Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Lrimlenmgen ein ^. T>?. !>>ischi!r

hielten es für nützlicher, ihre Söhne nach Absvlvirung der Trivialschulen ins
Ausland zu schicken, als sie unter der Leitung von Cnmerarius und Hessus
in der griechischen Sprache und im Anfertigen lateinischer Berse unterrichten
zu lassen. . . . Die "obere Schule" Nürnbergs konnte ferner keine akade¬
mischen Grade, keine Titel verleihen, während die bescheidenste Artistenfakultät
im damaligen Deutschland noch das Recht hatte, Baccalaurei und Magistri
der freien Künste zu kreiren, ein Umstand, der umsomehr ins Gewicht fällt,
als es in dieser Zeit keine Staatsexamina gab." Auch der tüchtigste Schüler
der Nürnberger Akademie mußte also noch eine Universität beziehen, wenn ihn
ein akademischer Titel zieren sollte; alles aber, was man in Nürnberg lernen
konnte, wurde auch von den artistischen Fakultäten der Hochschulen gelehrt,
und so zogen es vermutlich viele Nürnberger vor, mit Umgehung jener reinen
GeisteSgymnastik sofort aus der gewöhnlichen Lateinschule auf die Universität
zu gehen. Endlich wurde es für die Nürnberger Schule verhängnisvoll, daß
mau sie anderwärts nicht nachahmte. Die "sunderlike Schote," mit der dies
in Braunschweig geplant wurde, kam nicht zustande.




Erinnerungen an F Th. Oischer

enden es bekannt geworden ist, daß Bischer in seinein Roman
"Auch Einer" Züge seiner eignen Persönlichkeit dem originellen
Helden des Romans verliehen hat -- und dies geschah gleich
nach dem Erscheinen des prächtigen Buches --, waren viele, die
ihn nicht persönlich gekannt haben, geneigt, den Albert Einhar
mit seinein Schöpfer ganz zu identifiziren. Und der liebevolle Aufsatz, deu
Gottfried Keller zu Bischers achtzigstem Geburtstage veröffentlichte, konnte
diese Meinung nnr befestigen. Albert Einhard ist mit seinem mitleidsvollen
Herzen, mit seinem in dem "obern Stockwerk" des Denkens mehr als in
dem "untern" des irdischen Alltagslebens heimischen Geiste gewiß ein Ehrent
manu. Aber derselbe Einhard ist auch ein humoristisches Original, ein drolliger
Kauz mit seiner unbeholfnen Kurzsichtigkeit, mit seinem Jähzorn, mit seinen
Wutanfällen, und unser Respekt vor ihm wird von dem Lächeln über seine
etwas täppische Gelehrteuart sehr beeinträchtigt. Den größten Prosaiker unsrer-


Lrimlenmgen ein ^. T>?. !>>ischi!r

hielten es für nützlicher, ihre Söhne nach Absvlvirung der Trivialschulen ins
Ausland zu schicken, als sie unter der Leitung von Cnmerarius und Hessus
in der griechischen Sprache und im Anfertigen lateinischer Berse unterrichten
zu lassen. . . . Die »obere Schule« Nürnbergs konnte ferner keine akade¬
mischen Grade, keine Titel verleihen, während die bescheidenste Artistenfakultät
im damaligen Deutschland noch das Recht hatte, Baccalaurei und Magistri
der freien Künste zu kreiren, ein Umstand, der umsomehr ins Gewicht fällt,
als es in dieser Zeit keine Staatsexamina gab." Auch der tüchtigste Schüler
der Nürnberger Akademie mußte also noch eine Universität beziehen, wenn ihn
ein akademischer Titel zieren sollte; alles aber, was man in Nürnberg lernen
konnte, wurde auch von den artistischen Fakultäten der Hochschulen gelehrt,
und so zogen es vermutlich viele Nürnberger vor, mit Umgehung jener reinen
GeisteSgymnastik sofort aus der gewöhnlichen Lateinschule auf die Universität
zu gehen. Endlich wurde es für die Nürnberger Schule verhängnisvoll, daß
mau sie anderwärts nicht nachahmte. Die „sunderlike Schote," mit der dies
in Braunschweig geplant wurde, kam nicht zustande.




