr durch eine geschickte Wendung zum Naturalismus kann er
gegenwärtig das Feld behaupten.
Schon um das Jahr 1850 scheint die französische Romantik besiegt. Die
Dichter dieser Schule fanden mit ihren nur dem Phantasieleben entsprossenen
Schöpfungen keinen rechten Beifall und zogen sich schmollend vom dichterischen
Schaffen zurück. Lamartine war schon damals ganz zur Politik übergegangen,
The-ophile Gautier opferte feine poetischen Fähigkeiten dem Feuilleton; er nannte
sich selbst vieux riwöur, abrut-i par l'abus as 1a pross; saumte-Beuve lebte
uur in seineu kritischen und litterargeschichtlichen Studien; Viguy und Musset
hatten abgewirtschaftet, nur Victor Hugo verblieb uoch vou der ganzen roman¬
tischen Schule als einsamer Fels inmitten der rollenden Wogen.
Für diesen durch den wissenschaftlichen Aufschwung verursachten Rückschlag
aus dem Überwiegen der Phantasie und Spekulation in die sinnliche Anschauung
und nüchterne Lebensauffassung ist das Jahr 1S5>7 bezeichnend. Damals erschienen
ans dein Theater I^r <in«Z8lion et'MMut von Dumas dem Jüngern, in der Roman¬
litteratur Nculaur0 Lovar^ von Gustave Flaubert, in der lyrischen Poesie I^Sö
ükui'jz co »ni von Charles Baudelaire, in der litterarischen Kritik, ein Jahr
später, die lüssgr-z 6<z eriti^u« se et'lliswirö vou Taine. So verschiedenartig
auch die Gebiete sind, auf denen diese vier Geister den Angriff gegen die Aus¬
läufer der romantischen Schule unternahmen, fo gemeinsam sind doch die Mittel,
mit denen sie ins Feld rückten. In der Form zeigte sich bei ihnen das Be¬
streben nach einer gewissen Kraft, Selbständigkeit und Gediegenheit, im Inhalt
offenbarte sich mit einem Schlage die auffallende Richtung zur unverfälschten
Wiedergabe der Wirklichkeit, die ausschließliche Wahl von Stoffen, die nicht
aus der Einbildungskraft, sondern aus der sinnlichen Anschauung geschöpft waren.
So trat Dumas der Jüngere mit seinen Bühnenstücken den Machwerken eines
Seribe und Bayard entgegen; so hob Flaubert den Roman aus der Sphäre
eines Charles de Bernard und Jules Sandeau, so suchte Baudelaire an Stelle
der abgedroschneu Liebeslyrik andre, selbst brutale Regungen der menschlichen
Seele dichterisch zu verwerten. Das Recht der Form, 1a wMörisusö Im <lo
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