Erinnerungen an F Th. Oischer

enden es bekannt geworden ist, daß Bischer in seinein Roman
„Auch Einer" Züge seiner eignen Persönlichkeit dem originellen
Helden des Romans verliehen hat — und dies geschah gleich
nach dem Erscheinen des prächtigen Buches —, waren viele, die
ihn nicht persönlich gekannt haben, geneigt, den Albert Einhar
mit seinein Schöpfer ganz zu identifiziren. Und der liebevolle Aufsatz, deu
Gottfried Keller zu Bischers achtzigstem Geburtstage veröffentlichte, konnte
diese Meinung nnr befestigen. Albert Einhard ist mit seinem mitleidsvollen
Herzen, mit seinem in dem „obern Stockwerk" des Denkens mehr als in
dem „untern" des irdischen Alltagslebens heimischen Geiste gewiß ein Ehrent
manu. Aber derselbe Einhard ist auch ein humoristisches Original, ein drolliger
Kauz mit seiner unbeholfnen Kurzsichtigkeit, mit seinem Jähzorn, mit seinen
Wutanfällen, und unser Respekt vor ihm wird von dem Lächeln über seine
etwas täppische Gelehrteuart sehr beeinträchtigt. Den größten Prosaiker unsrer-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0192" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206191"/>
          <fw type="header" place="top"> Lrimlenmgen ein ^. T&gt;?. !&gt;&gt;ischi!r</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_672" prev="#ID_671"> hielten es für nützlicher, ihre Söhne nach Absvlvirung der Trivialschulen ins<lb/>
Ausland zu schicken, als sie unter der Leitung von Cnmerarius und Hessus<lb/>
in der griechischen Sprache und im Anfertigen lateinischer Berse unterrichten<lb/>
zu lassen. . . . Die »obere Schule« Nürnbergs konnte ferner keine akade¬<lb/>
mischen Grade, keine Titel verleihen, während die bescheidenste Artistenfakultät<lb/>
im damaligen Deutschland noch das Recht hatte, Baccalaurei und Magistri<lb/>
der freien Künste zu kreiren, ein Umstand, der umsomehr ins Gewicht fällt,<lb/>
als es in dieser Zeit keine Staatsexamina gab." Auch der tüchtigste Schüler<lb/>
der Nürnberger Akademie mußte also noch eine Universität beziehen, wenn ihn<lb/>
ein akademischer Titel zieren sollte; alles aber, was man in Nürnberg lernen<lb/>
konnte, wurde auch von den artistischen Fakultäten der Hochschulen gelehrt,<lb/>
und so zogen es vermutlich viele Nürnberger vor, mit Umgehung jener reinen<lb/>
GeisteSgymnastik sofort aus der gewöhnlichen Lateinschule auf die Universität<lb/>
zu gehen. Endlich wurde es für die Nürnberger Schule verhängnisvoll, daß<lb/>
mau sie anderwärts nicht nachahmte. Die &#x201E;sunderlike Schote," mit der dies<lb/>
in Braunschweig geplant wurde, kam nicht zustande.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Erinnerungen an F Th. Oischer</head><lb/>
          <p xml:id="ID_673" next="#ID_674"> enden es bekannt geworden ist, daß Bischer in seinein Roman<lb/>
&#x201E;Auch Einer" Züge seiner eignen Persönlichkeit dem originellen<lb/>
Helden des Romans verliehen hat &#x2014; und dies geschah gleich<lb/>
nach dem Erscheinen des prächtigen Buches &#x2014;, waren viele, die<lb/>
ihn nicht persönlich gekannt haben, geneigt, den Albert Einhar<lb/>
mit seinein Schöpfer ganz zu identifiziren. Und der liebevolle Aufsatz, deu<lb/>
Gottfried Keller zu Bischers achtzigstem Geburtstage veröffentlichte, konnte<lb/>
diese Meinung nnr befestigen. Albert Einhard ist mit seinem mitleidsvollen<lb/>
Herzen, mit seinem in dem &#x201E;obern Stockwerk" des Denkens mehr als in<lb/>
dem &#x201E;untern" des irdischen Alltagslebens heimischen Geiste gewiß ein Ehrent<lb/>
manu. Aber derselbe Einhard ist auch ein humoristisches Original, ein drolliger<lb/>
Kauz mit seiner unbeholfnen Kurzsichtigkeit, mit seinem Jähzorn, mit seinen<lb/>
Wutanfällen, und unser Respekt vor ihm wird von dem Lächeln über seine<lb/>
etwas täppische Gelehrteuart sehr beeinträchtigt. Den größten Prosaiker unsrer-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0192] Lrimlenmgen ein ^. T>?. !>>ischi!r hielten es für nützlicher, ihre Söhne nach Absvlvirung der Trivialschulen ins Ausland zu schicken, als sie unter der Leitung von Cnmerarius und Hessus in der griechischen Sprache und im Anfertigen lateinischer Berse unterrichten zu lassen. . . . Die »obere Schule« Nürnbergs konnte ferner keine akade¬ mischen Grade, keine Titel verleihen, während die bescheidenste Artistenfakultät im damaligen Deutschland noch das Recht hatte, Baccalaurei und Magistri der freien Künste zu kreiren, ein Umstand, der umsomehr ins Gewicht fällt, als es in dieser Zeit keine Staatsexamina gab." Auch der tüchtigste Schüler der Nürnberger Akademie mußte also noch eine Universität beziehen, wenn ihn ein akademischer Titel zieren sollte; alles aber, was man in Nürnberg lernen konnte, wurde auch von den artistischen Fakultäten der Hochschulen gelehrt, und so zogen es vermutlich viele Nürnberger vor, mit Umgehung jener reinen GeisteSgymnastik sofort aus der gewöhnlichen Lateinschule auf die Universität zu gehen. Endlich wurde es für die Nürnberger Schule verhängnisvoll, daß mau sie anderwärts nicht nachahmte. Die „sunderlike Schote," mit der dies in Braunschweig geplant wurde, kam nicht zustande. Erinnerungen an F Th. Oischer enden es bekannt geworden ist, daß Bischer in seinein Roman „Auch Einer" Züge seiner eignen Persönlichkeit dem originellen Helden des Romans verliehen hat — und dies geschah gleich nach dem Erscheinen des prächtigen Buches —, waren viele, die ihn nicht persönlich gekannt haben, geneigt, den Albert Einhar mit seinein Schöpfer ganz zu identifiziren. Und der liebevolle Aufsatz, deu Gottfried Keller zu Bischers achtzigstem Geburtstage veröffentlichte, konnte diese Meinung nnr befestigen. Albert Einhard ist mit seinem mitleidsvollen Herzen, mit seinem in dem „obern Stockwerk" des Denkens mehr als in dem „untern" des irdischen Alltagslebens heimischen Geiste gewiß ein Ehrent manu. Aber derselbe Einhard ist auch ein humoristisches Original, ein drolliger Kauz mit seiner unbeholfnen Kurzsichtigkeit, mit seinem Jähzorn, mit seinen Wutanfällen, und unser Respekt vor ihm wird von dem Lächeln über seine etwas täppische Gelehrteuart sehr beeinträchtigt. Den größten Prosaiker unsrer-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/192
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/192>, abgerufen am 30.06.2024.